Elmshorn/Itzehoe. Es ging um 20 Euro: In Elmshorn saß das Opfer am Ufer, als der Peiniger von hinten kam. Landgericht eröffnet nun den Prozess.

Erhobenen Hauptes marschiert Markus E. am Donnerstag in Handschellen in den Saal des Landgerichts Itzehoe. Das Blitzlichtgewitter der Fotografen zum Prozessauftakt scheint an ihm abzuperlen, sein Gesicht wendet er fast trotzig den Kameras zu. Genauso ungerührt hört er sich wenig später der Anklageschrift an, die ihm unter anderem versuchten Mord aus Habgier vorwirft.

Die Tat, die Staatsanwältin Madeleine Hader in der Anklageschrift detailliert rekonstruiert hat, ist an Brutalität kaum zu überbieten. Und es war offenbar reines Glück, dass das Opfer die Messerattacke am Abend des 21. Juli vorigen Jahres in Elmshorn überlebt hat. Der 35 Jahre alte Mann aus dem Nachbarort Klein Offenseth-Sparrieshoop soll immer noch schwer traumatisiert sein, er hat sich dem Verfahren als Nebenkläger angeschlossen.

Prozess wegen versuchten Mordes: Opfer überlebte nur dank sofortiger Notoperation

Das Opfer befand sich gegen 19.30 Uhr im Bereich der Hafenstraße beim Angeln, als sich die Tat ereignet hat. Laut Anklageschrift packte der 35-Jährige gerade seine Angelsachen zusammen, als sich der Angeklagte unbemerkt von hinten näherte. In der Hand hielt Markus E. demnach ein Klappmesser mit einer Klingenlänge von zehn Zentimetern.

„Der Angeklagte stach dem Opfer unvermittelt einmal in die linke Schulter, dann fünfmal in den Hinterkopf“, so Staatsanwältin Hader, die von einer heimtückischen Vorgehensweise sprach. Dabei sei die Klinge des Messers abgebrochen und im Kopf des Opfers steckengeblieben. Dennoch habe Markus E. den Angriff fortgesetzt und das Messer mit der abgebrochenen Klinge dem Angler noch mehrfach in den Rücken gerammt.

Staatsanwältin: Angeklagter „nahm Tod des Opfers billigend in Kauf“

Hader: „Der Angeklagte nahm den Tod des Opfers billigend in Kauf.“ Sowohl der Stich in die Schulter sowie die Kopfverletzungen seien potenziell lebensgefährlich gewesen. „Nur einer Notoperation verdankt das Opfer sein Leben“, so die Anklägerin weiter.

Nach den Stichen habe Markus E. den Angler mit den Worten „Gib mir dein Geld“ zur Herausgabe seines Portemonnaies aufgefordert und dieses auch erhalten. Der Inhalt: 20 Euro. Während sich das schwer verletzte Opfer zu einem nahe gelegenen Supermarkt schleppte, um dort Hilfe zu holen, lief der Täter über den Krückauwanderweg davon.

Polizisten stellten am 21. Juli 2023 das Fahrrad des lebensgefährlich verletzten Anglers sicher. Der damals 35 Jahre alte Mann wurde an der Krückau mit einem Messer unter anderem am Kopf verletzt.
Polizisten stellten am 21. Juli 2023 das Fahrrad des lebensgefährlich verletzten Anglers sicher. Der damals 35 Jahre alte Mann wurde an der Krückau mit einem Messer unter anderem am Kopf verletzt. © Pinneberg | Westküstennews/Florian Sprenger

Er kam jedoch nicht weit. Mehrere Jugendliche waren auf die Tat und den flüchtenden Täter aufmerksam geworden. Sie nahmen die Verfolgung auf, holten den Flüchtenden ein und hielten ihn bis zum Eintreffen der Polizei fest. Als die Beamten Markus E. Handschellen anlegten, entdeckten sie bei ihm die Tatwaffe und das Portemonnaie des Opfers.

In dem Prozess wird Markus E. noch eine zweite Tat vorgeworfen, die sich 13 Tage zuvor ebenfalls in Elmshorn ereignet haben soll. In diesem Fall werden dem Angeklagten tateinheitlich besonders schwerer Raub, besonders schwere räuberische Erpressung, Körperverletzung sowie Nötigung vorgeworfen.

Markus E. wird in dem Prozess auch eine zweite brutale Raubttat vorgeworfen

Er soll am Morgen des 8. Juli einen Bekannten in dessen Elmshorner Wohnung an der Kirchenstraße aufgesucht haben, um eine Spielekonsole zurückzugeben und sein gefundenes Portemonnaie auszuhändigen. Dafür sollte Markus E. absprachegemäß zwölf Euro Finderlohn kassieren.

Doch damit wollte sich der Angeklagte nicht zufrieden geben. Nach Übergabe der Gegenstände soll der 27-Jährige ein Taschenmesser mit einer vier Zentimeter langen Spitze gezogen, seinen Bekannten damit bedroht und dessen gesamtes Geld eingefordert haben. Das Opfer übergab zunächst 110 Euro. Das reichte dem Angeklagten nicht, der laut Anklage weitere 62 Euro – vermutlich aus dem Portemonnaie – nachforderte.

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Mit dem Geld und der Spielekonsole ergriff Markus E. dann die Flucht. Das Opfer rief jedoch seiner Mutter – sie befand sich im Innenhof – zu, der Angeklagte habe ihn bestohlen und sie solle ihn aufhalten. Als sich die Frau dem 27-Jährigen in den Weg stellte, schlug er ihr mit der rechten Faust ins Gesicht sowie auf den Oberarm.

Markus E., der aktuell über keinen festen Wohnsitz verfügt, sitzt seiner Festnahme am 21. Juli in Untersuchungshaft. Die Chance, sich zu den Anklagevorwürfen zu äußern, ergriff er nicht. Auf die diesbezügliche Frage von Richter Johann Lohmann antworteten sowohl er als auch seine Verteidigerin Katja Münzel mit Nein.

Psychiater muss während des Prozesses die Schuldfähigkeit des Angeklagten beurteilen

Damit bleibt auch zunächst offen, ob das Motiv der Taten in einer Drogenproblematik des Angeklagten liegt. Die Wahrscheinlichkeit dafür dürfte hoch sein. Schließlich hat das Gericht den ehemaligen Chefarzt der Klinik für Psychiatrie in Itzehoe, Professor Arno Deister, mit einer forensisch-psychiatrischen Begutachtung des Angeklagten beauftragt. Dabei wird es hauptsächlich um die Schuldfähigkeit des 27-Jährigen zur Tatzeit gehen.

Die Schwurgerichtskammer des Landgerichts Itzehoe hat elf weitere Prozesstermine angesetzt, den nächsten am 23. Januar. Kann der Zeitplan eingehalten werden, könnte das Urteil in dem Verfahren Ende April verkündet werden.