Elmshorn/Itzehoe. Bluttat beim Angeln: Nach heftigem Stich in den Kopf und dem Angriff von hinten hat das Opfer vor Gericht nur wenige Erinnerungen.
Wolfgang P. (36) saß an der Krückau in Elmshorn friedlich beim Angeln, als die Hölle über ihn hereinbrach. Es soll Markus E. gewesen sein, der den Angler von hinten mehrfach in den Hinterkopf stach, bis die Klinge abbrach. Dafür muss sich der 27 Jahre alte Mann aus Elmshorn, der bereits wegen eines schwerwiegenden Gewaltexzesses vorbestraft ist, vor dem Landgericht Itzehoe verantworten. Die Anklage lautet: versuchter Mord.
Am zweiten Prozesstag schilderte das schwer traumatisierte Opfer, das vom Weißen Ring betreut wird, seine Sicht auf die Ereignisse vom 21. Juli vorigen Jahres. Wolfgang P., der als Garten- und Landschaftsbauer arbeitet und aus einem kleinen Nachbarort von Elmshorn stammt, saß an diesem Sommerabend auf Höhe eines Industriedenkmals an der Krückau beim Angeln.
Attacke auf Angler Wolfgang P.: Er angelte das erste Mal an dieser Stelle
„Ich war das erste Mal an der Stelle, wollte mal sehen, was ich da heraushole“, so der 36-Jährige. Er sei dort gegen 17 Uhr mit dem Fahrrad angekommen. Etwa zwei Stunden später habe es zu regnen begonnen. „Ich war gerade dabei, meine Sachen zusammenzupacken, als das passierte.“
An die Messerattacke, das wurde vor Gericht schnell klar, hat Wolfgang P. nur wenige Erinnerungen. „Ich stand gebückt da, weil ich gerade Sachen in die Tasche packte. Dann kam jemand von hinten.“ Laut Anklage war es Markus E., der ein Klappmesser mit einer Klingenlänge von zehn Zentimetern in der Hand hielt.
Opfer verspürte zunächst keine Schmerzen, wurde erst durch das Blut aufmerksam
Dieses soll er dem Opfer unvermittelt einmal in die linke Schulter, dann fünfmal in den Hinterkopf gestoßen haben. Dabei sei die Klinge des Messers abgebrochen und im Kopf des Opfers steckengeblieben. Trotzdem habe der Angeklagte mehrfach weiter auf den Rücken des Opfers eingestochen.
Schmerzen, so Wolfgang P., habe er zunächst nicht verspürt. „Ich habe gemerkt, wie mir plötzlich Blut übers Gesicht lief.“ Er habe sich dann umgedreht und einen Mann gesehen, jedoch aufgrund des Blutes nur verschwommen. „Er hat gesagt, er wolle mein Geld, hat mir dann das Portemonnaie geklaut und ist abgehauen.“
Sein Portemonnaie, das demonstriert der 36-Jährige kurz darauf dem Gericht, trage er immer in der hinteren rechten Hosentasche. Wolfgang P. will dann noch gesehen haben, wie mehrere Jugendliche nach seinem Hilferuf dem Täter hinterherrannten. Diesen gelang es auch, den Angreifer zu überwältigen. Das Opfer schleppte sich zum 50 Meter entfernten Rewe-Markt, wo Passanten einen Rettungswagen riefen.
Wolfgang P: „Die haben gesehen, dass ich voller Blut war.“ Er sei dann sofort ins UKE gebracht worden. „Meine Schulter wurde genäht, ich war dann im CT. Dann sagten sie, dass ich einen Gegenstand im Kopf habe.“ Es sei eine Operation gefolgt. Heute gehe es ihm trotz der großen verbliebenen Narben wieder gut, so der 36-Jährige. „Manchmal habe ich Kopfschmerzen. Und die Narben tun weh, wenn das Wetter umschlägt.“
Bereits vor der Messerattacke hatte ein Mann den Angler angesprochen
Richter Johann Lohmann befragte das Opfer intensiv zu einem Detail, das auf den ersten Blick nebensächlich erscheint. So hatte ein Mann Wolfgang P. kurz vor dem Vorfall angesprochen, der Geld gewechselt haben wollte. „Er wollte 50 Euro wechseln und hat ständig an seinem Portemonnaie rumgefummelt.“ Er habe dem Mann jedoch gesagt, nur 20 Euro und ein bisschen Kleingeld dabei zu haben. „Irgendwann ist der weggegangen, wohin, keine Ahnung.“
Gericht und Staatsanwaltschaft vermuten offenbar, dass es sich bei dem Mann um den Angeklagten gehandelt haben könnte, der im Vorfeld der Tat in Erfahrung bringen wollte, ob das mögliche Opfer überhaupt Geld dabei hat. Wolfgang P. kann das nicht bestätigen. Er hat den Messerstecher nur schemenhaft gesehen – und kann auch den Mann, der das Geld wechseln wollte, nur unzureichend beschreiben.
„Er wirkte, als ob er nicht alle Tassen im Schrank hatte“
Eines weiß er aber noch: „Der war irgendwie komisch drauf.“ So habe er, kurz bevor der Mann ihn ansprach, einen lauten Schrei gehört, der möglicherweise von der Person gekommen sei. „Er wirkte, ob er nicht alle Tassen im Schrank hatte“ – so hatte Wolfgang P. den Mann bei der Polizei beschrieben.
Der Mann, auf den die Beschreibung eventuell zutrifft, sitzt wenige Meter entfernt im Gerichtssaal. Markus E. hört der Aussage regungslos zu. Er hat in dem Prozess bisher keine Aussage gemacht. Auch zu einem zweiten, ebenfalls angeklagten Vorfall hat der 27-Jährige geschwiegen.
Angeklagter steht auch wegen eines zweiten Vorfalls vor Gericht
Er soll 13 Tage vor der Attacke auf den Angler einen Bekannten in dessen Wohnung in Elmshorn mit einem Messer bedroht und ausgeraubt haben. Auf seiner Flucht soll er die Mutter des Mannes, die sich ihm in den Weg stellte, geschlagen haben.
Es ist nicht der erste gravierende Vorfall, der dem Elmshorner zur Last gelegt wird. Vor knapp sechs Jahren stand der damals 22-Jährige schon einmal vor der Schwurgerichtskammer des Landgerichts Itzehoe, die ihn am 17. Mai 2018 wegen gefährlicher Körperverletzung, Freiheitsberaubung, Nötigung und Sachbeschädigung zu vier Jahren Gefängnis verurteilte.
Markus E. wurde bereits 2018 wegen eines Gewaltdelikts zu einer Haftstrafe verurteilt
Auch damals musste sich der Elmshorner wegen versuchten Mordes verantworten, diesen Vorwurf ließen die Richter im Urteil jedoch fallen. In diesem Prozess hatte Markus E. ein Geständnis abgelegt und bekundet, er wolle „geradestehen für das, was ich getan habe“.
Der seinerzeit 22-Jährige war in der Nacht zum 1. November 2017 offenbar grundlos auf seinen Bekannten Frank N. losgegangen, hatte auf ihn eingeschlagen und eingetreten, ihm in den Mund uriniert und das Opfer im Kofferraum seines Wagens eingesperrt. Dann fuhr er mit dem Bekannten auf den Parkplatz der Liether Kalkgrube, wo er ihn bis zur Luftnot würgte.
- Bekannten gequält, gewürgt und bedroht
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Von den vier Jahren hatte der Elmshorner zwei Drittel abgesessen, der Rest der Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Im damaligen Prozess kam heraus, dass Markus E. bis zur achten Klasse eine Elmshorner Förderschule besuchte, am Hauptschulabschluss gescheitert und später wegen Drogenkonsums aus einer Ausbildung geflogen war.
Der damalige Psychiater bescheinigte dem Elmshorner „limitierte intellektuelle Fähigkeiten“. Eine Persönlichkeitsstörung liege bei ihm jedoch nicht vor. Im jetzigen Verfahren ist mit dem ehemaligen Chefarzt der Klinik für Psychiatrie in Itzehoe, Professor Arno Deister, ein anderer medizinischer Experte am Verfahren beteiligt.
Nach Messerattacke: Droht dem Angeklagten sogar eine Sicherungsverwahrung?
Deister wird zu einem späteren Zeitpunkt eine forensisch-psychiatrische Begutachtung des Angeklagten abliefern. Es wird um die Schuldfähigkeit des 27-Jährigen zur Tatzeit gehen – und auch um die Frage, wie gefährlich der Elmshorner ist.
Angesichts der einschlägigen Vorstrafe und den Anklagevorwürfen könnte auch eine Sicherungsverwahrung in Betracht kommen. Die Kammer hat zehn weitere Prozesstage angesetzt, das Urteil könnte Ende April fallen.