Kreis Pinneberg. Statt Verödung: Wie im Kreis Pinneberg die Innenstädte aufleben sollen. Beispiele aus Barmstedt, Pinneberg, Wedel und Quickborn.
Das Problem haben zurzeit viele Kommunen im Kreis Pinneberg: Immer mehr Geschäfte in City-Lage geben auf und die Innenstädte drohen zu veröden. In Barmstedt soll jetzt ein ehrenamtlicher „Leerstands-Manager“ zusammen mit einer von der Politik eingesetzten Arbeitsgruppe, der Politik und den Wirtschaftsverbänden Maßnahmen entwickeln und umsetzen, die die Innenstadt attraktiver machen und wieder beleben sollen.
Auch in den Städten Wedel und Quickborn gibt es jetzt solche Initiativen. „Denn der stationäre Einzelhandel schwächelt“, sagt dazu Birgit Schmidt-Harder, die in der Kreisstadt Pinneberg für die Wirtschaftsförderung zuständig ist. Das betrifft nahezu alle größeren Städte im Kreis Pinneberg.
Leerstand der Geschäfte in der Barmstedter Innenstadt ist besorgniserregend
Zwei alteingesessene Spielzeugläden sind in der Reichenstraße, Barmstedts Einkaufsmeile, dicht. Auch die frühere Videothek steht leer. Eine ehemalige Apotheke hat nur noch Werbung für die Stadtbücherei im Schaufenster. Bekleidungsgeschäfte machen ständig neu auf und wieder zu.
Sogar die an sich pfiffige Idee, einen Klamottenladen mit einem Solarium an Ort und Stelle zu verbinden, ist gescheitert. Es gibt kein Café oder Restaurant im Zentrum der Stadt mehr.
Ex-Top-Manager Torsten Gross will alle Beteiligten an einen Tisch holen
Für Torsten Gross ist das ein Alarmsignal, um endlich mit allen Betroffenen gegenzusteuern. Der 62 Jahre alte ehemalige Geschäftsführer eines großen Elmshorner Unternehmens ist seit der Kommunalwahl vor einem Jahr bürgerliches Mitglied der CDU-Fraktion. Als langjähriger und erfahrener Top-Manager in der Industrie ist es ihm gelungen, alle fünf Fraktionen davon zu überzeugen, dieses Problem jetzt mit aller Macht anzugehen.
„Das ist kein Projekt. Das wird ein Prozess“, sagt Gross. Und dieser Prozess ende nicht, wenn es ein fertig ausgearbeitetes Konzept gebe. Denn das müsse ständig überprüft und angepasst werden, damit es erfolgreich und nachhaltig die Innenstadt beleben könnte, sagt er.
Ratsfraktionen sind von der Problematik überzeugt worden
Gross hat dazu bereits ein mehrseitiges Arbeitspapier mit möglichen Verbesserungsvorschlägen erarbeitet, das der Hauptausschuss der Stadtvertretung einstimmig angenommen hat. Der Titel lautet: „Barmstedt stirbt immer mehr aus.“ Als erstes sollten alle Fraktionen jeweils einen Stadtvertreter in den neuen Innenstadt-Beirat entsenden.
Dieser soll dann den Leerstands-Manager berufen, der sich federführend der Sache annimmt und die anderen Akteure wie die Gewerbetreibenden, den Handel- und Gewerbeverein, die Eigentümer, Haus- und Grund sowie Stadtmarketing und Wirtschaftsförderung mit ins Boot holt und in zwei Jahren mit allen zusammen eine Strategie entwickelt, „wie die zunehmende Verödung der Innenstadt“ vermieden werden kann.
Leerstandsmanager: „Brauchen Strategie und gemeinsame Vision“
Der Kommunalpolitiker und Rentner Gross macht kein Hehl daraus, dass er gerne diese Aufgabe des Leerstands-Managers in Barmstedt übernehmen würde. Wenn ihm in zwei Jahren nichts dazu gelingen sollte, was er sich aber nicht vorstellen könne, müsste das Vorhaben wieder ad acta gelegt werden.
Aber Gross ist zuversichtlich: „Wir brauchen eine Strategie und eine gemeinsame Vision. Ohne eine Vision klappt es nicht.“ Das habe er in den 30 Jahren als Top-Manager in Elmshorn immer wieder festgestellt. Wenn alle gemeinsam an einem Strang zögen und in eine Richtung gingen, könnte viel Gutes bewirkt werden.
Bürgerinnen und Bürger sollen auf dem Wochenmarkt befragt werden
Als Leerstands-Manager wäre er der erste und direkte Ansprechpartner für alle Gewerbetreibende, Eigentümer, Politiker und Verwaltung. Er würde sie alle an einen Tisch holen, um eine Bestandsanalyse zu machen und erste Vorschläge zu beraten. Ein aktuelles Lagebild solle entstehen und ein Leerstands-Kataster erstellt werden, kündigt Gross an, der seit 30 Jahren sehr gerne in Barmstedt lebt.
Welche Angebote fehlen? Was könnte kurzfristig, was eher langfristig verbessert werden?, wären Projektziele, die in einem klar definierten Maßnahmen-Katalog münden sollen.
Innstadt soll Spaß machen und Flair haben
„Eine Innenstadt hat für mich Flair, wenn dort Straßenmusiker spielen, es Spaß macht, sich dort aufzuhalten und das Einkaufen zu einer Art Erlebnis wird“, erklärt Gross die Zielsetzung eines neuen Stimmungsbildes. Das könnte durch neue Aktionen, Anpflanzungen, Ausstellungen sowie attraktive und vielfältigere Angebote initiiert werden.
Die Barmstedter Bevölkerung möchte Gross dabei natürlich mit einbinden. So stellt er sich vor, die Besucher des Wochenmarktes mit drei kurzen Fragen zu konfrontieren: „Was wünschen Sie sich für die Barmstedter Innenstadt? Was könnte die Attraktivität steigern? Sollte die Reichenstraße gesperrt oder verkehrsberuhigt werden“ wären zunächst die wichtigsten Punkte, die dann mit allen Beteiligten erörtert und, sofern von allen gewünscht, auch umgesetzt werden könnten.
Leerstands-Manager will ein Wir-Gefühl zur Belebung der City entfachen
„Es soll ein Wir-Projekt werden“, erklärt Torsten Gross. „Es klappt nur, wenn wir alle gemeinsam mitmachen.“ Es gehe auch darum, spezifische Lösungen für Barmstedt zu entwickeln. Denn jede Kommune versuche mit eigenen Rezepten wie verkaufsoffenen Sonntagen, Late-Night-Shopping-Angeboten oder Pop-Up-Stores, die kurzfristig neu aufmachten, dem Leerstand entgegenzuwirken.
Wenn erst der Maßnahmenkatalog für Barmstedt erarbeitet sei, würde er als Leerstands-Manager auch versuchen, Förderprogramme von Bund und Land dafür zu gewinnen, kündigt Torsten Gross an.
Quickborn will Runden Tisch für die Innenstadtbelebung
Solche Programme nutzen zum Beispiel Pinneberg, Elmshorn und Quickborn. Die Stadt Quickborn hat über das Bundesprogramm „Bewegte Stadt“ rund eine Million Euro akquirieren können. Pinneberg und Elmshorn jeweils eine halbe Million aus Landesprogrammen.
In Quickborn fordert aber nun die SPD-Fraktion ähnlich wie in Barmstedt: „Die Politik muss aktiv in die Lage eingreifen“, sagt ihr Sprecher Johann Reese. Ein „Runder Tisch“ mit Verwaltung, Politik, Eigentümern und Wirtschaft solle gebildet werden, um auch dort „die Innenstadt zu beleben. Die Bemühungen dürften aber nicht „in einem Strohfeuer enden“, warnt der Kommunalpolitiker.
In Wedel ist ein Fachbüro beauftragt, ein Konzept zu erarbeiten
Auch in Wedel ist das Problem erkannt. „Die Wedeler Innenstadt weiterzuentwickeln und noch attraktiver zu machen, ist ein zentrales Projekt der Stadt Wedel“, heißt es aus dem Wedeler Rathaus. Ein Fachbüro soll jetzt dazu ein „Innenstadt-Entwicklungskonzept“ dazu erarbeiten.
Die Problematik bestehe darin, dass „die Bedeutung des Einzelhandels in der Innenstadt von Wedel als alleiniger Hauptmagnet schwindet. Der Frequenzrückgang und Leerstand sind spürbar, nicht nur in der Bahnhofstraße, sondern auch in der Altstadt und dem Bahnhofsumfeld.“
Pinneberger Wirtschaftsförderin sagt, die Mieterwartung der Eigentümer ist zu hoch
Für Pinnebergs Wirtschaftsförderin Birgit Schmidt-Harder ist das Hauptproblem dabei, dass die Ladenflächen nicht der Stadt gehörten. „Wir können die Flächen erfassen und Vorschläge machen. Aber wir haben nicht die Aufgabe eines Immobilienmaklers.“ Letztlich seien die Eigentümer verantwortlich, an wen und wie sie ihre Grundstücksflächen vermarkteten.
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Und dabei gingen viele immer noch von „Traummieten“ aus, die ihnen 18 Euro und mehr pro Quadratmeter Mietfläche im Monat einbrächten. Aber diese Mietpreise ließen sich längst nicht mehr erzielen. „Die Erwartungshaltung muss herunter und sich an die heutige Situation anpassen“, appelliert Schmidt-Harder an die Grundstückseigentümer der Ladenflächen.
Denn durch den Ukraine-Krieg, die Inflation und die Heizungsdiskussion seien die Verbraucher verunsichert, viele Kunden hielten sich bei ihrem Kaufverhalten zurück. Das habe auch das nicht so gute Weihnachtsgeschäftsgeschäft gezeigt, erklärt Birgit Schmidt-Harder. Wobei es der Innenstadt der Kreisstadt besser gehe als noch vor zehn Jahren, sagte sie. „Damals hatten wir etwa 20 Prozent Leerstand in der City. Heute sind es zum Glück nur ein oder zwei Flächen, die schwierig sind.“
In Elmshorn wird bereits vor dem Leerstand mit Vermietern verhandelt
In Elmshorn heißt es nicht Leerstands-Management, sondern Vermietungsmanagement, sagt Manuela Kase vom Stadtmarketing. „Wir reagieren nicht erst, wenn bereits ein Leerstand erkennbar ist, sondern möglichst schon im Vorhinein.“ Dafür bedürfe es eines vertrauensvollen Verhältnisses zu den Immobilien-Eigentümern.
Durch die seit 15 Jahren laufenden PACT-Projekte (z.B. Weihnachtsbeleuchtung und Begrünung) bestehe eine enge Zusammenarbeit mit dieser Akteursgruppe, die nicht identisch mit den Ladeninhabern sei, erklärt sie. „Hier gibt es hier eine gute Basis für einen intensiven Informationsaustausch“.
Elmshorn setzt auch auf Zwischennutzungen
Auf diese Weise konnte in den letzten Jahren oft „auf kurzem Dienstweg“ Immobilien-Eigentümern potenzielle Mieter und umgekehrt Mietinteressenten passende Gewerbeeinheiten empfohlen und vermittelt werden. Etwa zehn Neueröffnungen seien so entstanden.
Zudem setze sich die Stadt Elmshorn seit fünf Jahren verstärkt für Zwischennutzungen ein. „Hier sind vor allem die Pop-up-Stores zu nennen, mit denen wir gute Erfahrungen gemacht haben, weil wir Einfluss auf das Sortiment haben und somit eine Optimierung des Branchenmixes erzielen“, sagt Manuela Kase.
Aktuell werde ein Pop-up-Huus in der Marktstraße 18 betreut, wo es im Februar einen Mieterwechsel geben wird. Kase: „So viel kann ich schon vorweg nehmen: Elmshorn darf sich auf ein Geschäft freuen, in dem Einzelpersonen und Gruppen kreativ werden und Keramik selbst bemalen können.“ Das Geschäft werde den Namen „Keramik-Pinselwerk“ tragen.
Eine weitere wichtige Maßnahme, um Leerstände in der Stadt zu vermeiden, sei das unser City-Online Portal (www.city-elmshorn.de), ein Branchenatlas mit 525 Einträgen, der bereits in 2017 ins Leben gerufen wurde und stets erweitert werde. Dort seien auch die aktuellen Leerstände unter Mietangebote aufgeführt, so Manuela Kase. „Derzeit zählen wir 15 Leerstände in der Innenstadt, bei etwa 150 Gewerbeeinheiten.“