Wedel. Verhältnis zu Bürgermeister Gernot Kaser sei „zerrüttet“. Auch andere Mitarbeiter gehen – öffentlich äußern will sich aber kaum jemand.
Paukenschlag in der Wedeler Verwaltung: Gisela Sinz, Fachbereichsleiterin Bauen und Umwelt, hört Ende Oktober auf. Nach Abendblatt-Informationen läuft aktuell ihre letzte Arbeitswoche im Rathaus. Beide Seiten sollen sich auf einen Aufhebungsvertrag inklusive einer Abfindung für die Beendigung der Zusammenarbeit geeinigt haben.
Ab dem 1. November ist Sinz, die im April 2017 die Leitungsposition in der Wedeler Verwaltung von Klaus Lieberknecht übernommen und zuvor in der Halstenbeker Verwaltung gearbeitet hatte, nicht mehr Teil des Führungsteams. Von den Beteiligten möchte sich auf Abendblatt-Anfrage niemand öffentlich äußern. Das berufliche Verhältnis zwischen ihr und Bürgermeister Gernot Kaser war jedoch offenbar nicht mehr zu kitten.
Chaos im Wedeler Rathaus: Bauamtschefin Gisela Sinz wirft frustriert hin
Das Stillschweigen über die genauen Gründe des Abschieds der 62 Jahre alten Bauamtsleiterin soll nach Abendblatt-Informationen Teil der schriftlichen Vereinbarung sein. Sollte sich doch einer der Beteiligten äußern, könnten Schadensersatzklagen drohen. Ein öffentliches Statement soll in naher Zukunft folgen. Eine Abendblatt-Anfrage, welche Auswirkungen, auch finanzieller Natur, diese Entscheidung habe, blieb bis Redaktionsschluss vom Rathaus unbeantwortet.
Nach Abendblatt-Informationen sollen auch Anneka Warsitz (Leitung Bauaufsicht) und Markus Leschnik (Leitung Gebäudemanagement) ihre Arbeitsverhältnisse beendet haben. Im Fall Leschnik soll es nach der Probezeit nicht weitergehen. Ob und wie die freigewordenen Stellen nun nachbesetzt werden, steht zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht fest. Denn: Aktuell findet eine „Organisationsberatung“ durch die Firma „PD - Berater der öffentlichen Hand“ in der Wedeler Verwaltung statt. Gerüchten zufolge soll der im Urlaub weilende Stadtsprecher Sven Kamin ebenfalls unzufrieden sein.
„Gravierende Probleme“ in der Zusammenarbeit mit den Fachbereichsleitern
Die Gründe für den personellen Aderlass der Verwaltung liegen mutmaßlich an einem gestörten beruflichen Miteinander zwischen Bürgermeister Gernot Kaser, seit Mai 2022 im Amt, und einigen Führungskräften. Bereits im Frühjahr hatten sich die drei Fachbereichsleiter Sinz, Jörg Amelung (Innerer Service) und Ralf Waßmann (Bürgerservice) in einem Brief an die Politik gewandt, in dem auf „gravierende Probleme“ in der Zusammenarbeit mit dem Verwaltungschef hingewiesen wurde.
Das Schreiben aus dem Februar liegt dem Abendblatt vor. Darin heißt es etwa: „Der Bürgermeister befindet sich – ob gewollt oder nicht – gegenüber seinen Fachbereichsleitungen auf Konfrontationskurs. So ist zum Beispiel das Arbeits- und Vertrauensverhältnis zwischen Herrn Kaser und Frau Sinz seit Monaten zerrüttet.“ Zu dienstlichen Terminen, die ihren Fachbereich beträfen, werde sie häufig nicht einmal mehr eingeladen. Schon in dem Schreiben hieß es, es werde über einen Auflösungsvertrag verhandelt.
Wedel: Mangelhafte interne Kommunikation wird angeprangert
Auch Probleme zwischen Kaser und Amelung werden beschrieben: „Im Fachbereich von Herrn Amelung soll es bekanntermaßen zu organisatorischen Veränderungen kommen. Diese wurden mit ihm vorher nicht kommuniziert. Auch an der hierzu den Gremien vorgelegten Beschlussvorlage wurde er nicht beteiligt.“
Auch im Fall von Amelung komme es immer wieder vor, dass er zu Terminen seines Fachbereiches nicht eingeladen werde, heißt es in dem Schreiben. Der 65 Jahre alte Amelung wird wegen der atmosphärischen Spannungen bald in den Ruhestand gehen. „Ich habe angeboten, meinen geplanten Ruhestand am 30. April 2024 zu verschieben, um länger zu bleiben. Das war aber vom Bürgermeister nicht gewollt“, sagt er dem Abendblatt. Wegen der angesammelten Überstunden plus Resturlaub könne er dann nach insgesamt 49 Jahren im öffentlichen Dienst schon Mitte Februar 2024 die Verwaltung verlassen.
„Irritation und Unruhe in der Verwaltung“ – „Fachwissen nur sporadisch genutzt“
Im Schriftstück aus dem Februar heißt es: „Fehlendes Vertrauen des Bürgermeisters zu seinen Mitarbeitenden führt über alle Fachbereiche zu Irritationen und Unruhe in der Verwaltung. Eine fachlich-sachliche Durchdringung wichtiger Themen ist oftmals bei ihm (Kaser, Anm. d. Redaktion) nicht zu erkennen und leider nutzt er das Fachwissen seiner Mitarbeitenden nur sporadisch und ausgewählt.“ Auch die öffentlich ausgetragenen Auseinandersetzungen mit Wedel Marketing seien dem Ansehen der Stadt „nicht gerade zuträglich“ und würden auch intern kritisch gesehen.
Personalien, die die Führungsriege innerhalb der Wedeler Verwaltung betreffen, müssen in der Wedeler Ratsversammlung verhandelt werden. Dem Auflösungsvertrag von Sinz soll nach Informationen unserer Zeitung im nicht-öffentlichen Teil der Sitzung am 28. September seitens der Ratsmitglieder zugestimmt worden sein.
Auch die Politik hatte den Missmut unter Rathausmitarbeitern vernommen
Zuletzt hatte es in vorangehenden Sitzungen offizielle interfraktionelle Anfragen der Politik an die Verwaltung gegeben, wie die personelle Unruhe im Wedeler Verwaltungsapparat in den Griff zu bekommen sei. Auch Fragen zur Mitarbeiterfluktuation sollen nun in der kommenden Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses am Montag, 13. November, beantwortet werden.
Nun sind Tatsachen geschaffen worden. Auch im Büro des Bürgermeisters selbst: Aktuell ist eine Stelle für das Sekretariat ausgeschrieben. Zum Hintergrund: Die beiden langjährigen Sekretärinnen des ehemaligen Wedeler Bürgermeisters Niels Schmidt sollen innerhalb des Rathauses andere Tätigkeiten übernehmen.
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Am 27. Juli wurde eine E-Mail des Bürgermeisters mit dem Betreff „Personalveränderungen“ an alle Rathausmitarbeiter versendet – auch diese E-Mail liegt dem Abendblatt vor. Darin informiert Kaser über „Veränderungen im Rahmen einer Neuausrichtung des Büros des Bürgermeisters“.
Laut Bürgermeister werde ein starker Wandel benötigt – auch intern
Wedel benötige zwingend einen starken Wandel, um die Stadt für die Zukunft bestmöglich auszurichten, schreibt Kaser. Aufgrund einer Analyse der bisherigen Zusammenarbeit sei klar geworden, „dass auch mein Büro sich verändern muss.“ Daher werde das Stellenprofil des Sekretariats zukünftig angepasst. Zu den Aufgaben zählen künftig beispielsweise auch die Organisation von bestimmten Projekten und die Einbindung, Koordination und Steuerung von Abläufen, Auswertungen und Informationen.
Aus den Reihen der Politik gibt es Reaktionen zum Weggang von Gisela Sinz: „Wir bedauern es sehr, weil Frau Sinz eine sehr gute und hochgeschätzte Fachkraft ist“, sagt Dagmar Süß, Fraktionsvorsitzende Bündnis 90/Die Grünen. Gerade den Bereich der vielfältigen finanziellen Förderungsmöglichkeiten von öffentlichen Projekten in der Stadt habe sie enorm vorangebracht.
Mehrheit der Politik bedauert den Abschied der Bauamtschefin
Die Grünen-Fraktion habe stets gut mit ihr zusammenarbeiten können, etwa bei der Fahrrad-Parkanlage im Bahnhofsbereich. Zuletzt waren beispielsweise auch in gemeinsamen Gesprächen bei der Einweihung der Power-to-Heat-Anlage auf dem Kraftwerksgelände Möglichkeiten geprüft worden, den dortigen Fahrradweg wieder nutzen zu können. „Ich wünsche Frau Sinz wirklich alles Gute, und es tut mir sehr, sehr leid, dass wir nicht weiter zusammenarbeiten können“, meint auch die stellvertretende Grünen-Fraktionsvorsitzende Petra Kärgel.
Stadtpräsident Julian Fresch (CDU) bedauert den Abgang der Bauamtsleiterin ebenfalls: „In den letzten sechs Jahren haben Frau Sinz und ihr Team hochkompetent, immer engagiert und tatkräftig viele Herausforderungen in unserer und für unsere Stadt gemeistert.“ Als Beispiele nennt er: „Moderne Schulan- und -umbauten, Verkehrslösungen für alle, die Unterbringung von Geflüchteten – um nur einige dieser Herausforderungen zu nennen. Für ihren Einsatz und ihre Leidenschaft dabei möchte ich mich im Namen der Ratsversammlung ganz ausdrücklich bei Frau Sinz bedanken.“
FDP über den beruflichen Verlust: „Sie hinterlässt zweifellos eine große Lücke“
Die Wertschätzung, Dankbarkeit für die Leistung, verbunden mit den besten Wünschen für die Zukunft wird ihr auch aus der FDP-Fraktion entgegengebracht – und allen anderen politischen Fraktionen im Rat. „Die FDP Fraktion bedauert die Entscheidung von Frau Sinz sehr, denn sie hinterlässt zweifellos eine große Lücke im Bauamt“, sagt die Vorsitzende Nina Schilling. Inter ihrer Leitung hätten ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den vergangenen Jahren zahlreiche Projekte erfolgreich umgesetzt, so Schilling.
„Mit ihrem Weggang fehlt der Stadt umfangreiche Fachkompetenz über die baulichen Besonderheiten der Stadt Wedel, insbesondere, da die Verwaltung in diesem Bereich personell eh schon dünn aufgestellt ist“, merkt die Wedelerin an.
Drewes: „Ich kann gut verstehen, dass sie in einem so schlechten Arbeitsklima nicht weitermachen wollte“
„Ich kann gut verstehen, dass sie in einem so schlechten Arbeitsklima nicht weitermachen wollte. Ich hoffe, dass sie jetzt zur Ruhe kommen kann und ein neues, interessantes Tätigkeitsfeld findet“, sagt Angela Drewes, Vorsitzende der Wählergemeinschaft Wedeler Soziale Initiative (WSI).
Wolfgang Rüdiger, Ratsherr der SPD-Fraktion, ist über das berufliche Ende ebenfalls nicht erfreut: „Wir hatten in den Ausschüssen viele Anfragen und Anträge eingebracht, die nicht immer bei ihr ein Wohlgefallen ausgelöst haben. Frau Sinz war durchsetzungsfähig und trotzdem kooperativ.. Wir haben immer gut zusammengearbeitet, ihr Weggang hat mich überrascht.“
Frust im Wedeler Rathaus: Bauamtschefin hört auf – Politiker schätzen fachliche Kompetenz
Bastian Sue, stellvertretender Ortsvorsitzender von Die Linke, sagt: „In der Vergangenheit hatten wir einige Differenzen mit Frau Sinz, da wir Informationen manchmal nur sehr widerwillig erhalten haben.“ Etwa beim Projekt der Wertgrund-Immobilien, „als die Stadtverwaltung vergessen hatte, eine vom Investor versprochene Kita auch vertraglich festzulegen“ oder „eine über ein Dreivierteljahr laufende Anfrage zur Bertragslage des Beachclubs“, doch insgesamt gesehen war auch diese Partei zufrieden: „Ihr Ausscheiden verschärft die Personalsituation im Rathaus weiter. Trotz mancher inhaltlichen Meinungsverschiedenheiten haben wir ihr Fachwissen immer geschätzt und wünschen für die Zukunft alles Gute.“
Olaf Wuttke, langjähriger Wedeler Ratsherr, beendete seine politische Laufbahn zur diesjährigen Kommunalwahl und kennt Sinz seit vielen Jahren. Er wählt drastische Worte: „Es ist ein großer fachlicher Verlust für die Wedeler Stadtentwicklung. Wenn es so weiter geht und der Bürgermeister möglicherweise das Amt selbst als Leitender übernimmt, liegt die Stadt bald in Schutt und Asche.“