Schenefeld/Quickborn. 2019 löste sich die Sonderkommission auf. Jetzt befasst sich eine neue Ermittlungsgruppe mit dem Fall. Das sind die Gründe.
Mehr als sechs Jahre nach dem Mord an dem Nachwuchsboxer Tunahan Keser (22) aus Schenefeld gibt es offenbar vielversprechende Hinweise auf die Hintermänner der Tat. Die Mordkommission hat eine neue Ermittlungsgruppe gebildet, die sich wieder mit dem Fall befasst.
Bis 2019 hatte die extra dafür gebildete Soko Holmmoor den gewaltsamen Tod des jungen Schenefelders untersucht, dessen Leiche am 21. Juli 2017 in einem Waldstück nahe der A7-Raststätte Holmmoor in Quickborn gefunden worden war. Im März 2018 hatte es der Fall in die ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY ungelöst“ geschafft.
Toter Boxer: Fall Tunahan Keser war im Februar 2018 in der ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY“ zu sehen
Dann löste die Polizei die Ermittlungsgruppe auf, weil der Mörder feststand. Es handelte sich um den Quickborner Frank Lindner, der als Auftragskiller tätig gewesen sein soll und sich im Januar 2018 in der Justizvollzugsanstalt Itzehoe umbrachte.
Unklar blieb bis heute, wer Lindner den Mordauftrag gab. Die Ermittlungen dazu liefen mit reduziertem Personalaufwand weiter. Offenbar sind die Ermittler seit Kurzem in diesem Punkt schlauer. „Richtig ist, dass erneut eine Ermittlungsgruppe eingerichtet worden ist“, bestätigt Oberstaatsanwalt Peter Müller-Rakow, Sprecher der Staatsanwaltschaft Itzehoe.
Mordfall Tunahan Keser: Staatsanwaltschaft bestätigt Bildung neuer Ermittlungsgruppe
Darüber hinausgehende Informationen will die Staatsanwaltschaft nicht preisgeben. Nach Abendblatt-Informationen bedeutet ein derartiger Schritt schon, dass neue Erkenntnisse vorliegen müssen. Mit einem schnellen Ermittlungserfolg ist aber offenbar nicht zu rechnen.
Der Mordfall an Tunahan Keser hat eine Vorgeschichte. Einige Stunden vor dem Verschwinden des Boxers schoss ein Unbekannter von hinten auf Khoren G., den Trainer des jungen Mannes. Tatort war am 23. Juni 2017 die Straße Möllers Park in Wedel, wo der 37-Jährige damals wohnte. Der Schuss traf ihn in der Kniekehle.
Wenige Stunden später wurde der Nachwuchsboxer das letzte Mal gesehen. Tunahan Keser verließ um 17.15 Uhr seine Arbeitsstelle an der Kollaustraße in Hamburg-Lokstedt.
Tunahan Keser wurde am Tag seines Verschwindens in Quickborn erschossen
Später konnten Spezialisten der Polizei die Autofahrt des 22-Jährigen mit seinem Maserati rekonstruieren. Tunahan Keser fuhr demnach um 17.32 Uhr in Quickborn von der Autobahn ab und parkte den Wagen in einem Waldstück nahe der Raststätte Holmmoor.
Wen er dort treffen wollte? Unklar. Kurz darauf geschah der Mord. Am Tag seines Verschwindens wurde Tunahan Keser an dieser Stelle erschossen. Das Haus, in dem Lindner zu der Zeit lebte, befindet sich nur einige Hundert Meter vom Tatort entfernt.
Mordfall Tunahan Keser: Maserati des Opfers wurde nach Hamburg zurückgebracht
Der Maserati wurde nach der Tat zurückgefahren und um 18.04 Uhr in Hamburg geparkt – 120 Meter entfernt von der Arbeitsstelle des jungen Mannes. Wer bei der Rückfahrt am Steuer saß, konnte die Polizei nicht ermitteln.
Im Laufe der Ermittlungen hat die Soko Holmmoor 5000 Personen identifiziert, die in dem Fall eine Rolle gespielt haben könnten –als Zeugen, als Hinweisgeber, als Komplizen, als mögliche Täter. Einer davon soll Lindner gewesen sein. Der saß zum Zeitpunkt, als er ins Visier der Ermittler geriet, bereits in Untersuchungshaft.
Ein Spezialeinsatzkommando der Polizei hatte den 58-Jährigen Lindner am 4. Januar 2018 an seinem Wohnort Quickborn festgenommen – wegen des Verdachts des Mordes. Am 23. November 2017 soll der Quickborner eine 76 Jahre alte Seniorin in ihrem Haus in Appen überfallen haben.
Dabei soll Lindner so massiv auf die vermögende Frau eingeprügelt haben, dass sie drei Wochen später verstarb. Am Tatort war die Polizei auf die DNA des Quickborners gestoßen, der bereits mehrfach vorbestraft war – etwa wegen versuchten Mordes.
Bevor sich Auftragsmörder Frank Lindner das Leben nahm, legte er ein Geständnis ab
Bevor Lindner Ende Januar 2018 seinem Leben in der Zelle ein Ende setzte, gestand er den Überfall auf die Seniorin. Und er vertraute einem Zellennachbarn an, auf seinem gemieteten Grundstück am Harksheider Weg in Quickborn diverse Waffenverstecke angelegt zu haben.
Es folgte eine spektakuläre Durchsuchungsaktion der Polizei. Tagelang durchsuchten Beamte das Grundstück des Mannes am Harksheider Weg in Quickborn. Mit Hilfe eines Baggers sowie mit Schaufeln hoben die Beamten riesige Löcher aus.
Im Mordfall Tunahan Keser durchsuchten die Ermittler tagelang das Grundstück des Auftragsmörders
Schnell machten Gerüchte die Runde, dass auf dem Areal nach mehreren Leichen gesucht wird. Tatsächlich suchten die Ermittler nach Waffen und nach Munition. Dafür machten sie auch Kleinholz aus dem alten Bungalow, in dem Lindner lebte.
Die Wände des Gebäudes wurden aufgestemmt, der hölzerne Wintergarten eingerissen. Das Betonfundament der Terrasse, das der 58-Jährige erst kurz vor seinem Tod geschüttet hatte, wurde per Bagger und Meißel zerkleinert, um darunter liegende Hohlräume inspizieren zu können.
Die Suche war erfolgreich. Offenbar wurde Munition entdeckt, die zum Mordfall Tunahan Keser passt. Angeblich soll Lindner auch diesen Mord den Ermittlern gestanden und behauptet haben, dafür mit einem Kilogramm Kokain bezahlt worden zu sein. Den Namen seines Auftraggebers gab er demnach nicht preis.
Lindner könnte für weitere ungeklärte Taten die Verantwortung tragen
Ob die Beamten jetzt schlauer sind, ob die Hintermänner irgendwann überführt werden und eventuell vor Gericht landen, werden die weiteren Ermittlungen zeigen. Lindner könnte indes auch für zwei Mordanschläge auf Motorradrocker in Hamburg verantwortlich sein.
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Am 11. April 2013 wurde ein Mitglied der Hells Angel an der Rennbahnstraße in Hamburg-Horn mit drei Schüssen niedergestreckt. Das Bild einer Überwachungskamera zeigte einen vermummten Mann, der davonläuft und wenig später in einem Kombi mit Pinneberger Kennzeichen flüchtete. Einen ähnlichen Wagentyp fuhr der Quickborner.
Im Oktober 2015 detonierte im Hinterhof eines Hauses an der Hoheluftchaussee eine Handgranate. Ziel war der Lamborghini von Erkan U., damals Chef der Mongols-Bande. Der Sprengsatz detonierte unter dem Auto. Dieses wurde stark beschädigt, Erkan U. überlebte unverletzt.
Mordfall Tunahan Keser aus Schenefeld: Der Mörder war mehrfach vorbestraft
Bereits Anfang 2015 wurde auf das Bauernhaus in Seevetal geschossen, das der Mongols-Chef damals bewohnte. Auch diese Taten könnten auf das Konto des Berufsverbrechers gehen, der 2003 in Berlin nach einem missglückten Einbruch wegen versuchten Totschlags zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt worden war und nach seiner Entlassung 2012 nach Quickborn zog. Was bisher fehlt, sind die Beweise.