Appen/Itzehoe. Ali Y. beging mit dem mittlerweile toten Mörder Frank Lindner einen Einbruch in Appen. Eine 76-Jährige starb an den Folgen.
Ali Y. hat den Norden verlassen, ist weggezogen. „Im Leben meines Mandanten hat sich einiges verändert, er will die Sache abschließen“, sagt sein Verteidiger Alkan Dogan – und hält am Montag für die Kleine Strafkammer am Landgericht Itzehoe zu Prozessbeginn eine Überraschung parat. „Wir ziehen die Berufung zurück“, sagt der Anwalt, sein Mandant bestätigt das mit einem Nicken.
Ali Y. ist damit rechtskräftig zu 15 Monaten auf Bewährung verurteilt – und erwiesenermaßen ein Komplize des Quickborner Serienkillers Frank Lindner.
Kehrtwende im Prozess
Die Kehrtwendung des Angeklagten, dem gemeinschaftlicher Einbruch vorgeworfen wurde – sie überrascht. Denn in der ersten Instanz vor einigen Monaten hatte Ali Y. vor dem Amtsgericht Pinneberg über seinen Anwalt alle Vorwürfe abgestritten. Im Kern geht es um einen Einbruch am 23. November 2017 in Appen, den Lindner ausführte und der völlig aus dem Ruder lief.
Ali Y. soll laut Anklage mit dem Quickborner durch die Gemeinde gefahren sein und ihn auf das abgelegene und ziemlich heruntergekommene Einfamilienhaus am Rollbarg hingewiesen haben, weil dort niemand zu Hause sei, es aber etwas zu holen gebe. Die Beute sollte geteilt werden. Der Angeklagte soll dann gegen 20 Uhr im Auto gewartet haben, während Lindner eine Scheibe einschlug und in das Gebäude einstieg.
Im Innern traf er jedoch unerwartet auf die 76 Jahre alte Bewohnerin. Lindner forderte Geld, was die Seniorin verweigerte. Daraufhin prügelte der Täter mehrfach mit einem etwa 50 Zentimeter langen Metallrohr auf den Kopf der alten Frau ein, ehe er ohne Beute flüchtete.
Der Seniorin gelang es trotz ihrer Verletzungen, auf die Straße zu laufen und eine Passantin auf ihre Notlage aufmerksam zu machen. Die Appenerin konnte den Polizisten vor Ort noch von dem Vorfall berichten und auch eine Personenbeschreibung abgeben, ehe sie in eine Hamburger Klinik kam. Dort stabilisierte sich ihr Zustand zunächst. Dann traten jedoch infolge der erlittenen schweren Kopfverletzungen Komplikationen auf, sodass die alte Dame am 22. Dezember in dem Krankenhaus starb.
Seniorin konnte noch eine Täterbeschreibung liefern
Aufgrund der Angaben des Opfers und einer Zeugin, die Lindner flüchten sah, erstellte die Polizei ein Phantombild. DNA-Spuren am Tatort führten dann zu dem 58-Jährigen, der Anfang Januar 2018 in Quickborn wegen Mordes verhaftet wurde. Im Gefängnis in Itzehoe legte Lindner eine Art Lebensbeichte ab, ehe er sich Ende Januar in der Zelle das Leben nahm.
Das Geständnis führte die Kripo auf die Spur von Ali Y., dem mutmaßlichen Anstifter zum Einbruch von Appen.
Diese Art Lebensbeichte Lindners war auch im ersten Verfahren vor dem Amtsgericht Pinneberg letztlich entscheidend für die Verurteilung des Komplizen. Als weiteres Indiz sahen die Richter die Auswertung der Handydaten des Angeklagten. Eine Funkzellenauswertung hatte ergeben, dass sich das Handy zum Zeitpunkt des Einbruchs in einen Mobilfunkmast eingeloggt hatte, der sich im Bereich des Tatorts befindet.
Zudem hatte Ali Y. das Gerät kurz vor der Beschlagnahme durch die Ermittler auf Werkseinstellungen zurückgesetzt, offenbar um verräterische Spuren zu verwischen. Rekonstruktionen ergaben jedoch, dass Lindner auch nach dem schiefgelaufenen Einbruch mehrfach Kontakt zu dem Angeklagten hatte, sodass die Richter davon ausgingen, dass der in der Türkei Geborene den Quickborner bei dieser Tat gesteuert hatte.
Im ersten Verfahren vor dem Amtsgericht Pinneberg sagte auch Cemil K. als Zeuge aus, der am Montag ebenfalls auf der Zeugenliste des eigentlich auf vier Tage anberaumten Berufungsverfahrens stand. Cemil K. ist der Vater des Nachwuchsboxers Tunahan K., der in Schenefeld lebte und im Juni 2017 im Alter von nur 22 Jahren verstarb. Er wurde erschossen, seine Leiche am 21. Juli 2017 in der Nähe des Rastplatzes Holmmoor an der A 7 von einem polnischen Lkw-Fahrer entdeckt.
Spektakuläre Suchaktion auf Lindners Grundstück
Als Mörder konnte Lindner ermittelt werden, der nur 150 Meter vom Leichenfundort entfernt lebte. Die letztlich entscheidenden Beweise fanden die Beamten nach dem Tod des 58-Jährigen auf seinem Grundstück am Harksheider Weg, das im Frühjahr 2018 in mehreren spektakulären Aktionen von einem Großaufgebot der Polizei regelrecht auf den Kopf gestellt wurde.
Die Beamten rissen mithilfe von schwerem Gerät Teile des Holzhauses ab, in dem Lindner zur Miete gewohnt hatte. Große Teile des 5000 Quadratmeter großen Grundstücks wurden umgegraben, das vom 58-Jährigen errichtete Betonfundament der Terrasse stemmten die Einsatzkräfte per Meißel auf, um darunter nach versteckten Beweisen zu suchen. Die Existenz dieser Verstecke hatte der Mörder vor seinem Tod angeblich einem Mithäftling verraten.
Die Ermittler sollen dabei zumindest Munition gefunden haben, die zum Todesfall Tunahan K. passte. Lindner sollte, so der Verdacht, als Serienkiller tätig gewesen sein. Auch mehrere Mordanschläge auf Mitglieder zweier verfeindeter Motorradgangs in Hamburg könnten auf das Konto des Quickborners gehen. Bewiesen werden konnte das bis heute nicht. Auch ist nach wie vor unklar, wer den 58-Jährigen zum Mord an dem Nachwuchsboxer angestiftet hat.
Ali Y., der Montag die Bewährungsstrafe für die Mittäterschaft beim Einbruch in Appen akzeptierte, hat damit ganz offenbar nichts zu tun. Er ist aber nun rechtskräftig dafür verurteilt, dass durch seinen Auftrag zum Einbruch eine alte Frau zu Tode kam.