Pinneberg. Auch der Landesrabbiner verurteilt Angriff der islamistischen Hamas: „Wir haben viele Mitglieder mit Verwandten in Israel.“
Jerusalem und Pinneberg trennen mehr als 3.000 Kilometer Luftlinie. Der Angriff der im Gaza-Streifen herrschenden, radikalislamistischen Hamas auf Israel am 7. Oktober sorgt jedoch in jüdischen Gemeinden auf der ganzen Welt für Erschütterung, so auch in Schleswig-Holstein, etwa in Pinneberg und Elmshorn
Nach Angriff auf Israel: Polizeischutz für Juden in Schleswig-Holstein
„Wir sind über den Krieg in Israel sehr erschüttert, haben aber in den letzten Stunden viele Solidaritätsmails von der Elmshorner Bevölkerung bekommen“, berichtet Alisa Fuhlbrügge, Vorständin der Jüdischen Gemeinde Elmshorn. Seit dem Großangriff der Hamas am Sonnabend stehe sie unter anderem mit der Elmshorner Innenstadtpolizei in engem Kontakt.
Nichts Neues für Fuhlbrügge: „Sowieso habe ich diese Besprechungen regelmäßig. Auch machen die Polizisten regelmäßige Gänge in und vor unserer Synagoge sowie in und vor dem alten jüdischen Friedhof“, sagt sie. Mit einer latenten Bedrohung durch Antisemiten leben die Gemeinden schon seit Langem.
Landesrabbiner über Antisemitismus: „Es gibt eine Bedrohungslage“
„Allgemein lässt sich sagen: Es gibt eine Bedrohungslage“, sagt Isak Aasvestad, Landesrabbiner in Schleswig-Holstein. Schon vor Eskalation des Kriegs in Israel standen jüdische Gemeinden in Deutschland daher unter Schutz.
„Zum Beispiel der Anschlag in Halle zeigte wieder, dass wir in unseren Synagogen und anderen jüdischen Einrichtungen besondere Sicherheitsmaßnahmen beachten müssen“, so Aasvestad mit Verweis auf den versuchten Massenmord an Juden eines Rechtsextremen in Halle (Saale) im Jahr 2019.
Rabbiner Aasvestad, der aus Oslo stammt und an der Conservative Yeshiva in Jerusalem studierte, steht seit dem Angriff der Hamas am vergangenen Wochenende ebenfalls „in engem Kontakt mit der Polizei und den Sicherheitsbehörden“, versichert er. Konkretere Auskünfte zum besonderen Schutz jüdischer Einrichtungen im Kreis und Land könne er zum jetzigen Zeitpunkt aber aus Sicherheitsgründen nicht geben.
Ministerpräsident Günther: „Antisemitismus hat in unserem Land keinen Platz“
Ernst nehmen die Lage auch Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) und Landtagspräsidentin Kristina Herbst. In einer gemeinsamen Mitteilung verkünden sie, im Austausch mit den jüdischen Gemeinden im Land zu stehen und teilen mit: „Unsere Polizei ist wachsamer denn je, um die Menschen jüdischen Glaubens in Schleswig-Holstein zu schützen. Antisemitismus hat in unserem Land keinen Platz.“
In Schleswig-Holstein gibt es zwei jüdische Landesverbände, einen orthodoxen sowie einen liberalen. Letzterem gehört auch Rabbiner Aasvestad an. Synagogen befinden sich unter anderem in Pinneberg, Elmshorn, Lübeck, Bad Segeberg und Kiel, weitere religiöse Einrichtungen stehen in Flensburg und Ahrensburg. In Rendsburg gibt es zudem ein jüdisches Museum.
Wie das Statistikamt Nord informiert, leben in Schleswig-Holstein 195 Menschen mit israelischer Staatsbürgerschaft, 20 davon im Kreis Pinneberg (Stand 31. Dezember 2022).
Viele Juden leiden jetzt unter gleich zwei Kriegslagen
Die jüngsten Ereignisse im Nahen Osten treffen die Gläubigen ins Mark. „Wir haben viele Gemeindemitglieder mit Freunden und Verwandten in Israel“, berichtet Rabbiner Aasvestad. „Diese sind selbstverständlich sehr besorgt. Auch Fuhlbrügge sei derzeit damit beschäftigt, Gemeindeglieder aus Elmshorn, die Kinder oder andere Familienangehörige in Israel haben, telefonisch zu kontaktieren und sich nach ihnen zu erkundigen.
„Mitglieder, die Verwandte sowohl in Israel als auch in der Ukraine haben, sind jetzt persönlich von gleich zwei Kriegen betroffen“, betont Aasvestad. Denn viele Juden in Deutschland stammen aus der Ukraine. Das liegt auch, aber nicht allein am russischen Angriffskrieg. Seit 1990 ermöglicht Deutschland jüdische Zuwanderung aus der ehemaligen Sowjetunion. Im Zuge dessen sind schon mehr als 220.000 Menschen nach Deutschland gekommen.
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Hamas-Angriff an Feiertag: „Eigentlich sollte es eine fröhliche Feier sein.“
Dass die Terrororganisation Hamas Israel ausgerechnet am 7. Oktober mit tausenden Raketen beschoss und gleichzeitig bewaffnete Palästinenser vordrangen, weckt bei vielen Menschen düstere Erinnerungen. Am 6. Oktober 1973, nahezu exakt vor 50 Jahren, griffen Ägypten, Syrien und einige weitere arabische Staaten Israel an. Damals wie heute fiel der Überraschungsangriff auf einen Feiertag.
1973 eskalierte der Nahostkonflikt an Jom Kippur, was die Auseinandersetzung als „Jom-Kippur-Krieg“ in die Geschichtsbücher eingehen ließ. Diesmal griff die Hamas zum Abschluss einer langen Reihe jüdischer Feiertage an, die mit dem jüdischen Neujahrsfest Rosch ha-Schana beginnt und sich über den Versöhnungstag Jom Kippur bis zum achttägigen Laubhüttenfest Sukkot zieht.
„Der Feiertag, der gerade stattfand, als der Krieg ausbrach, heißt ,Schmini Azeret‘“, so der Rabbiner. „Es ist das Abschlussfest des Laubhüttenfests Sukkot, das dann mit dem Freudenfest der Tora verbunden wird – eigentlich sollte es eine fröhliche Feier sein.“ Die Feierlichkeiten der Juden wurden durch den plötzlichen Angriff der Hamas je zerschlagen. Dahinter vermuten Experten Kalkül, seien die Juden während der Feierlichkeiten womöglich weniger wachsam gewesen.
Schleswig-Holsteins Rabbiner verurteilt islamistischen Angriff auf Israel
Aasvestad sei äußerst besorgt ob der Lage in Israel, sagt er: „Egal, was man über den Konflikt zwischen den Israelis und den Palästinensern denkt, muss man in der Lage sein, die jüngsten Ereignisse als Terrorangriff zu verurteilen.“
Im umstrittenen Nahost-Konflikt verübe die Hamas nun einen „Terroranschlag, eine Abschlachtung von Zivilisten. Frauen und Kinder werden verschleppt und in Gefangenschaft gehalten. Das muss man ohne Wenn und Aber verurteilen können“, so der Rabbiner.