Pinneberg. Pinneberger vermutet bei personalisiertem Anschreiben grobe Schlamperei im Rathaus. Was der Datenschutz erlaubt – und was nicht.
Das regt Rainer Herrmann aus Pinneberg auf: In seinem Briefkasten lag Wahlwerbung. „Das Anschreiben war mit kompletter Adresse und vollem Namen“, sagt Herrmann. Sogar sein zweiter Vorname sei ausgeschrieben gewesen. Den gebe er eigentlich nirgendwo an. „An solche Daten kommen doch nur Insider“, vermutet er.
Da passt es anscheinend ins Bild, dass die Werbung ausgerechnet vom Bürgermeisterkandidaten Marco Bröcker kommt. Der gemeinsame Kandidat von CDU und Grünen arbeitet schließlich als Leiter des Büros der Bürgermeisterin im Rathaus. Bröcker wirbt in dem Schreiben darum, dass die Pinneberger am 8. Oktober ihm ihre Stimme geben. Ob das alles mit dem Datenschutz vereinbar ist, bezweifelt Rainer Herrmann. „Herr Bröcker arbeitet im Rathaus, da hat er doch Zugriff auf Daten“, so seine Vermutung.
Bürgermeisterwahl Pinneberg: Parteien dürfen Adressen einsehen
„Herr Bröcker hat natürlich keinen Zugriff auf die Daten im Einwohnermeldeamt“, beruhigt Bürgervorsteherin und CDU Ortsvorsitzende Natalina di Racca-Boenigk. Es gehe alles mit rechten Dingen zu. „Die Richtlinien sind sehr streng.“ Allerdings erlaube das Bundesmeldegesetz mit Artikel 50 Parteien oder Wählergruppen bei Wahlen Zugriff auf die persönlichen Daten.
Darin heißt es im Wortlaut: „Die Meldebehörde darf Parteien, Wählergruppen und anderen Trägern von Wahlvorschlägen im Zusammenhang mit Wahlen und Abstimmungen auf staatlicher und kommunaler Ebene in den sechs der Wahl oder Abstimmung vorangehenden Monaten Auskunft aus dem Melderegister (...) von Wahlberechtigten erteilen (...). Die Person oder Stelle, der die Daten übermittelt werden, darf diese nur für die Werbung bei einer Wahl oder Abstimmung verwenden und hat sie spätestens einen Monat nach der Wahl oder Abstimmung zu löschen oder zu vernichten.“
Bürgermeisterwahl Pinneberg: CDU und Grüne haben Adressen gekauft
Von diesem Passus haben CDU und Grüne Gebrauch gemacht. „Wir haben die Adressen gekauft“, sagt di Racca-Boenigk. Ein gängiges Verfahren, auf das auch bei der letzten Kommunalwahl im Mai zurückgegriffen wurde. Abgerechnet wird nach einer Gebührensatzung. Die Adressen zu sammeln wiederum würde gegen den Datenschutz verstoßen. Sie dürfen nur einmal verwendet werden und müssen anschließend vernichtet werden, sonst drohen empfindliche Strafen.
„Wie sollen wir alle Bürger informieren, wenn wir keine Wahlzettel verschicken dürfen?“, fragt die Politikerin. „Wie sollen sich die Kandidaten bekannt machen?“ Das Anschreiben sei auch ein Service, denn es informiere darüber, in welchem Wahlbüro die Stimme abgegeben werden kann.
Datenschutz bei Wahlen ist sehr weitreichend
Wie weit der Datenschutz geht, zeigt ein Beispiel: „Wir dürfen bei der Rekrutierung von Wahlhelfern nicht mal fragen, welche städtischen Mitarbeiter in Pinneberg wohnen“, sagt di Racca-Boenigk. Zum Hintergrund: Für die Bürgermeisterwahl am 8. Oktober fehlen immer noch Wahlhelfer. Auch für den 29. Oktober, der Tag ist für eine mögliche Stichwahl festgelegt, fehlen noch Helfer.
„Wir Politiker wurden schon verpflichtet“, sagt di Racca Boenigk. Sie selbst hätte mit 63 Jahren ablehnen dürfen, hat stattdessen aber ihr Amt im Gemeindewahlausschuss niedergelegt, um die Voraussetzung zu schaffen, als Wahlhelfer eingesetzt werden zu können.
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„Wir haben 18 Wahlkreise und müssen zwei Schichten organisieren“, sagt sie. Mindestens vier Leute kommen auf ein pro Wahlbüro. Macht unterm Strich mindestens 144 Wahlhelfer. Dann braucht es noch einen Reservepool, falls jemand kurzfristig ausfällt. Die Stadt Pinneberg wirbt auf Sozialen Kanälen, auf ihrer Homepage und im Radio um Freiwillige.