Kreis Pinneberg. Mit Gratis-Angebot soll der Schritt Älteren im Kreis Pinneberg schmackhaft gemacht werden. So viele haben den Lappen schon abgegeben.
Senioren, die freiwillig ihren Führerschein abgeben, sollen dafür belohnt werden. Im Gespräch ist ein kostenloses Deutschland-Ticket, damit die Älteren auch ohne Auto mobil bleiben können. Diese Idee ist in abgewandelter Form schon häufiger publik geworden – etwa von Fahrlehrern, meist aus der Politik und vor allem fast immer nach Unfällen, an denen Senioren beteiligt waren. Doch im Kreis Pinneberg kommt die Forderung nun aus den Reihen der Senioren selbst.
Denn jetzt kommt der Vorschlag erneut auf den Tisch, und zwar von den Senioren in der Elmshorner SPD. Die haben nun Forderungen an die SPD-Fraktionen in Land und Bund gerichtet. Eine davon: Älteren Menschen soll der Umstieg vom Auto auf den ÖPNV erleichtert werden.
Kreis Pinneberg: Senioren sollen Führerschein gegen ÖPNV-Ticket tauschen
Dafür sollen Senioren, die freiwillig ihren Führerschein abgeben, mit einem kostenlosen Deutschland-Ticket für ein Jahr belohnt werden. „Das erleichtert den Umstieg auf eine sichere Mobilität und ist ein konkreter Anreiz“, sagt Klaus Dieter Karwarth, Vorsitzender der SPD-Senioren.
Für die Zeit nach diesem einen Jahr schwebt den Sozialdemokraten eine vergünstigte Version des Deutschland-Tickets für Menschen ab 70 Jahren vor. So soll eine bezahlbare Form der individuellen Mobilität im Alter ermöglicht werden.
Führerschein gegen ÖPNV-Ticket: Idee ist nicht neu
Neu ist dieser Vorstoß, den Führerschein gegen ein ÖPNV-Ticket zu tauschen nicht. Die Hamburger CDU machte zuletzt im April 2022 einen ähnlichen Vorschlag, vor allem mit Blick auf schwere Unfälle an der Hamburger Waitzstraße. Die Union erneuerte damit Forderungen aus den Jahren 2016 und 2018.
Auch in anderen Landkreisen im Hamburger Umland kam das Thema schon auf die Tagesordnung. Etwa im Kreis Stormarn. In Ahrensburg griff ebenfalls die CDU das Thema auf, forderte eine Belohnung in Form eines kostenlosen Jahrestickets für den ÖPNV, sollten ältere Menschen freiwillig ihren Führerschein abgeben.
Senioren sind immer häufiger in schwere Unfälle verwickelt
Denn es gibt immer wieder Diskussionen um die Fahrtauglichkeit von älteren Menschen. Auch weil Senioren immer wieder in schwere Unfälle verwickelt sind. 2019 sagte Polizeidirektor Jan Lewering: „Bei fast jedem tödlichen Unfall auf den Straßen im Kreis Pinneberg war ein Senior beteiligt.“
In der Unfallstatistik des Kreises Pinneberg für das Jahr 2022 tauchen Senioren explizit auf. Demnach waren sie deutlich häufiger an Unfällen beteiligt als ein Jahr zuvor. 482 Unfälle an denen Personen beteiligt waren, die über 65 Jahre alt sind wurden dort verzeichnet. In 300 Fällen waren die Senioren demnach Unfallverursacher.
Kreis Pinneberg: 2012 sorgte ein schwerer Unfall für Diskussionen
Im Kreis Pinneberg kam das Thema Fahren im Alter schon 2012 auf, aus einem traurigen Anlass. Ein 76-Jähriger hatte in Halstenbek beim Abbiegen zunächst einen Fußgänger übersehen und anschließend eine Fahrradfahrerin überfahren, weil er Bremse und Gas verwechselte. Die Frau kam dabei ums Leben.
Schon damals gab es die Forderung nach einer regelmäßigen Überprüfung der Fahrtauglichkeit von älteren Menschen. Eine Diskussion, die auch die EU-Kommission erreicht hat. Die plant eine umfassende Reform, die auch – aber nicht nur – die Fahrtüchtigkeit von älteren Verkehrsteilnehmern betrifft.
Führerschein: EU-Kommission plant regelmäßig Überprüfungen
Demnach sollen Menschen ab 70 Jahren alle fünf Jahre ihren Führerschein erneuern müssen. Diese Erneuerung soll an spezifische Maßnahmen zur Feststellung der Fahrtüchtigkeit gekoppelt sein. Diese liegen jedoch im Ermessen des EU-Mitgliedsstaates, so die Pläne der EU-Kommission.
Außerdem wird vorgeschlagen, dass Autofahrerinnen und Autofahrer beim Erwerb des Führerscheins und auch bei der Erneuerung eine Selbsteinschätzungen ausfüllen – oder eine ärztliche Untersuchung durchführen müssen. Bisher sind das allerdings alles nur Vorschläge.
Führerscheine sind in Deutschland ein Leben lang gültig
Stand jetzt gelten Führerscheine in Deutschland ein Leben lang, die Fahrerlaubnis für Autos und Motorräder hat kein Verfallsdatum. Eine Ausnahme sind Berufskraftfahrer. Senioren müssen ihren Führerschein laut Gesetzeslage also nicht ab einem gewissen Alter abgeben und auch nicht regelmäßig ihre Fahrtauglichkeit nachweisen.
Auch wenn Senioren nicht zwangsläufig schlechter Auto fahren als beispielsweise besonders junge Verkehrsteilnehmer, so lassen im Alter etwa Reaktionsgeschwindigkeit und Sehvermögen nach. Der Kreisseniorenbeirat Pinneberg hat deshalb schon 2019 eine Schulung für ältere Autofahrer initiiert.
Seniorenbeirat initiiert Schulungen für Ältere – ohne Unterstützung durch den Kreis
Das Angebot sei gut angenommen worden, sagt Dieter Wenskat, Vorsitzender des Kreisseniorenbeirats. Allerdings: „Das Projekt wurde vom Kreis Pinneberg nicht bezuschusst, obwohl wir einen entsprechenden Antrag gestellt haben.“
Die Partnerfahrschule biete solche Schulungen nach wie vor an, allerdings werde das Angebot wenig genutzt. Wenskat ist sich sicher: „Mit einem Zuschuss durch den Kreis hätten bestimmt mehr Senioren dieses Angebot angenommen.“
Kreisseniorenbeirat fordert fünf Jahre kostenlosen ÖPNV – und ein besseres Netz
Zum Thema Führerscheintausch hat der Kreisseniorenbeirat selbst schon einen Antrag verfasst. „Ein Jahr kostenlos mit dem ÖPNV fahren, das reicht uns nicht. Wir fordern mindestens einen Zeitraum von fünf Jahren“, sagt Wenskat.
Außerdem müsse das Nahverkehrsnetz ausgebaut werden. „Beim jetzigen Zustand ist der ländliche Bereich abgehängt.“ Nur mit einem besseren Netz könne die Selbstständigkeit der Senioren gewährleistet werden, so Wenskat. Grundsätzlich habe der Kreisseniorenbeirat aber nichts gegen ein Umtausch-Modell.
Führerschein gegen ÖPNV-Ticket: In anderen Orten funktioniert das
In einigen Teilen Deutschlands gibt es solche Modelle schon. In Hannover können „Personen, die mindestens 60 Jahre alt sind und eine Altersrente bzw. eine volle Erwerbsminderungsrente beziehen oder die sich in der Freizeitphase ihrer Altersteilzeit befinden“ ein kostenloses Nahverkehrsticket bekommen, wie der Verkehrsverbund Großraum-Verkehr Hannover (GVH) mitteilt.
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In Neumünster gibt es ein ähnliches Modell, dort bekommen Menschen ab dem 70. Lebensjahr eine Jahreskarte für den Busverkehr der Stadtwerke im Tausch gegen ihren Führerschein. Etwa 50 bis 60 Menschen machen davon jährlich gebrauch. In Bad Segeberg gibt es seit 2014 eine solche Aktion.
Kreis Pinneberg: 221 gaben im letzten Jahr ihren Führerschein ab
2018 gaben 83 Personen im Kreis Pinneberg freiwillig ihren Führerschein ab, 2022 waren es nach Angaben des Kreises sogar 221 Personen. Dabei wurde allerdings nicht erfasst, ob die Menschen ihren Führerschein gänzlich aus freien Stücken oder im Rahmen eines Eignungsprüfungsverfahrens abgegeben haben.
Für viele Seniorinnen und Senioren ist das Abgeben der Fahrerlaubnis ein großer Schritt, schließlich bedeutet es die Aufgabe der individuellen Mobilität. Und zwar für immer mehr Menschen, denn dei Bevölkerung im Kreis Pinneberg wird im Durchschnitt immer Älter, der Altersdurchschnitt liegt bei 45,1 Jahren.