Kreis Pinneberg. Der Kreisseniorenbeirat initiiert Schulung für ältere Autofahrer. Info-Veranstaltung im Mai geplant, danach startet das Training in Kleingruppen.
Sie fahren seit Jahrzehnten mit dem Auto und sind dabei oft auch unfallfrei geblieben. Doch sie gehören zu den Hauptrisikogruppen auf unseren Straßen: die Senioren. „Bei fast jedem tödlichen Unfall auf den Straßen im Kreis Pinneberg war ein Senior beteiligt“, resümierte jüngst Polizeidirektor Jan Lewering vor dem Hauptausschuss des Kreistages. Bei sieben von acht tödlich Verunglückten in 2018 waren Fahrer, Pedelec-Fahrer und Fußgänger im Alter von 65 bis 85 Jahren beteiligt als Opfer und Verursacher.
Elmshorner Fahrschule konnte als Partner gewonnen werden
Der Kreisseniorenbeirat ist angesichts solcher Entwicklungen alarmiert. Die Hälfte der älteren Führerscheinbesitzer würde doch heute durch die Prüfung fallen, ist der Vorsitzender Dieter Wenskat überzeugt. „Wir werden jetzt allen Senioren, die dies möchten, ab Mai Nachschulungen in Theorie und Praxis anbieten“, sagt er. Eine Elmshorner Fahrschule hätten sie dafür bereits als Partner gefunden. „Es geht darum, dass die Menschen auch im Alter mobil sein können, sich dabei aber auch sicher fühlen müssen.“ Die Polizei werde mit eigenem Schulungspersonal das Projekt unterstützen, kündigte Lewering an.
Nadine Isberner von der Fahrschule Isidrive aus Elmshorn weiß, wie sensibel dieses Thema ist: „Natürlich mag keiner gerne Schwächen zugeben.“ Aber mit zunehmendem Alter gingen Reaktionsvermögen, Sehkraft, Motorik und Aufmerksamkeit verloren, die eine oder andere Schramme an der Stoßstange werde nicht bemerkt, erklärt Fahrlehrer Mathias Oest, der sich selbst eher als „Wegbegleiter“ begreift. Viele ältere Führerschein-Inhaber gingen mit der Idee schwanger, sich freiwillig nachschulen zu lassen, trauten sich aber nicht. Darum wolle die Elmshorner Fahrschule jetzt offensiv an diese ältere Klientel herangehen und Senioren in Kleingruppen rund ums Autofahren beraten und sie bei Fahrproben begleiten.
Der Seniorenbeirat will das aktiv unterstützen. „Wir wollen damit das Selbstwertgefühl der Senioren stärken, weil wir wissen, wie wichtig es gerade im ländlichen Raum ist, mobil zu bleiben“, sagt Wenskat, selbst 72 Jahre alter Rentner aus Sparrieshoop, der noch viel am Steuer sitzt. Gerade sei er mit dem Auto nach Königsberg gefahren. Fahrlehrer Oest hat bereits Erfahrung mit älteren Autofahrern. Eine inzwischen 75 Jahre alte Dame käme jedes Jahr in die Fahrschule und mache eine Fahrstunde bei ihm. Wenn sie dabei zu viele Fehler mache, wolle sie aufhören. Aber bislang habe sie diese persönliche Fahrprüfung jedes Mal bestanden.
Unfallstatistik
Offenbar besteht ein Bedarf bei älteren Menschen, ihr Fahrkönnen wieder auf die Probe zu stellen, erkannte das Fahrschul-Team und hat daraus ein Konzept entwickelt. Am 1. und 2. April läuft jetzt ein erstes Seminar mit neun älteren Teilnehmern und drei Fahrlehrern jeweils am Vormittag, erläutert Nadine Isberner. Am ersten Tag würden Neuerungen im Straßenverkehr, bei den Vorschriften, der technischen Entwicklung in den Fahrzeugen dargestellt. Am zweiten Tag führen jeweils drei Senioren mit einem Fahrlehrer und übten Wenden, Abbiegen, Ein- und Ausfahren im Stadtverkehr und auf Vorfahrtsstraßen.
Laut aktueller Verkehrsstatistik wird jeder dritte Verkehrsunfall bei Senioren ab 65 Jahren durch Missachten der Vorfahrt und jeder sechste durch falsches Abbiegen verursacht. Ein Platz für diese erste Doppelschulung, die 129 Euro pro Person für beide Tage koste, sei noch frei, erklärt Isberner.
2018 gaben 83 Personen freiwillig den Führerschein ab
Der Kreisseniorenbeirat will jetzt dieses Konzept kreisweit anbieten, kündigen Wenskat und sein Stellvertreter Günter Dreier an. Zunächst solle bei einer ersten öffentlichen Veranstaltung in im Gemeindesaal in der Rosenstraße 56 von Sparrieshoop das Projekt vorgestellt werden. Die Fahrschule und die Polizei sollen auch dabei sein. Ein genauer Termin wird noch bekannt gegeben. Anschließend sollten dann je nach Bedarf und Zuspruch diese Nachschulungen in kleinen Gruppen erfolgen.
2018 waren es laut Angaben des Kreissprechers Oliver Carstens 83 Personen, die mehr oder weniger freiwillig auf die Fahrerlaubnis verzichtet und ihren Führerschein abgegeben hätten. Auch wenn keine genaue Statistik über das Alter dieser Leute geführt wurde, dürfte die überwiegende Zahl auf Senioren über 65 Jahre zutreffen. Eine Gruppe, die im Kreis Pinneberg inzwischen fast eine Größenordnung von 70.000 Bürgern erreicht hat.
Polizeidirektor Lewering führte vor dem Hauptausschuss aus, dass die Aufklärung von Senioren am Steuer eines der wichtigsten Themen seiner Direktion für die Kreise Pinneberg und Segeberg sei. Zwar sei die Zahl der Unfälle, an der diese Leute im Rentenalter beteiligt waren, von 546 auf 490 im Jahr 2018 zurückgegangen. Aber 325 davon, zwei von drei, hätten sie verursacht. „Wir versuchen die Senioren darüber aufzuklären und raten ihnen auch, irgendwann aufs Autofahren zu verzichten und bitte nicht auf das Pedelec umzusteigen“. Denn deren Unfallzahl hat mit 51 verletzten Personen in 2018 im Kreis Pinneberg einen Höchststand erreicht. Zudem starb eine 85 Jahre alte Frau, die mit ihrem E-Bike im Januar 2018 in Heede verunglückte.