Pinneberg. Viele Stellen im Kreis sind unbesetzt. Wie Arbeitgeber um junge Menschen buhlen und wo sich Interessierte melden können.

In Pinneberg könnte es künftig immer schwieriger werden, einen Termin in der Zahnarztpraxis oder Autowerkstatt zu bekommen. Denn dort, aber auch im Einzelhandel und unter den Feinmechanikern mangelt es an Nachwuchskräften.

Insgesamt 703 freie Ausbildungsplätze waren im Kreis Stand Juli noch gemeldet, teilt die Agentur für Arbeit in Elmshorn mit. Mit Glück könnte sich die Zahl noch deutlich reduzieren, denn 306 gemeldete Bewerberinnen und Bewerber seien noch auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz.

Schleswig-Holstein: Tausende Ausbildungsstellen nicht besetzt

Die gute Nachricht: 1186 Stellen konnten die Pinneberger Betriebe zum Ausbildungsstart 2023 bereits besetzen. In ganz Schleswig-Holstein verzeichnen die Industrie- und Handelskammern (IHK) Flensburg, Kiel und Lübeck zum Stichtag 1. August 7238 neue Ausbildungsverträge in den Bereichen Industrie, Handel und Dienstleistungen.

Auch das sind deutlich zu wenige – Tausende Ausbildungsstellen im Land bleiben unbesetzt. Im vergangenen Jahr haben Unternehmen in Schleswig-Holstein schließlich rund 18.400 Ausbildungsstellen zur Verfügung gestellt. Ähnlich viele werden es auch für das beginnende Ausbildungsjahr 2023/34 sein, aktuelle Zahlen gibt die IHK bisher nicht an.

Handel, Logistik, Büromanagement: Wo die Azubis in Schleswig-Holstein fehlen

Besonders viele der unbesetzten Stellen fallen laut der Agentur für Arbeit in die Bereiche Handel, Verkauf und Dienstleistungen sowie Lager und Logistik. Aber auch Kaufleute im Büromanagement, im Groß- und Außenhandel und in technischen Berufen suchen die Unternehmen vehement.

Nachwuchskräfte würden im „Energieland“ Schleswig-Holstein künftig auch in technischen Berufsfeldern eine entscheidende Rolle spielen. Gut ausgebildete Elektroniker und Mechatroniker sind essenziell, um die Energiewende zu realisieren.

Allerdings: „Bei der Hansewerk-Gruppe merken wir, dass es gerade in den technischen Bereichen zunehmend schwieriger wird, geeignete Bewerber und Bewerberinnen zu finden“, sagt Stefanie Gräf, Leiterin der Ausbildung bei Hansewerk, dem Energiedienstleister mit Sitz in Quickborn. Vor diesem Hintergrund sei das Unternehmen froh darüber, nahezu alle Ausbildungsplätze besetzt zu haben. Lediglich eine von 33 ausgeschriebenen Stellen sei kurzfristig doch nicht vergeben worden.

Alternde Gesellschaft, Akademisierung und Corona als Treiber für den Azubi-Mangel

Die IHK Kiel nennt als mögliche Gründe für die zunehmend schwierige Suche nach Nachwuchskräften einerseits die alternde Gesellschaft und langjährige Akademisierung. Sie hat aber auch andere Erklärungsansätze.

„Die Ausnahmesituation während der Corona-Pandemie hat dazu geführt, dass die berufliche Orientierung an den allgemeinbildenden Schulen nicht durchgeführt werden konnte, wie es erforderlich gewesen wäre, sodass viele junge Menschen sich für eine Fortsetzung der ihnen bekannten schulischen Laufbahn entschieden haben“, sagt Sprecher Thorsten Scholz.

Arbeitgeber berichten, wie sie um junge Mitarbeiter buhlen

Schornsteinfeger, Tiefbaufacharbeiterin, Einzelhandelskaufmann – jungen Menschen stehen in Pinneberg noch alle Karrieretüren offen. Drei der vielen Hundert Stellen, die in diesem Jahr unbesetzt blieben, hatte die Sparkasse Südholstein mit Filialen in den Kreisen Pinneberg und Segeberg sowie der Stadt Neumünster ausgeschrieben.

„Insgesamt haben wir in diesem Jahr 19 Ausbildungsstellen von 22 besetzt. 17 Ausbildungen zum Bankkaufmann oder zur Bankkauffrau und zwei duale Studiengänge in Zusammenarbeit mit der Nordakademie“, sagt Imke Gernand. Zwar sei die Sparkasse grundsätzlich zufrieden mit der Azubi-Rekrutierung, doch „merken wir die demografische Entwicklung und dass immer weniger junge Leute zur Verfügung stehen, die eine Ausbildung beginnen wollen“, so die Sprecherin.

Neben Berufsbildungsmessen und regem Kontakt zu den Schulen in der Region soll Werbung auf sozialen Netzwerken wie Instagram oder LinkedIn sowie auf Ausbildungsplattformen junge Menschen anlocken. Viele Auszubildende fänden zudem dank eines Schülerpraktikums zur Sparkasse.

Pinneberg: Hunderte offene Azubi-Stellen, Bewerben noch immer möglich

Großzügige Angebote, um Nachwuchskräfte zu gewinnen, macht auch Vincorion, ein Technologieunternehmen, das auch Wehrtechnik produziert, mit Standort in Wedel. Das Unternehmen lockt seine Auszubildenden unter anderem mit einem familiären Umfeld, der Kostenübernahme für Lehrmittel und „exzellenten Verdienstmöglichkeiten“. Geschäftsführer Stefan Stenzel erklärt: „Man muss den Auszubildenden heute Perspektiven bieten.“

Der Plan geht auf. In diesem Jahr konnte der Wedeler Vincorion-Standort alle sechs ausgeschriebenen Stellen mit Elektronikern und Industriemechanikern in spe besetzen. Von den drei Stellen für duale Studenten in den Studiengängen Technische Informatik und Informatik-Ingenieurswesen sind wiederum noch zwei offen. Auf diese können sich Interessierte noch immer bewerben.

Kreis Pinneberg: Spätentschlossene können sich immer noch bewerben

Apropos: Es ist sowieso noch nicht aller Arbeitstage Abend. Obwohl die meisten Ausbildungen am 1. August beginnen, können Spätentschlossene häufig auch danach noch einen Ausbildungsplatz finden. Sie melden sich am besten bei der Berufsberatung der Arbeitsagentur, die zu Ausbildung, Studium, Alternativen und Überbrückungsmöglichkeiten berät. Das geht auf der Webseite www.arbeitsagentur.de/ausbildungklarmachen oder unter der kostenfreien Rufnummer 0800 45 55 50 0.