Quickborn. Schleswig-Holstein Netz AG mit Sitz in Quickborn will auch mehr als eine Milliarde Euro investieren. Die Einzelheiten.
Der Motor der Energiewende im Norden hat einen Namen: die Schleswig-Holstein Netz AG. Der größte Netzbetreiber im Land mit Sitz in Quickborn, der mit 1700 Mitarbeitenden 50.000 Kilometer lange Strom- und 15.000 Kilometer lange Gasleitungen betreibt, investiert jetzt kräftig in den Ausbau seiner Stromnetze. Rund 1,25 Milliarden Euro werden es nach Angaben von Ove Struck sein, dem Sprecher der Hansewerk AG, die zu etwa zwei Dritteln an der SH Netz AG beteiligt ist. Das andere Drittel gehört etwa 450 Kommunen in Schleswig-Holstein. „Die SH Netz AG versteht sich als Rückgrat der Energiewende in Schleswig-Holstein.“
Diese Rekord-Investition des Netzbetreibers geht einher mit einem enormen Personalaufbau. „Um den Herausforderungen der Energiewende zu entsprechen, werden wir als Hansewerk-Gruppe mit Sitz in Quickborn in der nächsten Zeit unser Personal um rund 250 neue Stellen ausbauen“, kündigt Sprecher Struck an. „Derzeit haben wir bereits 150 offene Stellen ausgeschrieben.“
Quickborn: Meister, Monteure, IT-Experten – SH Netz AG schafft 250 neue Jobs
Gesucht würden vor allen Meister, Ingenieure und Monteure für den Bereich Elektrotechnik. Aber auch IT-Spezialisten, Fachleute für Wärmetechnik sowie kaufmännische Fachkräfte werden gebraucht, um die neu geplanten 20 großen Umspannwerke sowie 100 kleinere zum Anschluss von Windparks und größeren Photovoltaik-Freiflächenanlagen realisieren zu können.
Allein in diesem Jahr werde die SH Netz AG mit dem Hansewerk 420 Millionen Euro in die Erneuerung der Strom- und Gasnetze und die Wärmeversorgung investieren. Drei Viertel blieben in Schleswig-Holstein. Etwa ein Viertel wird in Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern investiert. „Wir heben damit das vierte Jahr in Folge unseren Investitions- und Instandhaltungsaufwand auf ein Rekordniveau“, sagt dazu Matthias Boxberger, Vorstandsvorsitzender der Hansewerk-Gruppe und Aufsichtsratsvorsitzender der SH Netz AG in Quickborn. Im nächsten Jahr würden es 404 Millionen Euro und 2025 nochmals 422 Millionen Euro sein, so dass die Gesamtinvestition bis dahin rund 1,25 Milliarden Euro umfasst.
SH Netz AG: Anteil der erneuerbaren Energien wird sich verdreifachen
Hintergrund dieser Rekordausgaben in neues Personal und Material ist der enorm steigende Energiebedarf, erklärt Sprecher Struck. „Wir rechnen damit, dass sich der Anteil der erneuerbaren Energien in Schleswig-Holstein bis 2030 verdreifachen wird.“ Gleichzeitig werde sich der Strombedarf perspektivisch von 2000 Megawatt Spitzenleistung auf 5000 Megawatt mehr als verdoppeln, weil immer mehr Haushalte auf stromverbrauchende Wärmepumpen umstellten und die E-Mobilität richtig Fahrt aufnähme. „Das erfordert den kraftvollen Ausbau der Stromnetze im Land“, sagt Struck.
Dabei werde es vor allem darum gehen, die Spannungskapazitäten der Umspannwerke auszubauen. Konkrete Maßnahmen würden darin bestehen, Ortsnetzstationen zu verstärken oder Niederspannungs- und Mittelspannungskabel (400 bis 30.000 Volt) mit größerem Querschnitt zu verlegen, erläutert Sprecher Struck. Eine wichtige Rolle spielten dabei intelligente Ortsnetzstationen, von denen SH Netz bereits rund 1200 errichtet habe und zukünftig pro Jahr 350 neue aufstellen werde. „Mit Hilfe dieser hochmodernen Anlagen können Störungen schneller behoben und Erneuerbare Energien besser ins Netz integriert werden.“
Immer mehr Bürger beantragen eine Photovoltaik-Anlage
Hansewerk sei über seine Tochter SH Netz, die auch einen Standort in Uetersen unterhält, für den landesweiten Ausbau der Stromnetze auf den Ebenen 400 bis 110.000 Volt und für die Gasnetze in Schleswig-Holstein verantwortlich, so Struck. „Schon heute betreibt die Hansewerk-Gruppe rund 100 Fernwärmenetze und wird damit einer der wesentlichen Akteure im Zuge der Wärmewende sein.“
Welches Tempo und welche Dynamik die Energiewende bereits genommen haben, lässt sich anhand von ein paar beeindruckenden Zahlen aufzeigen. So speisten bereits Ende 2021 rund 45.000 Windkraft-, Photovoltaik- und Biogasanlagen im nördlichsten Bundesland zusammen rund 9,3 Gigawatt erneuerbaren Strom in das Netz der SH Netz AG ein. Und die Zahl der Menschen, die ihren eigenen Sonnenstrom produzieren, steigt zurzeit mit rasanter Geschwindigkeit, erklärt der SH-Netz-Sprecher: Wurden 2019 noch knapp 3000 Anträge auf Anschluss einer Photovoltaik-Anlage bei SH Netz gestellt und bearbeitet, so lag diese Zahl nur drei Jahre später mit über 18.300 mehr als sechsmal so hoch.
SH Netz AG: Schon 50 neue Stellen im Kundenservice geschaffen
Struck: „In diesem Jahr sind es bereits über 12.500 Anmeldungen.“ Wenn die Nachfrage so stark bleibe, sei im laufenden Jahr 2023 mit einem Anstieg auf 30.000 Anträge zu rechnen. „Das entspricht einer Verzehnfachung der Anlagen mit erneuerbarem Strom seit 2019“, erklärt Struck. Um diesem Nachfrageboom gerecht zu werden, sei von SH Netz inzwischen ein digitales Anmeldesystem für PV-Anlagenbetreiber eingerichtet, mit dessen Hilfe eine schnellere Bearbeitung der Daten sichergestellt werde.
„Außerdem haben wir seit letztem Jahr über 50 neue Stellen im Kundenservice geschaffen.“ Insgesamt habe die Hansewerk-Gruppe in jüngster Zeit rund 260 Stellen vor allem in technischen Bereichen neu besetzt. „Es sind aber weiterhin noch rund 140 Stellen im Unternehmen offen und der Aufbau weiterer Stellen ist in Planung.“
Zahl der neuen Gasanschlüsse ist stark rückläufig
Parallel dazu sinkt die Zahl der Haushalte mit Gasanschlüssen stetig. So hat die Unternehmensgruppe 2021 in Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Nordniedersachsen noch rund 6300 Erdgashausanschlüsse gelegt. Im Jahr 2022 waren es rund 3700. Und in diesem Jahr wurden in den ersten vier Monaten nur noch rund 210 Erdgashausanschlüsse von der Hansewerk-Gruppe gelegt.
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Der Boom der erneuerbaren Energien bei der Energiewende schafft nicht nur Hunderte von neuen Arbeitsplätzen. Auch für die beteiligten Kommunen lohnt sich die Investition, wie Langelns Bürgermeister Bernhard Froh erklärt, der stellvertretende Sprecher im Kreisnetzbeirat der SH Netz AG ist. Seine kleine Gemeinde halte allein 45 Aktien, die etwa 200.000 Euro wert seien und jährlich zwischen 7000 und 8000 Euro an Rendite abwürfen. „Das ist ein lukratives Geschäft.“ Die Zahl der beteiligten Kommunen im Kreis Pinneberg habe sich auf zwölf verdoppelt – bei neun Stadt- und Gemeindewerken, die eigene Netze betreiben, sei das eine stattliche Zahl.
SH Netz AG: Beteiligte Kommunen profitieren
Wichtiger aber noch ist für Langelns Bürgermeister der Einfluss, den die Gemeinden dadurch hätten. „Wir werden sehr gut über die Umsetzung der Energiewende informiert und können sehen, welcher Aufwand für die Versorgungssicherheit betrieben wird.“ Die Strom- und Gasnetze blieben so weitgehend in kommunaler Hand. „Das ist gut investiertes Geld in unsere Netze.“ Aktuell beteiligt an der SH Netz AG sind die Gemeinden Bilsen, Bokel, Ellerbek, Groß Nordende, Hasloh, Heidgraben, Heist, Kummerfeld, Langeln, Lutzhorn, Neuendeich und Rellingen.