Hasloh. In Hasloh ist die einzige Praxis seit Mai geschlossen, der Mediziner unerreichbar und seine Nachfolgerin frustriert. Was ist da los?
Die Gemeinde Hasloh schien den drohenden Verlust der Hausarztpraxis in letzter Minute abgewendet zu haben. Eine Ärztin aus der Region sollte jetzt im Frühjahr Nachfolgerin von Dr. Olaf Kistenmacher werden, der seit 16 Jahren in Hasloh praktizierte und aus privaten und gesundheitlichen Gründen eigentlich schon zum Jahresende aufhören wollte.
Doch dazu wird es nicht kommen. Die Arztpraxis im Mittelweg der etwa 3800 Einwohner zählenden Gemeinde ist schon wieder seit Anfang Mai geschlossen. „Aus Krankheitsgründen“, wie es auf einem Schild an der Tür heißt.
Hausarzt abgetaucht, Praxis zu: Ob es eine Nachfolge gibt, ist völlig ungewiss
Ob sie je wieder aufmacht, ist völlig ungewiss. Denn der Kassenärztlichen Vereinigung in Bad Segeberg liegen zurzeit keinerlei Bewerbungen für diese Praxis vor. Die Ausschreibung der Ärztestelle lief am 31. Mai ab. „Das ist eine sehr schwierige Situation für unsere Gemeinde“, sagt Bürgermeister Kay Löhr dazu. Und Jürgen Uhr vom Seniorenbeirat klagt: „Es wäre sehr schlecht für die medizinische Versorgung in Hasloh, wenn wir keine Arztpraxis mehr behalten könnten.“
Noch im April sah es zunächst gut aus für die kleine Gemeinde. Die potenzielle Nachfolge-Ärztin für die Hasloher Hausarztpraxis fing voller Elan an. Doch dann gab sie schnell wieder auf. Warum genau, möchte sie auf Anfrage des Abendblatts nicht sagen. Sie wolle auch ihren Namen nicht mehr in der Zeitung lesen. Nur so viel: Es sei eine sehr schöne Praxis in Hasloh mit lieben, „sehr sympathischen Patientinnen und Patienten“. „Da hätte ich mir gerne etwas aufgebaut.“
Dr. Kistenmacher kann dazu auch keine Aufklärung geben. Für praktisch niemanden scheint der Mediziner zurzeit zu sprechen zu sein. Mehrere Versuche des Abendblatts, ihn telefonisch zu erreichen, gingen ins Leere. Haslohs Bürgermeister Löhr hat ihn nach eigenen Angaben zuletzt vor zwei Monaten gesprochen. Die Kassenärztliche Vereinigung stehe nur schriftlich mit ihm in Verbindung, teilt Sprecher Nikolaus Schmidt mit. Wann dies zuletzt der Fall war, verrät er nicht.
Die Arztpraxis ist offiziell wegen Krankheit „bis auf weiteres geschlossen“
Wer in der seit gut einem Monat für Patienten nicht mehr zugänglichen Praxis anruft, erhält über eine Bandansage nur die Auskunft: „Die Praxis bleibt aus Krankheitsgründen bis auf weiteres geschlossen.“ In dringenden Notfällen mögen sich Patienten an den Ärztlichen Notdienst unter der Rufnummer 116 117 wenden.
Im Dorf kocht die Gerüchteküche, warum die Hausarztpraxis plötzlich wieder geschlossen ist. Nach Informationen des Abendblatts soll es Probleme zwischen den beiden Medizinern gegeben haben, was die Nachfolgeregelung angeht.
Dabei soll auch Geld eine Rolle gespielt haben, ob und in welcher Höhe eine finanzielle Abfindung für die Patientenkarteien und Gerätschaften gerechtfertigt wäre und zum Tragen käme. Auch von ausstehenden Gehaltszahlungen ist die Rede. Dr. Kistenmacher soll seit Mitte April nicht mehr in der Hasloher Praxis aufgetaucht sein.
Bürgermeister Löhr möchte nicht spekulieren. Er habe nur gehört, dass Dr. Kistenmacher zuletzt nur noch sporadisch in seiner Praxis in Hasloh gesehen wurde. Ob das mit dessen Krankheit zu tun habe und wie schwer erkrankt dieser sei, wisse er nicht, sagt Löhr. „Dr. Kistenmacher ist schwer zu erreichen.“ Zuletzt sei ihm dies vor zwei Monaten gelungen, sagt der Bürgermeister.
Viele Patientinnen und Patienten sind zu anderen Arztpraxen abgewandert
Für die Gemeinde sei das eine bittere Pille, weiß Löhr. Für Hasloh gebe es „keine rechtliche Grundlage“, selbst etwas gegen diese Misere zu tun, so Löhr. Für die Ausschreibung sei die Zulassungsstelle bei der Kassenärztlichen Vereinigung zuständig. „Das kann nicht Aufgabe der Gemeinde sein.“ Und selbst wenn es gelingen sollte, eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger für die Hausarztpraxis zu gewinnen, dürfte es schwer werden, diese wieder gut zum Laufen zu bringen, ahnt Löhr.
Denn zahlreiche Patienten aus seiner Gemeinde seien jetzt verständlicherweise zu anderen Ärzten nach Hamburg, Quickborn, Pinneberg oder Norderstedt ausgewichen. Das gelte auch für ihn persönlich, erklärt Bürgermeister Löhr.
Davon berichtet auch Haslohs Vorsitzender des Seniorenbeirats, Jürgen Uhr, der sich schon im Herbst vergangenen Jahres für eine Nachfolgeregelung einsetzte, als Dr. Kistenmacher ankündigte, die Praxis aufgeben zu wollen. „Es ist traurig. Wir können das eigentlich nicht akzeptieren“, sagt Uhr. Er habe von Mitbürgern gehört, dass sie recht zufrieden mit der neuen Ärztin gewesen seien. Warum diese nun doch nicht die Praxis übernimmt, wisse er auch nicht.
Seniorenbeirat fordert mehr Engagement der Gemeinde, das Problem zu lösen
Der Sprecher des Seniorenbeirats sieht aber auch die Gemeinde in der Pflicht. „Hasloh könnte mehr dafür werben, dass wir einen neuen Hausarzt oder Hausärztin suchen“, kritisiert Uhr. Auch die Bildung eines Medizinischen Versorgungszentrums – wie dies andere kleinere Gemeinden wie Büsum in Dithmarschen oder Itzstedt im Kreis Segeberg machten – könnte vielleicht ein guter Ausweg aus diesem Dilemma sein, bangt Uhr um die Aufrechterhaltung einer guten medizinischen Versorgung im Ort.
„Das könnte ein Modell sein“, sagt auch Bürgermeister Löhr dazu. Allerdings bedürfe es dazu eines entsprechenden politischen Beschusses im Gemeinderat. Und alle Beteiligten müssten wissen, dass ein solch kommunal geführtes MVZ eine gewisse Anschubfinanzierung brauche, um zum Laufen zu kommen.
Kassenärztliche Vereinigung: Hasloh kann seine Ärztestelle verlieren
Von der Kassenärztlichen Vereinigung gibt es wenige Argumente, die für eine baldige Lösung dieses Problems sprechen würden. Auf Anfrage des Abendblatts, ob die Gemeinde Hasloh fürchten müsse, ihre Arztstelle zu verlieren, sagt deren Sprecher Schmidt klipp und klar: „Ja.“
Die Gemeinde könnte aber auch selbst „Kontakt zu dem Arzt aufnehmen, um ihn bei einer Nachfolgersuche zu unterstützen“, teilt Schmidt mit. „Da hier eine freie Stelle vorhanden ist, kann auch unabhängig von der bisherigen Praxis jemand gesucht werden.“
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Vielleicht aber werde auch der Planungsbereich über die jetzt noch freie Stelle hinaus für dann zwei Stellen geöffnet, nennt der Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung eine mögliche Alternative. „Diese Stellen können dann im gesamten Mittelbereich Pinneberg vergeben werden.“
Im Kreis Pinneberg sind zurzeit 9,5 Ärztestellen nicht besetzt
Insgesamt sehe die hausärztliche Versorgung im Kreis Pinneberg nach den Angaben des Landesausschusses, dem Krankenkassen, Ärzte und politische Vertreter angehören, noch ganz gut aus. Auch wenn aktuell bei etwa 200 Hausarztpraxen 9,5 Ärztestellen hier zurzeit nicht besetzt sind. Von einer Unterversorgung wird offiziell erst dann gesprochen, wenn weniger als 75 Prozent der Sollstellen nicht besetzt sind.