Hasloh. Verbände fordern Kassenärztliche Vereinigung und Gemeinde auf, schnell Nachfolger zu suchen – und warnen vor “sehr negativen Folgen“.
In der kleinen Gemeinde Hasloh schrillen die Alarmglocken. Ende Dezember schließt mit Dr. Olaf Kistenmacher im Mittelweg die letzte Hausarztpraxis. Der Seniorenbeirat, der DRK-Ortsverband und der Sozialverband sehen diesen Schritt „mit großer Sorge“ und fürchten um die Aufrechterhaltung einer guten medizinischen Versorgung im Ort.
Denn bislang gebe es keinen Hausarzt und auch keine Allgemeinmedizinerin, die diese Praxis übernimmt, klagt Ex-Bürgermeister Bernhard Brummund, der dem Sozialverband vorsitzt. Wenn nicht rasch eine Nachfolgeregelung gefunden werde, „hätte das für die Hasloher Bevölkerung sehr negative Folgen“, appellieren sie in einem Schreiben an die Kassenärztliche Vereinigung.
Letzter Hausarzt schließt: Wie kann Hasloh für Ärzte attraktiver werden?
In einem Antrag an den Gemeinderat fordern sie diesen auf, sich zu überlegen, was Hasloh tun könnte, um die Gemeinde für einen Arzt oder eine Ärztin attraktiver zu machen, sich hier niederzulassen.„Ein Ort mit zurzeit 3800 Einwohnerinnen und Einwohnern benötigt unbedingt eine Arztpraxis für Allgemeinmedizin“, sind Brummund, Heidemarie Glißmann (DRK) und Jürgen Uhr (Seniorenbeirat) überzeugt. „Zumal Hasloh weiterhin wächst.“
Demnächst werde in der Neuen Mitte ein drittes Neubaugebiet erschlossen, das Platz für weitere 135 Wohneinheiten bieten werde. Wenn es in Bönningstedt, das nur ein paar Hundert Bewohner größer ist, möglich sei, vier Ärzte in drei Praxen zu beschäftigen, müsse Hasloh doch genügend Patienten für zumindest eine Praxis liefern können, argumentieren sie.
Gerade ältere, eingeschränkte oder nicht mehr mobile Menschen in Hasloh seien auf eine Hausarztpraxis vor Ort angewiesen, argumentieren die drei Hasloher Bürger. „Hinzu kommt, dass es ohnehin sehr schwierig ist, in einer anderen Hausarztpraxis aufgenommen zu werden, da es dort teilweise einen Aufnahmestopp gibt.“
Schließungsankündigung hängt an Praxistür
Am Eingang seiner Hausarztpraxis hat Dr. Kistenmacher seine Ankündigung der Schließung zum 31. Dezember ausgehängt. Darin teilt er mit, dass er „aus gesundheitlichen Gründen“ aufhöre. Die „lieben Patienten“ werden aufgefordert, bis zum 16. Dezember „ihre Unterlagen abzuholen“. Dafür sollen sie einen Computerstick mitbringen, „damit wir Ihnen Ihre Befunde in digitaler Form aushändigen können“ und „diese bei Ihnen persönlich gesichert sind.“ Nach der Schließung der Praxis würden „die Daten vernichtet“, warnt der scheidende Doktor und bittet darum: „Sagen Sie dies an andere Patienten, Freunde, Bekannte und Nachbarn weiter.“
Auf seiner Homepage begründet der Arzt die Schließung seiner Praxis „für Körper, Geist und Seele“ etwas ausführlicher. „Nach langem Hin und Her und allen möglichen Versuchen, den medizinischen Betrieb der Gesundheitspraxis Hasloh aufrechtzuerhalten und weiterzuführen, sieht es nun doch so aus, dass ich die Praxis schweren Herzens zum 31.12.2022 schließen muss“, heißt es da. Alle seine Bemühungen, eine Kooperations- oder Nachfolge-Lösung zu finden, seien gescheitert und „bisher erfolglos“ geblieben.
„Natürlich hoffe ich, dass die hausärztliche Versorgung in Hasloh eine Fortsetzung findet.“ Bis zur Schließung werde er selbstverständlich noch alle ausstehenden Wünsche für Rezepte oder Überweisungen erfüllen, verspricht der Arzt in seiner Abschiedsankündigung.
Keine Nachfragen bei der KVSH
Die Kassenärztliche Vereinigung (KVSH) in Bad Segeberg bestätigt auf Nachfrage des Abendblatts, dass für Hasloh noch keine „Anträge für eine Übernahme der Praxis vorliegen“ würden. Immerhin „zwei potenzielle Interessenten“ hätten sich bei der Zulassungsabteilung telefonisch erkundigt, teilt der Sprecher Marco Dethlefsen mit. Es sei also „nicht ausgeschlossen, dass sich noch ein Nachfolger findet“, beruhigt der KVSH-Sprecher. „Wir hoffen das natürlich.“
Bewerbungen seien noch bis zum 31. Mai nächsten Jahres möglich. Solange – „auch nach der Schließung“ – würde „der Zulassungsausschuss voraussichtlich eine Bewerbung akzeptieren“, so Dethlefsen weiter. Der Zulassungsausschuss sei ein unabhängiges Gremium, das mit Vertretern der Ärzteschaft und der Krankenkassen paritätisch besetzt sei und der nach den Vorgaben der Bedarfsplanung über Bewerbungen auf Praxissitze entscheide. „Diese Entscheidung trifft nicht die KVSH.“
Im Kreis Pinneberg gebe es zurzeit rund 200 Hausarztpraxen, teilt Dethlefsen mit. Aber es sei zurzeit so, „dass vor allem Inhaber von Einzelpraxen immer mehr Schwierigkeiten haben, einen Nachfolger zu finden – besonders dann, wenn diese auf dem Land sind.“ Die Gründe dafür seien vielfältig und hätten auch „mit anderen Erwartungen einer neuen Ärztegeneration an ihren Beruf zu tun.“
Die Übergabe klassischer Einzelpraxen gestalte sich heute zunehmend schwierig, weil die jüngere Medizinergeneration gerne in Teilzeit und in einem größeren Team sowohl mit ärztlichen Kolleginnen und Kollegen als auch Angehörigen anderer Gesundheitsberufe arbeiten möchte, erläutert Dethlefsen. „Und das finden sie nur in größeren Praxen oder Zusammenschlüssen.“
Junge Ärzte wollen Teilzeit arbeiten
Ein weiterer Grund sei, dass die Kolleginnen und Kollegen nach dem Medizinstudium den Schritt in die Selbstständigkeit scheuten und gerade zum Berufseinstieg lieber in einer Anstellung arbeiteten als die Verantwortung für einen ganzen Praxisbetrieb zu tragen, erklärt der KVSH-Sprecher.
„Unser Ziel ist, zumindest in den ländlicheren Zentren größere Kooperationen zu erhalten beziehungsweise zu schaffen und es zu ermöglichen, dass diese auch erreicht werden können“, indem es dort eine gute Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr gebe. „Nicht jedes Dorf wird seine Hausarztpraxis behalten können“, warnt der KVSH-Sprecher und prophezeit: „Auf dem Land werden die Wege zum Arzt in Zukunft länger.“
Die Möglichkeiten der Kassenärztlichen Vereinigung, den Ärztemangel zu bekämpfen, seien begrenzt, so Dethlefsen weiter. Sie versuche zwar seit Jahren, mit einer Nachwuchskampagne, gezielten Förderungen, durch Austausch mit Gemeinden oder mit Teampraxismodellen sich dafür einzusetzen, junge Ärztinnen und Ärzte für die Niederlassung zu gewinnen.
Kreis Pinneberg: Wege zum Arzt werden auf dem Land länger
„Unseren Sicherstellungsauftrag können wir aber nur erfüllen, wenn sich genügend Ärzte dazu entscheiden, auch auf dem Land Praxen zu übernehmen beziehungsweise dort zu praktizieren. Darauf haben wir naturgemäß keinen Einfluss – wir können keinen zwingen, an einem bestimmten Ort zu praktizieren. Auch auf die Attraktivität von Gemeinden haben wir keinen Einfluss.“
Darum fordern Sozialverband, DRK und Seniorenbeirat jetzt die Hasloher Kommunalpolitiker zum schnellen Handeln auf. So sollten sie Anzeigen in ärztlichen Fachzeitschriften schalten, „dass die Gemeinde Hasloh dringend einen Arzt/eine Ärztin für die Führung einer Praxis für die medizinische Grundversorgung sucht“.
Zudem sollten sie möglichst rasch „Überlegungen anstellen, wie man die Ansiedlung einer solchen Praxis für potenzielle Bewerber/innen attraktiv machen könnte.“ Der Gemeinderat berät darüber am Mittwoch, 16. November, von 19.30 Uhr an im Schulungsraum der Feuerwehr in öffentlicher Sitzung..