Kreis Pinneberg. In den Städten sei das Geld knapp, während der Kreis auf einem Vermögen sitze. Das wollen die Rathauschefs nicht länger hinnehmen.
Die Bürgermeister der 49 Städte und Gemeinden im Kreis Pinneberg sind gewaltig auf Zinne. Während sie ihre Kommunen für den Bau von Schulen, Kitas und Flüchtlingsunterkünften mit mehreren Millionen Euro verschulden müssten, wachse das Vermögen des Kreises auf mehr als 100 Millionen Euro in den Rücklagen an, kritisieren sie – und verliehen ihrem Unmut jetzt Ausdruck.
Am Dienstag unterzeichneten sieben Bürgermeister und vier Amtsdirektoren im Pinneberger Ratssaal stellvertretend für alle Kommunen eine Protestresolution gegen die Kreispolitik, die „mit dem Geld wirtschaftet, das ihr nicht zusteht“, sondern den Kommunen gehöre, sagt etwa Thomas Beckmann, Bürgermeister von Quickborn.
Finanznot in Gemeinden: Bürgermeister proben Aufstand gegen den Kreis Pinneberg
Der Appell der Verwaltungschefs soll den Druck auf den Kreistag erhöhen, der am Mittwoch, 3. Mai, im Kreishaus tagt. Und es steht auch der Antrag auf der Tagesordnung, die Kreisumlage um 1,4 auf 30 Punkte zu senken.
Das fordert die AfD-Fraktion, die damit bereits vor zwei Monaten im Finanzausschuss gescheitert war, als dort ebenfalls etwa ein Dutzend Verwaltungschefs aus den Städten und Ämtern die Kreispolitiker aufforderte, entsprechend zu handeln.
Gemeinden „fühlen sich vom Kreis Pinneberg nicht mehr ernstgenommen“
Solche Klagen aus den Städten und Gemeinden gegen die Kreispolitik hat es in dieser Form und Schärfe seit Jahrzehnten nicht gegeben. „Wir fühlen und vom Kreis nicht mehr ernstgenommen“, sagt Rellingens Bürgermeister Marc Trampe, der einstmals Sprecher der Kreisverwaltung war.
„Der Kreis kündigt die kommunale Familie auf“, kritisiert Torneschs Bürgermeisterin Sabine Kählert. „Der Kreis lässt uns allein im Regen stehen“, sagt Amtsdirektor Matthias Bagger vom Amt Rantzau. Immer mehr freiwillige Leistungen und Zuschüsse wie jüngst für die Sportförderung schütte der Kreis aus, „die wir uns einfach nicht leisten können“, ärgert sich Uetersens Bürgermeister Dirk Woschei.
Dem Kreis Pinneberg wird sogar mit einer Klage gedroht
„Wir behalten uns vor, den Rechtsweg einzuschlagen“, droht wiederum Amtsdirektor Frank Wulff vom Amt Geest und Marsch offen eine Klage gegen die Kreispolitik an. Dabei hat das Haushaltsdefizit allein der anwesenden Bürgermeister für dieses Jahr die 40 Millionen Euro-Grenze überschritten.
Wedel kann Ausgaben von 13 Millionen nicht ausgleichen, Pinneberg fast sieben Millionen Euro, Tornesch sechs Millionen Euro, Uetersen und Quickborn jeweils fünf Millionen Euro und das einst reiche Rellingen knapp vier Millionen Euro.
Städte kritisieren, dass der Kreis seit Jahren das Vermögen hortet
Dagegen habe der Kreis gerade einen Jahresüberschuss für 2022 von zwölf Millionen Euro verbucht, den er wieder in seine Rücklagen stecke, die dann fast 110 Millionen betrügen. Da er für das laufende Jahr vom Land aus dem Finanzausgleich 16 Millionen Euro zusätzlich erhalten werde.
Zumindest diese 16 Millionen Euro müsse der Kreis vollständig an die Kommunen weitergeben, fordert Pinnebergs Bürgermeisterin Urte Steinberg. Das wären umgerechnet etwa drei Punkte weniger Kreisumlage und würde die beiden größten Städte Elmshorn und Pinneberg um jeweils rund zwei Millionen Euro im Jahr entlasten.
Vereinbarte Summe sei längst überschritten
Wobei der Kreis frühestens in fünf Jahren wieder Geld aus der allgemeinen Rücklage nehmen dürfe, die inzwischen fast 82 Millionen Euro erreicht hätte. „Das ist in etwa so, als wenn der Kreis das Geld in einen Tresor packt und anschießend den Schlüssel wegwirft“, poltert Trampe.
Dabei habe es viele Jahre lang die Vereinbarung mit der Kreispolitik gegeben, dass dieser einen Spielraum von zehn Millionen Euro haben dürfe. Diese Summe sei längst überschritten, ohne dass der Kreis Anstalten mache, es den Kommunen zurückzuzahlen.
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„Es handelt sich um eine Umlage“, erklärt Torneschs Bürgermeisterin Kählert. Das sei zu vergleichen mit Freunden, die etwas trinken gingen und einer zahle die Zeche, wofür er von den anderen eine Umlage erhebe, die die Ausgaben weit übersteige. „Aber er gibt das Geld nicht an seine Freunde zurück.“
So unsolidarisch verhalte sich die Kreispolitik, während „wir Kommunen jahrelang die landesweit höchste Kreisumlage toleriert haben“, die bis 2019 noch bei 39 Punkten lag.
Von Kreisseite herrsche da Funkstille, ärgern sich die Verwaltungschefs. Auch Landrätin Elfi Heesch lehne den Dialog mit den Kommunen ab – „dabei wird sie von uns bezahlt“, sagt Amtsdirektor Bagger.