Kreis Pinneberg. Alle 49 Kommunen wollen finanziell entlastet werden – zumal der Kreis finanzielle Rücklagen habe. Die Kreispolitik zaudert.
Die kommunale Familie im Kreis Pinneberg steht vor einer Zerreißprobe. Die Städte und Gemeinden sind schwer enttäuscht von der Kreispolitik. Jetzt haben sie den Kreisverband des Gemeindetages aufgefordert, sich noch einmal öffentlich darüber zu beschweren, dass der Kreistag während seiner jüngsten Sitzung nicht wie erwartet die Kreisumlage gesenkt hat, die mit rund 150 Millionen Euro im Jahr seine wichtigste Einnahmequelle ist.
Kreis Pinneberg: Politik stimmt gegen Absenkung der Umlage
Jetzt erhoffen sich die Kommunen, dass der Kreistag am morgigen Mittwoch, 14. Dezember, nachbessert. Im zu beschließenden Doppelhaushalt für 2023/24 sollte das geschehen, sagt Rellingens Bürgermeister Marc Trampe, der zugleich als stellvertretender Kreisvorsitzender die 49 Städte und Gemeinden im Kreis vertritt.
Die finanzielle Lage des Kreises mache eine Senkung der Kreisumlage nicht nur möglich, sie sei sogar dringend erforderlich, fordert Trampe. „Der Kreis Pinneberg hat jetzt 25 Millionen Euro in der Ergebnisrücklage für dieses Jahr.“ Das Geld könnte er noch nicht einmal für etwaige Investitionen einsetzen. „Es verschwindet auf irgendwelchen Konten, während wir Städte und Gemeinden es dringend bräuchten, um unsere Bürgerinnen und Bürger zu entlasten und wichtige Investitionen in Schul- und Kindergartenbauten tätigen zu können.“
Viele Jahre hätten die Kommunen Zurückhaltung und Verständnis dafür gezeigt, dass sie bis 2018 mit 39 Punkten die landesweit höchste Kreisumlage an den Kreis abzuführen hatten, der lange hoch verschuldet gewesen war. Doch das Blatt habe sich seitdem zugunsten des Kreises und zuungunsten der Städte und Gemeinden gewendet, meint Trampe.
- Kreis Pinneberg entlastet Städte – Kitas erhalten mehr Geld
- So will der Kreis fast alle Gemeinden entlasten
- Warum der Kreis mit unerwartetem Geldsegen rechnet
Kreis baut Verschuldung ab, Kommunen werden zur Kasse gebeten
So konnte der Kreis seit 2018 seine Verschuldung von 66 auf 58 Millionen Euro abbauen, während im selben Zeitraum die Schuldenlast für alle Kommunen im Kreis Pinneberg von 440 auf 467 Millionen Euro angewachsen sei. Zwar habe der Kreistag seitdem die Kreisumlage viermal auf jetzt 31,4 Punkte gesenkt. Das sei aber längst nicht genug.
Darum habe der Gemeindetag rückwirkend und einmalig für das Jahr 2022 eine weitere Absenkung von 1,5 Punkten gefordert, erklärt Trampe. Die gemeinsame Arbeitsgruppe der Finanzchefs der Städte, Gemeinden und Amtsverwaltungen sowie der Kreisverwaltung hätten auch genau dies der Kreispolitik empfohlen.
„Wir könnten unsere fünf Gemeinden im Amt Pinnau sofort um 300.000 Euro entlasten“, nennt der Leitende Verwaltungsbeamte Detlev Brüggemann die Auswirkungen dieser Kreistagsentscheidung. „Jetzt gehen sie leer aus.“ Im kleineren Amt Hörnerkirchen wären es 100.000 Euro gewesen, um die die Amtsumlage sofort hätte gesenkt werden können, ergänzt Amtskollege Sven Werner. Und die Stadt Barmstedt, die ohnehin mit einem Haushaltsdefizit von 3,6 Millionen Euro klarkommen müsse, hätte die rund 200.000 Euro, die sie weniger an den Kreis hätte abführen müssen, nur zu gut gebrauchen können, sagt Kämmerer Wolfgang Maier.
Kreis Pinneberg: Selbst finanzstarke Gemeinden schreiben rote Zahlen
Selbst seine vergleichsweise finanzstarke Gemeinde werde nächstes Jahr 4,3 Millionen Euro mehr Ausgaben als Einnahmen haben, sagt Rellingens Bürgermeister Trampe. „Stattdessen müssen wir mit zehn Millionen Euro 20 Prozent unserer Ausgaben an den Kreis abführen.“ Der Kreis stehe mit 25 Millionen Euro Überschuss dagegen gut da. „Wir Kommunen aber müssen neue Schulbauten für die Ganztagsbetreuung errichten, zusätzliche Kindergartenplätze schaffen, die maroden Straßen sanieren, unsere Feuerwehren unterhalten.“
Dieses Missverhältnis werde dazu führen, dass die Städte und Gemeinden ihre Grund- und Gewerbesteuern sowie Abgaben und Gebühren anheben müssten, um das finanzieren zu können, warnt Kämmerer Maier. Leidtragende seien also im Endeffekt die steuerzahlenden Bürgerinnen und Bürger. Dabei könne der Kreis mit seinem Millionenguthaben gar nichts anfangen, argumentiert der Gemeindetag.
Kreis Pinneberg: Politik habe „keinen Spielraum“ bei Finanzen
Doch das Blatt werde sich schon im nächsten Jahr auch für den Kreis wieder zum Negativen wenden, entgegnet SPD-Fraktionschef Hans-Peter Stahl. Darum habe die Kreisumlage eben nicht gesenkt werden können. Es sei zwar richtig, dass der Kreis aktuell zum Jahresende sogar wohl 28 Millionen Euro in der Ergebnisrücklage habe. „Doch das Geld wird dringend gebraucht“, so Stahl.
Für 2023 und 2024 gehe die Kreisverwaltung von jeweils einem Defizit von 20 Millionen Euro aus. Ohne die Rücklage in zweistelliger Millionenhöhe sähe der Kreis dann ganz schön alt aus, argumentiert der Sozialdemokrat. „Wir haben keinen Handlungsspielraum.“
Das bestätigt die CDU-Finanzexpertin Britta Krey: „Wir werden unsere Ergebnisrücklage dringend brauchen, um in den nächsten beiden Jahren den Haushalt ausgleichen zu können.“ Ihr wie auch den Kollegen sei aber diese Entscheidung, die Kreisumlage nicht zu senken, sehr schwer gefallen.