Kreis Pinneberg. Wie soll die gesundheitliche Versorgung im Kreis Pinneberg künftig aussehen? Parteien haben unterschiedliche Vorstellungen.
Der Pinneberger Kreistag hat Ende März über den einstimmigen Beschluss im Hauptausschuss den Weg freigemacht für das Vorhaben der Regio Kliniken, bis 2032 eine neue Zentralklinik am Ossenpadd im Norden Pinnebergs mit 870 Betten für 500 Millionen Euro zu errichten.
Was folgt jetzt aus dieser Standortentscheidung für das neue zentral gelegene Krankenhaus, das dann die beiden jetzigen Krankenhäuser in Pinneberg und Elmshorn ersetzen wird? Wie soll die gesundheitliche Versorgung im Kreis Pinneberg künftig aussehen? Was soll am bisherigen Klinikstandort in Elmshorn verbleiben? Welche alternative Nutzung wäre dort vorstellbar? Wofür wollen sich die Parteien im neuen Kreistag einsetzen?
Vor der Wahl zum Kreistag am 14. Mai gibt das Hamburger Abendblatt den Parteien Gelegenheit, sich zum Thema Gesundheitsvorsorge zu äußern. Darüber hinaus hat jede Partei die Möglichkeit, eigene Schwerpunkte zu setzen:
Kommunalwahl: Das sagt die CDU zur Gesundheitsvorsorge
Die CDU setzt sich für eine zentrale vollstationäre Versorgung in den beiden Krankenhäusern und eine dezentrale ambulante medizinische Versorgung in enger Zusammenarbeit ein, da das Zentralkrankenhaus frühestens in zehn Jahren zur Verfügung stehen werde. „Rechtzeitig vor der Zusammenlegung der beiden Standorte sind die Rahmenbedingungen zu bewerten und zu entscheiden. Denkbar wären künftig in Elmshorn ambulante medizinische Versorgungseinrichtungen in Kooperation mit dem dann neuen Zentralkrankenhaus“, betont Spitzenkandidatin Heike Beukelmann.
Christdemokraten wollen besseren Schutz vor Hochwasserkatastrophen
In den kommenden Jahren will die CDU zudem den Fokus darauf legen, dass die zum Schutz der Bevölkerung am Katastrophenschutz beteiligten Feuerwehren, DLRG, DRK und THW gemeinsam mit dem Kreis auch aufgrund der Erfahrungen mit Pandemien und Hochwasserkatastrophen mit Hochdruck verbesserte Konzepte erarbeiten, die den ständig laufenden Entwicklungen angepasst werden. Beukelmann: „Zur Erhaltung der Handlungsfähigkeit bei flächendeckendem Stromausfall bedarf es eines Katastrophenschutz-Zentrums. Dieses soll nicht nur als Materiallager, sondern bei Bedarf auch als Sammelpunkt mit entsprechenden Versorgungsmöglichkeiten für die Einsatzkräfte und im Falle einer Evakuierung als Sammelpunkt für die Bevölkerung dienen.“
Ein weiteres Thema: Der Kreis habe seine Förderung von 3000 auf 8000 bis 12.000 Euro je neu geschaffenen Kita-Platz und auf drei Millionen Euro insgesamt angehoben. Auch an der Gestaltung der Sozialstaffel für die schulische Ganztagsbetreuung und daran, dass Geschwisterkinder, die in der Kita sind, mitberücksichtigt werden, habe die CDU mitgewirkt. Sie werde dafür sorgen, dass jedes Kind eine angemessene Betreuung erhält, so die Christdemokratin.
Gesundheitsvorsorge: SPD will hausärztliche Versorgung stärken
Die SPD setzt sich dafür ein, dass die Fortschreibung der stationären Krankenhausversorgung im Rahmen eines durch das Land finanzierten Modellprojektes erfolgt. Dazu gehöre eine gezielte Gesundheitsförderung und Prävention, eine umfassende ambulante und stationäre Versorgung, eine schnelle Notfallbehandlung, eine rund um die Uhr gewährleistete Notdienstversorgung, eine gesundheitsfördernde Nachsorge und Rehabilitation, gute und erreichbare soziale und kommunale Angebote bis hin zu qualitativ hochwertiger Pflege- und Palliativversorgung. „Die hausärztliche Versorgung soll in regionalen Gesundheits- und Versorgungszentren verstärkt werden“, betont Spitzenkandidat Hans-Peter Stahl.
Durch regelmäßige Gesundheitskonferenzen und Gesundheitsberichterstattung wollen die SPD die Beteiligungsmöglichkeiten der Bürger und Patientinnen stärken. Stahl: „In Elmshorn soll die Erwachsenen-, Kinder- und Jugendpsychiatrie verbleiben und ausgebaut werden.“
Sozialdemokraten fordern Bau von 2000 Wohnungen im Jahr
Dass bezahlbares Wohnen ein Grundrecht ist, ist ein weiteres wichtiges SPD-Thema. „Wir wollen bezahlbares Wohnen fördern, indem jährlich im Kreis mindestens 2000 Wohneinheiten gebaut werden. Das Land soll die Mietpreisbremse wieder einführen. In den Bebauungsplänen der Kommunen sollte ein Anteil von mindestens 30 Prozent von sozial gefordertem Wohnraum verankert sein“, so Stahl.
Eine weitere Forderung: „Wir brauchen dringend mehr Kindertagesstätten-Plätze. Mit zehn Millionen Euro sollen die Kommunen bei der Schaffung von Kita-Plätzen unterstützt werden. Die Personalausstattung in den Kitas muss verbessert werden. Die Zeiten für Vor- und Nachbereitung sowie Elterngespräche in den Kitas pro Woche und Gruppe sollen auf mindestens zwölf Stunden erhöht werden.“
Grüne: Es fehlt an ambulanter ärztlicher Versorgung
Die Grünen betonen, dass sie bei der Entscheidung für das Zentralkrankenhaus der Empfehlung des Gutachtens gefolgt seien, „obwohl einzelne Bewertungen nicht nachvollziehbar waren“, so Spitzenkandidatin Susanne von Soden-Stahl. Für den Kreis sei die Gesundheitsversorgung damit allein nicht zu stemmen. „Mit dem gerade auf den Weg gebrachten Gesundheitsbericht und der geplanten Gesundheitskonferenz haben wir zwei Vorhaben im Kreis gestartet, um die gesundheitliche Versorgung in den Fokus zu nehmen“, betont die Grüne.
Es fehle überall an ambulanter ärztlicher Versorgung in Wohnortnähe. Vorstellbar wäre ein regionales ambulantes Versorgungszentrum mit den unterschiedlichsten medizinischen Angeboten. Auch für die dringend erforderliche Kurzzeitpflege wäre das ein gutes Areal.
Grüne machen sich für kostenloses Ticket für Schülerinnen und Schüler stark
Was ist noch wichtig im Wahlkampf? „Wir wollen die Idee einer Klimaschutzagentur weiter vorantreiben, deren zentraler Aufgabenbereich die Unterstützung der Gemeinden und des Kreises bei Wärmeplanungen und der Erstellung von energetischen Quartierskonzepten sein soll“, sagt die Spitzenkandidatin.
Die Grünen wollen mit den Kommunen dafür sorgen, dass alle Verkehrsteilnehmer*innen als gleichberechtigt betrachtet werden. Das gelte für eine gut ausgebaute Radverkehrsinfrastruktur, wie auch für Fußwege und einen gut ausgebauten ÖPNV. Die Grünen werben für ein kostenloses Schüler*innenticket, das ein gutes Beispiel dafür sei, wie die finanzielle Entlastung von Familien mit dem Gedanken an ein klimagerechtes Verhalten verbunden werden kann. Susanne von Soden-Stahl: „Wenn Kinder früh erfahren, dass es ganz einfach ist, in einen Bus oder in die Bahn einzusteigen, ohne sich um die Kosten kümmern zu müssen, wird der öffentliche Nahverkehr von ihnen auch später als eine reale und lohnenswerte Alternative wahrgenommen.“
Gesundheitsvorsorge: FDP setzt auf die Kassenärztliche Vereinigung
Die gesundheitliche Versorgung im Kreis Pinneberg zu regeln, liegt nach Ansicht der FDP bei der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein (KVSH). Ähnliches gelte für die Organisation des Rettungswesen, dafür sei im Kreis Pinneberg die RKiSH zuständig. „Beide Organisationen werden sich mit den Regio Kliniken eng abstimmen, der Kreis Pinneberg wird mit eingebunden sein, um die gesundheitliche Versorgung für die Bürgerinnen und Bürger im Kreis Pinneberg sicherzustellen, auszubauen und zu verbessern“, sagt Spitzenkandidat Olaf Klampe.
Kommunalwahl: FDP findet Parkplätze an Bahnhöfen wichtig
Ein weiteres zentrales Thema aus Sicht der FDP: „Wir benötigen einen leistungsfähigen und attraktiven öffentlichen Nahverkehr im Kreis, der durch sinnvolle und zielführende Maßnahmen so gestärkt wird, dass er eine wirkliche Alternative zum Pkw bietet. Die Belange aller Verkehrsteilnehmer müssen gleichermaßen berücksichtigt werden, damit jede und jeder gut, schnell und sicher an sein Ziel kommt. Das Straßen und Wegenetz muss instand gehalten und dort, wo notwendig, ausgebaut werden. Auch Elektroautos benötigen Parkplätze und intakte Straßen. Das Angebot an Parkplätzen an Bahnhöfen ist Voraussetzung zur Vernetzung der Verkehrsträger“, betont Klampe.
Auch wichtig: Die FDP unterstützt Konzepte für Wohnen, Barrierefreiheit, Mobilität und Nahversorgung, damit der Verbleib in gewohnter Umgebung auch im hohen Alter möglich bleibe. „Wir unterstützen die mobile Pflege sowie alternative Wohnformen, wie Mehrgenerationenhäuser und Senioren-Wohngemeinschaften.“.
Die Linke fordert regionales Versorgungszentrum für Elmshorn
Für die Linke ist entscheidend, eine hochwertige Gesundheitsversorgung für alle Menschen im Kreis sicherzustellen. „Solange im Gesundheitswesen Gewinne erwirtschaftet werden müssen, wird es zu Nachteilen für die Menschen kommen. Der neue Standort des Zentralkrankenhauses ist aufgrund marktwirtschaftlicher und profitorientierter Maßgaben erfolgt“, betont Spitzenkandidat René König.
Die Linke werde sich dafür einsetzen, dass in Elmshorn ein kommunales regionales Versorgungszentrum (RVZ) errichtet wird, um einen Teil der fach- und hausärztlichen Versorgung sicherzustellen. Damit bestehe die Chance, einen Teil der fach- und hausärztlichen Versorgung sicherzustellen, ohne dass den Bürgerinnen und Bürgern weite Wege zum Zentralkrankenhaus auferlegt werden müssten. König: „RVZ können von Rettungswagen angefahren werden. Die Bestandsgebäude sollten als Alten- und Pflegeheime, Kurzzeitpflege etc. genutzt werden. Hier sollte mit den Menschen vor Ort eine Nachnutzung besprochen werden.“
Kommunalwahl: Linke setzt sich für einen Mobilitätsrabatt ein
Neben fehlenden Kitas, schleppender Digitalisierung auf allen Ebenen und dem stockenden Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs ist nach Ansicht der Linken das wohl drängendste Problem der fehlende Wohnraum. „Wir brauchen eine kreiseigene Wohnungsbaugesellschaft, die mit Städten und Gemeinden Grundstücke in kommunaler Hand bebaut, mit dem Fokus mehr sozialem Wohnungsbau“, sagt König.
Weiterhin werde sich die Partei für einen Mobilitätsrabatt (oft Sozialticket genannt) einsetzen. Die schwarz-grüne Landesregierung werde nicht in der Lage sein, ein vergleichbares Sozialticket wie in Hamburg und Hessen einzurichten. „Mobilität ist ein grundlegendes Bedürfnis und der Mobilitätsrabatt würde Menschen mit geringem Einkommen helfen, ihre Alltagswege zu bewältigen und ihre Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu sichern“, sagt der Spitzenkandidat.
Gesundheitsvorsorge: AfD will Elmshorner Klinik weiter nutzen
AfD-Spitzenkandidat Volkher Steinhaus versichert: „Das Elmshorner Krankenhaus hat eine solide Bausubstanz und sollte deshalb weiter für die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung genutzt werden.“ Dazu zählten die schon vorhandene Radiologie, Gemeinschaftspraxen für Haus- und Fachärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Dendrologen, Heilpraktiker und Krankengymnasten.
Ein Anliegen der AfD ist es zudem, der zunehmenden Verschwendung von Steuergeldern im Kreis entgegenzutreten. Eine Senkung der Kreisumlage sei dringend geboten, damit den Städten und Gemeinden wieder mehr finanzieller Spielraum für Investitionen in die Bildungseinrichtungen zur Verfügung stehe.
Im Bereich der Infrastruktur verspricht die AfD, sich dafür einzusetzen, dass die schweren Mängel an sechs Brücken endlich behoben werden. Steinhaus: „Als mittelständisch geprägter Wirtschaftsraum muss eine gute Verkehrsinfrastruktur eine Selbstverständlichkeit sein.“ Außerdem will sich die AfD dafür einsetzen, dass den Anliegern keine Kosten für Straßenbaubeiträge entstehen.
Basis-Partei will Gesundheitsvorsorge entprivatisieren
„Die Gesundheitsversorgung wurde durch Privatisierungen verknappt. Mit einem Gesellschaftsanteil von 25 Prozent ist der Einfluss des Kreises auf die Regio Klinken begrenzt. Deshalb fordern wir die Entprivatisierung. Der Kreis soll wieder Träger der Gesundheitsversorgung sein.“ So lautet die Position der Basis-Partei.
Spitzenkandidat Juan Gruben betont: „Fachabteilungen sollten, wo sinnvoll, zusammengelegt werden. Elmshorn muss als Klinikstandort erhalten bleiben. Misslingt dies, müssen der Gesamtbestand erfasst und die Kosten einer Sanierung berechnet werden. Danach mag es Konzepte für die Zukunft geben. Denkbar wäre zum Beispiel der Umbau zum neuen Rathaus.“
Mehr Verweilzonen für Familien in den Innenstädten
Im Wahlkampf macht sich die Partei zudem dafür stark, dass das Wohnen attraktiv sein und bleiben müsse. Dazu gehöre die Förderung des sozialen Wohnungsbaus und die Bereitstellung von Baugrund und Angebote zur Anmietung oder zum Erwerb von Wohnungen zu erschwinglichen Preisen. Dies solle durch die Bereitstellung von Gemeindegrundstücken für die Nutzung durch Bau- und Wohnungsgenossenschaften erreicht werden.
Gruben: „Dazu bedarf es eines umfangreichen Angebots an Kitas, Schulen und beruflicher Bildung. Dazu ist auch eine Entzerrung des alltäglichen Auto-Staus durch weiteren Ausbau des ÖPNV nötig.“
Kommunalwahl: 2018 lag die CDU klar vorn
Bei der Wahl zum Kreistag 2018 beteiligten sich von den 255.762 Wahlberechtigten 119.157 Menschen. Das entspricht einer Wahlbeteiligung von 46,6 Prozent.
Die meisten Stimmen erhielt die CDU (41.876 Stimmen, 35,5 Prozent) vor der SPD (28.780 Stimmen, 24,4 Prozent), den Grünen (21.599 Stimmen, 18,3 Prozent), der FDP (9432 Stimmen, 8,0 Prozent), der AfD (8220 Stimmen, 7,0 Prozent), Die Linke (5003 Stimmen, 4,2 Prozent) und der KWGP (2985 Stimmen, 2,5 Prozent). Weil die CDU 22 von 25 Wahlkreisen direkt gewann, aber „nur“ etwas mehr als ein Drittel der Wählerstimmen erhielt, wuchs der Kreistag durch 13 Überhang- und Ausgleichsmandate von 49 auf 62 Abgeordnete an.
Kommunalwahl: Die Spitzenkandidaten der Parteien für die Kreistagswahl
Die Fraktionschefs Thomas Giese (Grüne), Marianne Kolter (Die Linke) und Bernhard Noack (AfD) treten nicht wieder an. Bei der SPD hat jetzt Hans-Peter Stahl den voriges Jahr verstorbenen Hannes Birke als Fraktionschef und Spitzenkandidat abgelöst. Die KWGP hat sich aufgelöst und tritt gar nicht wieder an. Erstmals zur Wahl steht die Basisdemokratische Partei Deutschland (Die Basis-Partei), die aus Protest gegen die „Freiheitseinschränkungen“ und Lockdown-Maßnahmen der Corona-Zeit im April 2021 auch einen Kreisverband gegründet hat. Das sind die Spitzenkandidaten:
CDU: Heike Beukelmann (64, Kunsthistorikerin, aus Pinneberg)
SPD: Hans-Peter Stahl (69, Projektleiter, Elmshorn)
Grüne: Susanne von Soden-Stahl (66, Kommunikationswirtin, Elmshorn)
FDP: Olaf Klampe (68, Rentner, Pinneberg)
AfD: Volkher Steinhaus (63, Logistiker, Schenefeld)
Die Linke: René König (43, Angestellter, Raa-Besenbek)
Die Basis: Juan Gruben (69, Rentner, Halstenbek).