Norderstedt/Helgoland. Eckhard und Elisabeth Wallmann haben in 13 Jahren als Pastoren auf Helgoland prägende Spuren hinterlassen. Das ist ihre Geschichte.

Eine solche Ehre widerfährt nicht jedem Zugereisten: „Eckhard und Elisabeth Wallmann, Pastoren und Erforscher Helgoländer Kultur“. So heißt es auf der Homepage Helgolands. Zu finden unter der Rubrik Wissenswertes, speziell „Literatur“.

Denn die Wallmanns haben von 1989 an im Laufe ihrer 13 Jahre als Inselpastoren, aber auch noch danach jeweils mehrere Bücher veröffentlicht, die sich eingehend mit der älteren, aber auch jüngeren Historie der Hochseeinsel beschäftigen. „Eigentlich waren und sind wir immer als arbeitendes und auch forschendes Team unterwegs“, sagt Eckhard Wallmann, „unabhängig davon, wo wir uns gerade befinden.“

Helgoland: Zwei Pastoren, die alles über die Insel wissen

Mit seinem 672 Seiten starken Buch „Helgoland – Eine deutsche Kulturgeschichte“ erschuf der Pastor und Geschichtsforscher sein umfangreichstes Werk. Rund 20 Jahre hat er die Kulturgeschichte der Insel mit all ihren Facetten erforscht, bevor sein Buch im Hamburger Koehler Verlag herausgegeben wurde – mit Unterstützung des Fördervereins Museum Helgoland.

Herausgekommen ist nicht etwa ein dröges Nachschlagewerk, sondern eine Sammlung köstlicher und spannender Geschichten. Denn nachdem Helgoland vor fast 200 Jahren den Status eines Seebades bekam, wurde die Insel mehr und mehr zum Magneten für Dichter und Denker, Maler, Mimen und Musiker. Sie alle waren fasziniert und wurden inspiriert von der Natur und der Hochseelage der Insel.

Nordsee: Mit Heinrich Heine auf das Meer schauen

Schon der Klappentext des Buches macht Lust zum Lesen: „Mit Heinrich Heine auf das Meer schauen, mit Hebbel durch die Helgoländer Kneipen ziehen oder sich mit Franz Liszt die Dünen herunterrollen lassen“.

Die Lange Anna an der Küste im Nordwesten der Insel, ist das Wahrzeichens Helgolands.
Die Lange Anna an der Küste im Nordwesten der Insel, ist das Wahrzeichens Helgolands. © picture alliance / DUMONT Bildarchiv | Olaf Meinhardt

Würdigung fand Wallmanns Buch in diversen Rezensionen, beispielsweise 2018 in einem Artikel der „Zeit“. Der „Theologe Wallmann öffnet die riesige Seekiste der Kulturgeschichte, von den amorphen Anfängen bis zur Trip-Hop-Combo Massive Attack mit ihrem Album Heligoland“, schreibt der Autor Benedikt Erenz. „Faszinierend und unglaublich, wie bunt der bunte Felsen war, wie inspirierend bis heute.“

Im ersten Buch ging es um den verheerenden Bombenangriff

Elisabeth Wallmann hingegen beschäftigte sich zunehmend mit den Spuren, die Krieg und Vertreibung bei den Insulanern hinterließen. Bei ihrer täglichen Arbeit, bei Besuchen und in Gesprächen wurde der Seelsorgerin bewusst, wie sehr die Lebensläufe der Insulaner von Krieg, Evakuierung und schließlich der Rückkehr geprägt waren. So kam ihr die Idee, Erinnerungen an diese einschneidenden Zeiten aufzuschreiben.

Im ersten Buch stand der verheerende Bombenangriff im Mittelpunkt, den die Insulaner in den Bunkern überlebten und der letztlich zur Evakuierung der Insel führte. Immer mehr Helgoländerinnen und Helgoländer meldeten sich. „Manchmal war es schwierig, etwas zu erfahren, einige konnten nicht reden, obwohl ich den Eindruck hatte, sie wollten erzählen“, sagt die Pastorin.

Pastor Wallmann fuhr Bücher mit Kinderwagen zur Post

Und so wuchs die Zahl der von ihr gesammelten Beiträge rasant an. „Manchen Text habe ich mit einem Kind auf dem Schoß eingetippt“, erinnert sich die vierfache Mutter. „Die Zerstörung Helgolands durch die Bombardierung am 18. April 1945“ erschien genau 50 Jahre danach im Jahr 1995.

Die St.-Nicolai-Kirche von Helgoland.
Die St.-Nicolai-Kirche von Helgoland. © Bodig

Das Buch wurde ein Erfolg, „ging reißend weg“, erinnert sich Eckhard Wallmann, dem seine Erfahrungen als ausgebildeter Buchhändler bei Planung und Kalkulation zugutekamen. Großen Anteil, erinnert er sich, hatte auch Hans Stühmer, der damalige Leiter des Wasser- und Schifffahrtsamtes auf Helgoland.

Wenn es ums Texte erfassen, senden oder die Bildbearbeitung ging, war er immer zur Stelle. Bislang wurden einige 10.000 Exemplare gedruckt. Die schweren Pakete, erinnert sich Wallmann, fuhr er manchmal mit dem Kinderwagen zum Buchladen oder zu den Schiffen.

Das alte Helgoland – Kindheit und Jugend zwischen 1918 und 1930

Anlässlich des 50. Jahrestags der Wiederfreigabe der Insel durch die Engländer am 1. März 2002 hatte die Pastorin die Idee, auch die Erinnerungen an diesen Tag der Rückkehr zu sammeln und herauszugeben. Das Buch mit dem Titel: „Helgoland ist frei!“, in dem sich Helgoländer an die Evakuierung, die Freigabe und die Rückkehr in ihre Heimat erinnern, wurde ebenfalls sehr gut angenommen.

Damit nicht genug. Herausgegeben und teils selbst aufgeschrieben hat Elisabeth Wallmann danach im Jahr 2003 die Erinnerungen der Insulanerin Mina Borchert in „Das alte Helgoland – Kindheit und Jugend zwischen 1918 und 1930“.

Strindbergs Hochzeit auf der Insel Helgoland

Eckhard Wallmann dagegen ließ sich vom 200. Geburtstag des Helgoland-Fans Heinrich Heine inspirieren, organisierte 1997 unter anderem das Aufstellen einer Gedenktafel für den Schriftsteller. Dass sich sein erstes Buch in diesem Zusammenhang mit dem berühmten Literaten beschäftigte, ist kein Wunder: „Heinrich Heine auf Helgoland: Briefe, Berichte und Bilder aus den ersten Jahren des Seebads Helgoland“ lautet der Titel. Die Auflage bewegte sich ebenfalls im vierstelligen Bereich, kam gut an bei Insulanern und vor allem Tagesgästen.

„Helgoland – Eine deutsche Kulturgeschichte“, von Eckhard Wallmann.
„Helgoland – Eine deutsche Kulturgeschichte“, von Eckhard Wallmann. © Koehler-Verlag

Ein weiteres Buchprojekt des Pastors beschäftigte sich mit den Spuren, die der schwedische Schriftsteller August Strindberg auf dem roten Felsen hinterlassen hat: „Strindbergs Hochzeit auf Helgoland: Briefe, Berichte und Bilder aus der Blütezeit des Seebads Helgoland“.

Zeit zwischen den Kriegen war weitgehend unerforscht

Ein Kapitel der jüngeren Inselgeschichte wurde bis dato kaum beleuchtet: die Zeit zwischen den Weltkriegen. Eckhard Wallmann hat diese Lücke 2012 mit dem Buch „Eine Kolonie wird deutsch“ geschlossen. Dem Pastor wurde nach vielen Gesprächen vor allem mit älteren Insulanern klar, dass die Zeit zwischen den beiden Kriegen auf der Insel weitgehend unaufgearbeitet und unerforscht war.

Wer etwas wusste, sagte es nicht oder konnte es vielleicht auch nicht erzählen. Wallmann tauchte auf der Suche nach Spuren und Dokumenten tief ab in Geschichtsarchive. Besonders aufschlussreich waren dabei die Akten des Obersten Parteigerichts der NSDAP, die im Bundesarchiv lagern. Aber auch KZ-Archive hat er einsehen können.

Wallmanns sind seit 2002 als Pastoren in Norderstedt tätig

Ein weiteres Thema, das Eckhard Wallmann in diesem Zusammenhang bearbeitet und zusammen mit Astrid Friederichs veröffentlicht und herausgegeben hat, ist das Buch „Zwangsarbeit auf Helgoland im Zweiten Weltkrieg“.

Im Jahr 2002 verließ die Familie Wallmann Helgoland. Seitdem sind die Seelsorger in der Johanneskirche im Norderstedter Ortsteil Friedrichsgabe tätig. Auch dort ist Eckhard Wallmann aktiv in der Aufarbeitung lokaler Geschichte, hat mit anderen Autoren mehrere Beiträge zu dem vom Heimatbund Norderstedt herausgegebenen Buch „Friedrichsgabe, Aufsätze zur Geschichte“ verfasst und einen Geschichtspfad initiiert.

Nordseeinsel Norderstedter Pastoren arbeiten am nächsten Helgoland-Buch

Losgelassen hat der rote Felsen das Pastorenpaar nicht. Ab und an fahren die beiden zu einem Besuch dorthin, und natürlich sind die Bücher über den roten Felsen fester Bestandteil ihrer umfangreichen Bibliothek in Norderstedt. Dort findet sich übrigens auch eine Ausgabe des „Kafka-Kurier Numero 4“, einer Heftreihe für eingefleischte Fans des berühmten Schriftstellers Franz Kafka. Eckhard Wallmann hatte die Herausgeber mit seinen Texten über Kafkas Aufenthalt auf dem roten Felsen auf sich aufmerksam gemacht, und so steht sein Aufsatz „Kafka auf Helgoland“ in jener Ausgabe an erster Stelle.

Es überrascht daher nicht wirklich, dass Eckhard Wallmann bereits an einem neuen Projekt über Helgoland arbeitet. Es beschäftigt sich mit der Geschichte der Helgoländer Fotografen. „Schensky war nicht der erste!“ Man darf gespannt sein.