Elmshorn/Itzehoe. Hussein M. brachte nach Ansicht der Anklägerin im Juli 2022 heimtückisch zwei Frauen um. Die Verteidigung sieht das anders.
Hussein M. soll lebenslang hinter Gitter – weil er am 9. Juli 2022 in Elmshorn zwei Frauen heimtückisch ermordet hat. Das forderte Staatsanwältin Janina Seyfert am Montag vor dem Landgericht Itzehoe in ihrem Schlussvortrag. Verteidigerin Katja Münzel geht hingegen nur von einem Totschlag aus, hält neuneinhalb Jahre für tat- und schuldangemessen.
Der neunte Prozesstag vor der Schwurgerichtskammer, die seit dem 4. Januar gegen den Angeklagten verhandelt, stand ganz im Zeichen der Plädoyers. Für Anklägerin Janina Seyfert ist klar: „Es gibt keine Zweifel, dass es sich nicht um eine vorsätzliche und geplante Tat handelt.“
Elmshorn: Doppelmord – Staatsanwältin fordert lebenslänglich
Hussein M., der aus Eritrea stammt, habe seine Cousine Zahra H. (23) im Jahr 2015 in einem Flüchtlingslager in Ägypten wiedergetroffen. Beide seien später nach Deutschland gelangt – der 30-Jährige lebte in Tuttlingen im Schwarzwald, Zahra H. in Elmshorn – und hätten dort eine Beziehung begonnen.
Keine intime – aber eine, in die der Angeklagte nach Ansicht der Staatsanwältin große Hoffnungen setzte. „Er wollte sie heiraten, hat ihr wertvolle Geschenke gemacht, ihr finanziell ausgeholfen und sie bei Behördensachen unterstützt.“ Doch die Hoffnungen auf eine langfristige Beziehung hätten sich zerschlagen.
Das Mordmotiv laut der Anklägerin: Der 30-Jährige fühlte sich gekränkt
Das habe der 30-Jährige nicht verwunden. „Was das Motiv für die Tötung der beiden Frauen angeht, ergibt sich das deutliche Bild einer Kränkung.“ Der Angeklagte habe die spätere Zurückweisung durch Zahra H. nicht ertragen, habe sich ausgenutzt gefühlt.
Und er habe ihre Mitbewohnerin Yusra B. (19) als treibende Kraft hinter dem Beziehungsabbruch vermutet. Im Anschluss habe er immer wieder gegen den erkennbaren Willen von Zahra H. versucht, mit ihr Kontakt aufzunehmen. Auch ihren Bruder und ihren Onkel habe er kontaktiert, um seine Geschenke zurückzuerhalten.
Angeklagter war mit einem Kontaktverbot belegt
Am 27. Mai sei Hussein M. nach Elmshorn gereist, habe stundenlang an der Wohnungstür der Frauen geklingelt und geklopft, sie telefonisch und per WhatsApp kontaktiert. Er habe dann ein Foto der Wohnungstür gemacht und dieses Zahra H. geschickt. Die habe am Folgetag auf Betreiben ihrer Mitbewohnerin Strafanzeige gegen den Angeklagten erstattet, der mit einem Kontaktverbot belegt wurde.
Das habe Hussein M. nicht davon abgehalten, am Abend des 8. Juli in Tuttlingen einen Zug Richtung Elmshorn zu besteigen. „Die Zugfahrt dauert acht Stunden und sieben Minuten. Eine lange Zeit, in der sich der Angeklagte hätte umentscheiden können“, so die Staatsanwältin.
Hussein M. bestellte drei Wochen vor der Tat im Internet ein Survival Messer
Doch der habe bereits vorher den Entschluss gefasst, beide Frauen zu töten. Spätestens seit dem 18. Juni, als er auf Amazon ein Survival Messer – die spätere Tatwaffe – bestellt habe. Gegen 10 Uhr am 9. Juli sei Hussein M. in Elmshorn eingetroffen und habe sich sofort zu dem Mehrfamilienhaus an der Friedenstraße begeben, in dem die beiden Frauen eine Zwei-Zimmer-Wohnung in der obersten Etage bewohnten.
Der 30-Jährige habe bei einem Nachbar geklingelt, sich auf diese Weise Zutritt zu dem Gebäude verschafft und sich vor der Tür der beiden Frauen versteckt. „Er harrte dort mit dem Messer in der Hand getreu seinem Tatplan so lange aus, bis eines der Opfer die Tür öffnete“, so die Staatsanwältin.
Angeklagter soll stundenlang vor der Tür der Opfer gelauert haben
Dies habe letztlich Zahra H. getan, die zwischen 12.30 und 12.45 Uhr den Müll runterbringen wollte. Daraufhin habe der Angeklagte, das Messer in der rechten Hand haltend, mit der linken Hand die Tür aufgedrückt und die Frau zurück in die Wohnung gedrängt.
„Das Opfer hatte keinen Fluchtweg mehr, weil ihm der Täter im Weg stand.“ Daraufhin sei Zahra H. zurück in die Wohnung geflüchtet. Der Angeklagte habe sie verfolgt und von hinten mehrfach auf sie eingestochen.
Der 30-Jährige trat der sterbenden Frau auf den Brustkorb
Als die 23-Jährige nach 18 Messerstichen am Boden lag und kein Lebenszeichen mehr aufgewiesen habe, sei Hussein M. ihr noch auf den Brustkorb gestiegen, sodass zwei Rippen brachen. Yusra B. habe die Tat quasi in Schockstarre miterlebt, sie sei im Anschluss dann von dem 30-Jährigen mit 20 Messerstichen niedergemetzelt worden.
„Beide Frauen hatten keine Überlebenschance“, so Seyfert. Bereits die Vorgehensweise des Angeklagten, der die Arg- und Wehrlosigkeit der Opfer ausgenutzt habe, lasse einen Rückschluss auf seinen Tötungsvorsatz zu. Hussein M., der sich nach kurzer Flucht letztlich der Polizei stellte, habe im Ermittlungsverfahren die Taten auch genau auf diese Weise gestanden.
Staatsanwältin bezeichnet geänderte Aussage des Angeklagten „als unglaubwürdig“
Seine geänderte Aussage in dem Verfahren bezeichnete die Staatsanwältin als unglaubwürdig und durch die Beweisaufnahme widerlegt. Sie beantragte eine Verurteilung zu lebenslänglicher Haft wegen zweifachen heimtückischen Mordes. Eine besondere Schwere der Schuld soll das Gericht nach Ansicht Seyferts nicht verhängen.
Dieses würde im Fall einer Verurteilung zu lebenslänglicher Haft eine vorzeitige Haftentlassung ausschließen. Sie kann bei guter Führung frühestens nach 15 Jahren gewährt werden – ausgenommen dann, wenn eine besondere Schwere der Schuld vom Gericht festgestellt wird.
Verteidigerin hatte das Geständnis des Angeklagten widerrufen lassen
Geht es nach Verteidigerin Katja Münzel, dann hat Hussein M. lediglich einen Totschlag verwirklicht. Sie verwies auf die neue Aussage ihres Mandanten, der zu Prozessbeginn sein bei der Polizei abgelegtes Geständnis widerrufen ließ.
Der 30-Jährige habe eine liebevolle Beziehung mit Zahra H. geführt und wisse bis heute nicht, warum diese ihn ab Mai 2022 plötzlich völlig anders behandelt habe. Er sei Anfang Juli nochmals nach Elmshorn gereist, weil er unbedingt mit ihr reden wollte.
Angeklagter hat aus Sicht der Verteidigung normal vor der Tür gewartet
Hussein M. sei in das Haus gelangt, weil dort gerade andere Personen reingingen. Er habe sich nicht mit dem Messer in der Hand vor der Wohnungstür auf die Lauer gelegt, sondern dort ganz normal gewartet.
Als Zahra H. die Tür öffnete und den Angeklagten sah, habe sie sofort zu schreien begonnen und sei in die Wohnung zurückgewichen. Der 30-Jährige sei ihr gefolgt und habe in seinem Rucksack nach seinem Handy gesucht, weil er den Bruder der Frau anrufen wollte.
Das Messer habe der Angeklagte als Drohkulisse einsetzen wollen
Die habe nicht zu schreien aufgehört. Ihr Mandant sei dann in dem Rucksack zufällig auf sein Messer gestoßen und habe es als Drohkulisse rausgeholt. Weil sie weiter schrie, sei er wütend geworden und habe von hinten zugestochen.
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„An 18 Stiche kann er sich nicht erinnern“, so Katja Münzel. Gleiches gelte für die 20 Stiche im Fall Yusra B., so die Verteidigerin. Sie sagt: „Mein Mandant handelte nicht heimtückisch, die Frau hätte die Tür auch wieder zuwerfen können.“ Sie halte eine Verurteilung wegen Totschlags zu neun Jahren und sechs Monaten Haft für tat- und schuldangemessen.
Das Urteil soll am Dienstagnachmittag verkündet werden
Hussein M. hatte nach den Plädoyers das letzte Wort – und nutzte es für eine Entschuldigung. „Es tut mir wirklich leid, das bin nicht ich. Ich möchte mich bei jedem entschuldigen, der in Deutschland lebt.“ Die Urteilsverkündung erfolgt am Dienstag, 28. März, um 14 Uhr.