Elmshorn/Itzehoe. Hussein M. wohnt im Süden Baden-Württembergs – er soll mit dem Ziel, die 23-Jährige Zahra zu töten, nach Elmshorn gekommen sein.
Die Anklageschrift macht fassungslos. Sie belegt, wie planvoll Hussein M. (30) am 9. Juli vorgegangen ist, als er in Elmshorn die Freundinnen Zahra H. (23) und Yusra B. (19) getötet hat. Er klingelt bei einem Nachbarn, der ihm per Summer die Tür des Mehrfamilienhauses öffnet. Dann postiert sich der Mann aus Eritrea, das Messer griffbereit in der Hand, mehr als zwei Stunden im Treppenhaus vor der Eingangstür zur Wohnung der Frauen. Als Zahra H. schließlich nichtsahnend die Wohnungstür öffnet, schlägt der mutmaßliche Mörder zu.
So hat die Staatsanwaltschaft die Bluttat rekonstruiert. Als Staatsanwältin Maxi Wantzen am Mittwoch zum Prozessauftakt die Anklage vor der Schwurgerichtskammer des Landgerichts Itzehoe verliest, hört der 30-Jährige ruhig zu. Ruhig, eiskalt und überlegt soll er auch am Tattag, einem Sonnabend, gehandelt haben. „Er kam gegen 10 Uhr aus Tuttlingen in Baden-Württemberg in Elmshorn an und begab sich zu dem Mehrfamilienhaus an der Friedenstraße, um die beiden Frauen zu töten“, so Wantzen. Das Motiv sei gekränkte Eitelkeit gewesen. „Er war beleidigt und gekränkt über die gescheiterte Liebesbeziehung zu einem der Opfer.“
Angeklagter hatte das Opfer zuvor besucht, ihm sogar Geschenke gemacht
Nach Abendblatt-Informationen stand der aus Eritrea stammende Angeklagte, der 2017 als Asylbewerber nach Deutschland kam, seit längerem in Kontakt mit Zahra H., die ebenfalls aus dem Land im Nordosten Afrikas stammt. Er soll die junge Frau, die erst wenige Monate mit ihrer Freundin in Elmshorn lebte, zuvor in der Krückaustadt besucht und ihr dabei auch Geschenke gemacht haben. Diese Präsente soll die 23-Jährige auch behalten, sich jedoch nicht mehr bei Hussein M. gemeldet haben. Dies konnte der Mann offenbar nicht verwinden. Er soll dem späteren Opfer regelrecht nachgestellt haben, sodass der Fall bei der Polizei aktenkundig wurde. An seinem Wohnort sollen Beamte mit dem Mann sogar eine sogenannte Gefährderansprache geführt haben.
Wie gefährlich der Angeklagte sein kann, zeigt er am 9. Juli. Laut Anklageschrift hat er das Messer mit einer Klingenlänge von neun Zentimetern bereits aus Baden-Württemberg mitgebracht, es konnte nach der Tat vor dem Gebäude sichergestellt werden. Nachdem er sich Zutritt zu dem Mehrfamilienhaus verschafft hatte, wartete er im dritten Stock im Treppenhaus geduldig darauf, dass sich die Wohnungstür der beiden Frauen öffnet. Gegen 10.30 Uhr soll der 30-Jährige das Gebäude betreten haben. Als Zahra H. die Tür schließlich aufmacht, ist es bereits zwischen 12 und 12.50 Uhr.
„Er drückte mit der linken Handseite die Tür auf, in der rechten Hand hielt er das Messer“, so die Staatsanwältin. Hussein M. habe dem Opfer, das nicht mit einem Angriff rechnen konnte, den Fluchtweg aus der Wohnung versperrt. Zahra H. habe noch versucht, zurück in das Wohnzimmer zu flüchten. Bereits im Flur habe sie den ersten Stich in den Rücken erhalten, in der Folge habe der Angeklagte immer weiter auf den Oberkörper der Frau eingewirkt. In der Anklage sind 18 Stich- und Schnittverletzungen aufgeführt, dabei wurde mehrfach die Brust- und Bauchhöhle geöffnet.
Als die sterbende Frau am Boden lag, „trat der Angeklagte auf ihren Oberkörper, sodass es zu einem doppelten Rippenbruch kam“, heißt es weiter. Zahra H. starb an einer Kombination aus Verbluten, einem doppelten Pneumotorax (Luftansammlung im Brustkorb) sowie einer Bluteinatmung.
„Als die Frau keine Lebenszeichen mehr von sich gab, wandte sich der Angeklagte dem zweiten Opfer zu“, so Wantzen weiter. Yusra B. habe sich im Wohnzimmer aufgehalten, den Mord an ihrer Freundin mitansehen müssen. „Für sie führte kein Weg aus der Wohnung, ohne an dem Angeklagten vorbei zu müssen“, so die Staatsanwältin. Der habe sich dann regelrecht auf die jüngere Frau gestürzt und ebenfalls wie von Sinnen mit dem Messer auf ihren Oberkörper eingestochen. Das zweite Opfer weise 20 Schnitt- und Stichverletzungen auf, der Tod sei durch den großen Blutverlust, dem Einatmen des Mageninhalts, einer Überblähung der Lunge und einem Hirnödem eingetreten.
Bei seiner Flucht aus der Wohnung begegnete Hussein M. einem Bewohner des Hauses, den die Schreie aus der Wohnung aufgeschreckt hatten. Er könnte am nächsten Prozesstag, dem 23. Januar, als Zeuge der Anklage aussagen. Zuvor will sich der 30-Jährige selbst zu den Vorwürfen äußern. Seine Pflichtverteidigerin Katja Münzel kündigte an, an diesem Termin eine Erklärung im Namen ihres Mandanten verlesen zu wollen. Im Anschluss sei Hussein M.auch bereit, Fragen der Prozessbeteiligten zu beantworten. Diese Einlassung dürfte einem Geständnis gleichkommen.
Alles andere wäre eine Überraschung. Denn die Beweislast gilt als erdrückend, außerdem soll sich der Mann aus Eritrea bereits im Ermittlungsverfahren zu den Tatvorwürfen geäußert haben. Hussein M. konnte noch vor dem Gebäude, in dem sich die Morde abgespielt haben, festgenommen werden. Ihm gehört zweifelsohne die sichergestellte Tatwaffe. Der Zeuge aus dem Treppenhaus könnte den 30-Jährigen möglicherweise als Täter wiedererkennen. Außerdem soll Blut der Opfer an der Kleidung des Angeklagten nachgewiesen worden sein.
Trotz des vorgeworfenen zweifachen Mordes können die Richter im Fall einer Verurteilung nicht zweimal lebenslänglich verhängen. Dem Angeklagten droht aber lebenslange Haft, vermutlich mit der zusätzlichen Feststellung der Schwere der Schuld. „Wir streben das an“, sagt dazu Staatsanwältin Wantzen.
In diesem Fall ist selbst bei guter Führung eine Freilassung nach 15 Jahren nicht möglich, mindestens 18 Jahre Gefängnis wären die Folge. Um die furchtbare Bluttat aufzuarbeiten, hat die Schwurgerichtskammer zunächst insgesamt neun Prozesstage anberaumt. Sollten diese ausreichen, wäre mit dem Urteil bereits Ende Februar zu rechnen.