Elmshorn/Itzehoe. Im Prozess um den doppelten Femizid von Elmshorn widerruft Hussein M. sein Geständnis. Rechtlich würde das viel verändern.
Er soll zwei Leben ausgelöscht haben. Brutal und heimtückisch. Doch Hussein M. (30), der wegen Doppel-Mordes vor der Schwurgerichtskammer des Landgerichts Itzehoe steht, will sich dazu nicht bekennen. Am Beginn des zweiten Prozesstages ließ er Verteidigerin Katja Münzel sein bei der Polizei abgelegte Geständnis widerrufen. Gestanden hat er im Anschluss dann zwar – aber keinen Mord, sondern lediglich einen Totschlag.
Doppelmord Elmshorn: Stellen die Richter besondere Schwere der Schuld fest?
Juristisch gesehen ist das ein großer Unterschied. Mord wird immer mit einer lebenslangen Haftstrafe geahndet, eine Freilassung ist frühestens nach 15 Jahren möglich. Im Fall der Opfer Zahra H. (23) und Yusra B. (19), die am 9. Juli in ihrer Elmshorner Wohnung durch die Hand des Angeklagten starben, könnte das Gericht zudem eine besondere Schwere der Schuld feststellen.
Das kündigte der Vorsitzende Richter Johann Lohmann zu Beginn des Verhandlungstages an – und machte deutlich, dass die Kammer neben der in der Anklage aufgeführten Heimtücke auch das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe für möglich hält. Sollte das Gericht am Ende des Verfahrens die Schwere der Schuld feststellen, kann Hussein M. auch bei guter Führung nicht nach 15 Jahren entlassen werden. In diesem Fall würde das Vollstreckungsgericht regelmäßig überprüfen, ob die Schuld gesühnt ist und die Strafe zur Bewährung ausgesetzt werden kann.
Bei Totschlag können die Richter zwischen fünf und 15 Jahren Haft verhängen, in besonders schweren Fällen kommt auch eine lebenslange Freiheitsstrafe in Betracht. Letzteres wird aber nur selten angewandt.
Angeklagter hat 23-Jährige per WhatsApp als „Schlampe“ beleidigt
Verteidigerin Münzel stützt den Widerruf auf die Tatsache, dass ihr Mandant während des Geständnisses nicht anwaltlich vertreten war. „Er wollte von seinem Schweigerecht Gebrauch machen, wurde aber von der Polizei unter Druck gesetzt.“ In seiner, von der Verteidigerin verlesenen Erklärung gibt Hussein M. an, er habe Zahra H. im Juni 2015 in Ägypten kennen gelernt. „Wir haben uns einander versprochen, es entstand eine liebevolle Beziehung.“ Wie in seiner Kultur üblich, habe er die junge Frau bereits vor der Hochzeit großzügig beschenkt – mit einem Kaffeeservice, einer Goldkette und einem Mobiltelefon im Gesamtwert von 4000 Euro.
Doch seit Mai 2022 habe die 23-Jährige ihr Verhalten geändert („Den Grund kenne ich bis heute nicht“), keine liebevollen Worte mehr für ihn übrig gehabt. Ende Mai sei er darum von Tuttlingen in Baden-Württemberg nach Elmshorn gereist, dort um 3 Uhr nachts angekommen. Zahra H. habe seine zwei WhatsApp-Nachrichten zwar gelesen, sie aber nicht beantwortet. Als er unverrichteter Dinge zurückfuhr, habe er die Frau per WhatsApp als „Schlampe“ beleidigt, die habe ihn daraufhin gesperrt.
Der Angeklagte wollte seine Geschenke zurückhaben
In der Folge, so der aus Eritrea stammende Hussein M., habe er mehrfach Kontakt mit Mitbewohnerin Yusra B. aufgenommen, unter anderem, um seine Geschenke zurückzubekommen. Die habe ihn als „Hurensohn“ bezeichnet, weswegen er sich an den Onkel und den Bruder von Zahra H. gewandt habe und am 9. Juli erneut nach Elmshorn gereist sei.
Entgegen seiner polizeilichen Aussage bestritt der Angeklagte, sich durch Klingeln bei einem Nachbarn Zutritt zu dem Mehrfamilienhaus an der Friedenstraße verschafft zu haben. Er will sich dort zwei Leuten, die ins Haus gingen, angeschlossen haben. Auch sei es nicht zutreffend, dass er mehrere Stunden, mit dem Messer in der Hand, vor der Wohnungstür der Frauen gelauert habe. Er habe, so Hussein M., zu dem Zeitpunkt gar nicht registriert, dass er ein Messer dabeihabe.
Angeklagter erinnert sich nicht an die Zahl der Stiche
Etwa zwei Stunden nach seinem Eintreffen habe Zahra H. die Tür geöffnet, er habe sie zurück in die Wohnung gedrückt und sei hinterhergekommen. „Sie schrie ohne Unterbrechung, da besann ich mich, dass ich ein Messer dabei hatte.“ Er habe es aus der Jackentasche genommen und aufgeklappt – angeblich nur als Drohgebärde. Doch als die 23-Jährige weiter schrie, sei er derart wütend geworden, dass er sie zunächst einmal in die Schulter gestochen habe. Es folgten weitere Stiche. „Dass es 18 Stiche waren, erinnere ich nicht.“
Yusra B. habe nur dabeigesessen, nichts gesagt. Im Anschluss habe er auch auf sie eingestochen – laut Anklage 26-mal. Auch diese hohe Anzahl will der 30-Jährige nicht erinnern. Das ganze Geschehen habe nicht lange gedauert, eine Minute, vielleicht zwei, drei oder vier Minuten. „Ich hatte niemals die Absicht, sie zu töten, ich dachte, sie wären nur verletzt.“ Das alles tue ihm unendlich leid. „Wenn ich könnte, würde ich es rückgängig machen.“
Ein Ohrenzeuge schildert, was er am Telefon zum Tatzeitpunkt gehört hat
Ob diese Aussagen glaubwürdig sind, das müssen am Ende die drei Richter und die beiden Schöffen entscheiden. Montag sagte mit Ahmad S. (31) die Person aus, die zur Tatzeit mit Yusra B. telefonierte. „Ich hatte sie an dem Tag angerufen, um ihr zu gratulieren.“ Sie habe kurz nach 12 Uhr zurückgerufen, beide hätten sich etwa 25 Minuten über ganz alltägliche Dinge unterhalten. „Plötzlich habe ich Schreie gehört, die kamen von ihrer Freundin.“
Er habe mehrfach bei Yusra nachfragt, was passiert sei. Eine Antwort bekam er nicht. „Dann hat sie zwei oder dreimal geschrien, ich hörte so etwas wie ‘Geh weg, geh weg!’, dann war die Leitung unterbrochen.“ In der Folge seien mehrere Anrufversuche fehlgeschlagen. „An Mord habe ich nicht gedacht.“
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Doppelmord Elmshorn: Hausbewohner hörten laute Schreie
Habibullah A. (37) und seine Frau Golmine (29) wohnen eine Etage unter der Wohnung der Frauen. Beide berichten von ganz lauten Schreien, die sie hörten, jedoch nicht lokalisieren konnten. „Es war heftig, klang, als ob jemand Angst hat. Wir dachten, die kämen von draußen.“ Seine Frau sei nach unten gelaufen, habe dort nichts gefunden. „Ich bin ins Treppenhaus, da lief ein Mann an mir vorbei“, so Habibullah A.. Er habe ihn noch gefragt, ob er für das Problem verantwortlich sei. „Er sagte, ja, aber das ist jetzt vorbei.“
Der Mann habe dabei ganz ruhig gewirkt. „Wir dachten, dass es sich um einen Familienstreit gehandelt hat.“ Dann, so der Zeuge, habe er einen frischen Blutfleck vor seiner Wohnungstür entdeckt – und einen weiteren auf der Etage der beiden Frauen. „Ohne die Blutflecke hätten wir wohl nichts unternommen.“Dann jedoch habe er die Polizei gerufen. Der Prozess wird nächste Woche fortgesetzt.