Schenefeld. Zu eng, zu klein, zu alt – und jetzt auch noch doppelt so teuer: Die Sanierung sollte im Sommer beginnen, wird nun aber verschoben.
Im Sommer sollte die Modernisierung des Schulzentrums Schenefeld starten. Geplant war, dass die mehr als 1100 Schüler von Gymnasium und Gemeinschaftsschule einen Container-Interimsstandort auf der Bürgerwiese beziehen sollten – damit Bauarbeiter ins Anfang der 70er-Jahre errichtete Schulzentrum vorrücken können. Doch daraus wird nichts.
Auch das kommende Schuljahr werden die Schüler im maroden Gebäude verbringen – und keine Bauarbeiter sehen. Grund: Die Kosten der Modernisierung, 2019 noch auf 42 bis 45 Millionen Euro geschätzt, haben sich mehr als verdoppelt. Bis zu 100 Millionen Euro waren zuletzt im Gespräch. „Das kann die Stadt nicht stemmen“, sagt dazu Bürgermeisterin Christiane Küchenhof.
Schenefeld: Kostenexplosion – wie geht es mit dem Schulzentrum weiter?
Alle Fraktionen haben sich während einer Krisensitzung darauf verständigt, zunächst bis zu den Sommerferien nach alternativen Lösungen und Finanzierungskonzepten zu suchen. Ein Beginn der Modernisierung könnte dann frühestens im Sommer 2024 erfolgen.
Ursprünglich war geplant, das Projekt 2025 abzuschließen. Das war die Vorgabe, als die Stadt 2018 das Büro Drees & Sommer aus Kiel als Projektsteuerer verpflichtete. Es schloss sich ein Architektenwettbewerb an, den 2021 das Büro Kleyer, Koblitz, Letzel, Freivogel aus Berlin für sich entschied.
Sanierung und Modernisierung sollte eigentlich 2025 abgeschlossen sein
„Das war eine sehr gute Planung, in die die Schulleitungen einbezogen waren“, sagt Jörg Frobieter, Direktor des Gymnasiums. Beide Schulen hätten das Konzept vollumfänglich mitgetragen.
„Die Modernisierung ist alternativlos“, sagt Frobieter. Er würde sich sehr wünschen, dass die bisherige Planung eins zu eins umgesetzt wird – trotz der Kostensteigerung. „Ich habe den Eindruck, dass der Schulträger sehr bemüht ist“, so der Chef des Gymnasiums.
Leiter des Gymnasiums hält das Projekt für alternativlos
Woher das Geld kommen soll, weiß allerdings auch Frobieter nicht. Was er weiß, ist, dass es allmählich eng wird im Gymnasium. „Aktuell haben wir 680 Schüler, im nächsten Schuljahr werden es mehr als 700 sein.“ Die DAZ-Schüler mitgerechnet, würden dann 750 Kinder die Schule besuchen.
„Irgendwann weiß ich nicht mehr, wo ich die alle unterbringen soll.“ Das Gymnasium werde 105 Fünfklässler neu aufnehmen, im Gegenzug ein sehr kleiner Abijahrgang die Schule verlassen. Die Rückkehr zu G9 verschärfe die Situation zusätzlich.
Auch Chef der Gemeinschaftsschule wünscht sich Umsetzung der bisherigen Pläne
In der Gemeinschaftsschule ist die Lage ebenfalls angespannt. „Als ich 2016 hier angefangen habe, waren die Räume schon sanierungsbedürftig“, sagt Schulleiter Dirk Ziegenhagen. Das gelte insbesondere für den Trakt der ehemaligen Realschule.
„Das ist für alle eine große Belastung, für Schüler, aber auch für die Lehrer. Da leidet auch die Motivation“, so Ziegenhagen. Er fordert schnellstmögliche Entscheidungen der Politik und wünscht sich eine Umsetzung der bisherigen Planungen.
Situation gerade an der Gemeinschaftsschule ist kaum noch zumutbar
„Wir hatten uns auf ein Raumprogramm verständigt, das nur das vorsah, was für unsere Schule notwendig ist.“ Einsparpotenzial sieht der Chef der Gemeinschaftsschule daher keines. „Wir haben ja keine Luxusschule geplant.“
Die ehemaligen Gebäude von Haupt- und Realschule würden schon lange keine Unterricht zulassen, wie er heute von einer Gemeinschaftsschule gefordert wird. Ein Beispiel: Differenzierungsräume. „Wir nutzen jede Ecke aus, die nicht Fluchtweg ist“, beschreibt der Schulleiter die Situation.
Schlechte Bausubstanz kostet der Gemeinschaftsschule Schüler
So würden etwa unter Treppen Tische und Stühle gestellt, um Gruppenarbeit möglich zu machen. Zu den Raumproblemen komme komme die marode Bausubstanz erschwerend hinzu. Ziegenhagen spricht von Schimmel in den Ecken und undichten Dächern, durch die es rein regnet.
Ein Elternpaar aus Lurup, das auf der Suche nach einer weiterführenden Schule war, habe gleich kehrtgemacht, kaum dass es das Schulgebäude betreten habe. „Bisher konnten wir das alles noch einigermaßen auffangen“, sagt Ziegenhagen.
Bis zum Sommer will die Stadt Wege einer alternativen Finanzierung suchen
Inzwischen sei die schlechte Bausubstanz immer öfter Argument dafür, die Gemeinschaftsschule nicht auszuwählen. Und auch neue Lehrkräfte seien unter diesen Bedingungen nur sehr schwer von einem Engagement in Schenefeld zu überzeugen.
Alles Probleme, die auch die Kommunalpolitiker und die Verwaltungsleitung kennen. „Wir werden alles in Bewegung setzen, um zu modernisieren“, verspricht Bürgermeisterin Christiane Küchenhof. Bis zu den Sommerferien wolle man eine alternative Finanzierung suchen.
Schenefeld: Zinsfreie Darlehen oder ÖPP-Projekt wären Alternativen
Eine Möglichkeit wären etwa zinsfreie Darlehen. Auch ein Projekt in Öffentlich-Privater Partnerschaft (ÖPP) sei nicht völlig ausgeschlossen. Auf diese Weise hatte Halstenbek seine beiden weiterführenden Schulen neu errichtet.
Die Baukosten trugen die Bau-Partner von hochtief beziehungsweise Goldbeck, die auch für die Unterhaltung zuständig sind. Die Gemeinde zahlt mehrere Jahrzehnte lang einen jährlichen festen Betrag für die Nutzung der Gebäude, nach Vertragsende fallen die Immobilien an die Kommune.
Politiker aus Schenefeld sprechen sich für die Modernisierung aus
Schenefelds Politiker sprachen sich in einer Abendblatt-Umfrage für die Modernisierung aus, ohne zunächst eine Lösung für die Kostenexplosion parat zu haben.
„Das ist ein komplexes, schwieriges Thema“, so Andreas Wilken (Offensive für Schenefeld, OfS). Er weist darauf hin, dass parallel zu der Kostensteigerung auch die Zinsen stark nach oben gesprungen sind. „Die Stadt kann sich nicht für Jahrzehnte so verschulden, dass nichts anderes mehr geht.“
Stadt kann Kosten von 100 Millionen Euro nicht alleine stemmen
Monika Stehr (SPD) macht deutlich, dass die Stadt die aktuell genannten Summen keinesfalls alleine stemmen könne. „Wir wurden alle davon überrascht, dass die Kosten derart davongelaufen sind.“ Auch die bisher zugesagten Landesmittel würden „vorne und hinten nicht ausreichen“, die Stadt in die Lage zu versetzen, das Projekt anzugehen.
„Wir wollen modernisieren“, betont CDU-Fraktionschef Hans-Jürgen Rüpcke. Das Problem Kostensteigerung und Zinsexplosion hätten alle Kommunen. Schenefelds CDU habe bereits Bildungsministerin Karin Prien eingeschaltet und um Hilfe gebeten. Eine Lösung könne eine Zinsübernahme durch das Land sein.
BfB war als einzige Fraktion gegen Modernisierung und für kompletten Neubau
BfB-Chef Manfred Pfitzner verweist darauf, dass seine Fraktion ursprünglich gegen die Modernisierung des Schulzentrums gewesen sei. „Wir wollten einen Abriss der Gebäude und einen Neubau des Schulzentrums auf der Bürgerwiese.“ Dies sei jedoch mit den anderen Parteien nicht durchsetzbar gewesen. Wäre dies so beschlossen worden, „wären bestimmt schon einige Mauersteine verbaut worden.“
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Für Mathias Schmitz von Bündnis 90/Die Grünen sind noch „viele offene Fragen zu klären“. Seine Partei habe bereits Landtagsfraktionschefin Eka von Kalben und den schulpolitischen Sprecher der Fraktion, Malte Krüger, eingeschaltet. Ein Termin mit der CDU-Bindungsministerin Karin Prien werde angestrebt.
Chef der Grünen spricht von „Verfall an allen Ecken und Enden“
Bei seiner letzten Visite im Schulzentrum sei er „tief schockiert“ gewesen. Schmitz spricht vom „Verfall an allen Ecken und Enden“, von total vernachlässigter baulicher Unterhaltung.
Klar sei jedoch auch, dass sich die Stadt eine Investitionssumme von 100 Millionen Euro nicht leisten könne. Weil viele Kommunen in Schleswig-Holstein vor ähnlichen Problemen stehen, fordert Schmitz eine Hilfsinitiative des Landes – zumindest über vergünstigte Kommunalkredite.
Mehrere Fraktionen fordern das Land auf, Schenefeld in dieser Situation zu helfen
Aufgrund des aktuellen Zinsniveaus könne Schenefeld eine derartige Verschuldung nicht stemmen, weil dies angesichts der anderen wichtigen Projekte wie etwa der Stadtkernneugestaltung den finanziellen Handlungsspielraum der Stadt auf Jahre komplett abwürge.
Peter Venthien von der FDP Schenefeld spricht angesichts der Kostenexplosion von einer „Katastrophe“. Seine Partei habe ebenfalls in einem Brief die CDU-Bildungsministerin um Hilfe in der Angelegenheit gebeten. Venthien fordert das Land auf, Flagge zu zeigen. „Das kann nicht allein auf den Schultern der Stadt abgeladen werden.“