Osterhorn/Kreis Pinneberg. Umweltbehörde sieht keine erhebliche Störung der Tiere und weist Anzeige des BUND ab. Auch der ADAC meldet sich zu Wort.
Jetzt wird trotz befürchteter Schwanenvergrämung doch weiter gebohrt: Die Baugrund-Untersuchungen für das A20-Teilstück durch den Kreis Pinneberg werden nun wie geplant in dieser Woche beginnen. Die Untere Naturschutzbehörde (UNB) des Kreises hat die Anzeige des Bundes- für Natur- und Umweltschutz (BUND) zurückgewiesen.
„Aus Sicht der Unteren Naturschutzbehörde liegt hier keine erhebliche Störung der Zwergschwäne vor“, teilt Kreissprecherin Katja Wohlers dazu mit. Als eine „erhebliche Störung“ bewerte das Bundesnaturschutzgesetz, wenn „durch die Störung der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art verschlechtert“.
A20: Bohrungen gehen trotz Schwanenflucht in der Au weiter
Wie berichtet sehen das Naturschützer anders. Als eine solche erhebliche Störung hatten Marina Quoirin-Nebel von der BUND-Kreisgruppe und ihre Mitstreiter vom Naturschutzbund Nabu schon die Vorarbeiten für die ersten Probebohrungen in Osterhorn bewertet.
Dort hatten sich bis Ende Januar nach Zählungen von Naturschützern und Vogelkundlern bis zu 330 Zwergschwäne aufgehalten, die aus der russischen Tundra in den Westen fliegen, um hier zu überwintern. Durch die Arbeiten der A20-Planungsgesellschaft Deges sei diese bedrohte Wasservogelart aber nachhaltig verscheucht worden und von der Bildfläche verschwunden, kritisierten die Naturschützer.
A20-Bau: Umweltschützer sind „völlig anderer Auffassung als der Kreis“
Marina Quoirin-Nebel kündigt an, gegen den Entscheid der UNB Widerspruch einzulegen. „Wir sind hier völlig anderer Auffassung als der Kreis“, sagt sie. „Es handelt sich an der Hörner Au nicht etwa nur um Rast- und Wanderflächen für die Zwergschwäne. Die überwintern dort.“ Deshalb dürften sie dort auch nicht gestört werden.
Deges-Sprecher Ulf Evert dagegen betont, dass die Vorbereitungsarbeiten so behutsam vonstatten gegangen seien, dass keine Zwergschwäne vertrieben wurden. Darauf werde jetzt auch geachtet, wenn nun von Mittwoch bis Freitag tatsächlich mit der eigentlichen Untersuchung des möglichen Baugrunds für die geplante Autobahn an der Hörner Au begonnen wird.
Hier geht es um jenen Streckenabschnitt Nummer 6, der von der A23 bei Hohenfelde bis zur L114 bei Bokel den Kreis Pinneberg streift. Bis 2026 soll für dieses dann letzte Teilstück der A20 der Planfeststellungsbeschluss erreicht werden, so der Deges-Sprecher Evert.
A20-Bohrungen in 80 Zentimeter Tiefe – und in 25 Meter Tiefe
Insgesamt werden 63 Bohrungen in einer Tiefe von 80 Zentimetern bis 25 Meter ausgeführt, erläutert der Deges-Sprecher. „Wir wollen die dort rastenden Vögel nicht beeinträchtigen und schnell fertig sein“, kündigt dazu A20-Projektleiter Daniel Szerencsi an. Durch eine flankierende Umweltbaubegleitung sei für die nun noch anstehenden Bohraufschlüsse „gesichert, dass seitens der Deges alle Umweltauflagen eingehalten werden“, betont Szerencsi.
Dazu gehöre, dass nur werktags und nicht am Wochenende und auch nur bis Ende Februar gebohrt werden dürfe. Zudem müssten die Arbeiten sofort ausgesetzt werden, wenn sich eine Schar von 75 Zwergschwänen in einem Abstand von weniger als 300 Metern zu den Bohrungen aufhalten sollte, teilt die UNB weiter mit.
Naturschutzbehörde erteilt konkrete Auflagen für Autobahnbau
Diese konkrete Auflage habe die UNB der Deges erteilt. Für die Kreisverwaltung stelle sich die Situation aber nicht so dramatisch dar wie vom BUND behauptet. „Die Tiere wechseln ohnehin am Tag ihre Äsungsflächen. Auch ist eine Verringerung des Gesamtbestands am Schlafplatz nicht zu beobachten“, teilt die UNB mit.
„Hinzu kommt, dass das Verhalten der Zwergschwäne nicht eindeutig Folge der Baugrunduntersuchungen war. Auch andere Störungen kommen als Ursache in Betracht“, heißt es aus der Kreisverwaltung.
Deges will restliche Bohrungen in drei Tagen erledigen
„Wir sind uns sicher, die anstehenden Bohrungen innerhalb von drei Tagen erledigen zu können“, betont Projektleiter Daniel Szerencsi. „Unsere Umweltbaubegleitung wird die Arbeiten überwachen und jeden Tag neu entscheiden, ob wir die Flächen betreten können oder nicht.“ Sollten zwischenzeitlich wieder Zwergschwäne die Flächen nutzen, um zu rasten, würden die Bohrungsarbeiten um eine Woche verschoben.
Durch die Entscheidung der Kreis-Umweltbehörde sehen sich die A20-Planer in ihrer Einschätzung bestätigt, nicht gegen naturschutzrechtliche Bestimmungen verstoßen oder artenschutzrechtliche Beeinträchtigungen hervorgerufen zu haben. „Die erforderlichen Genehmigungen lagen vor. Das hat die Behörde jetzt noch einmal festgestellt“, sagt der Projektleiter.
ADAC will zügigen Ausbau der A20
Unterdessen plädiert der ADAC jetzt für einen zügigen Bau der A20, der schon zu lange verzögert worden sei. „Nach den vielen Ausgleichsmaßnahmen und den teuren Umsiedlungen von Fledermaus, Zwergschwan oder Haselmaus muss es jetzt doch Kompromisse und Lösungen geben, die dauerhaft Bestand haben und, wenn sie denn einmal beschlossen wurden, auch zügig umgesetzt werden können“, fordert Lars Münchau, Vorstand für Verkehr und Technik des Automobilclubs in Schleswig-Holstein.
Die Verkehrswende müsse sich mehr an der Lebenswirklichkeit der Menschen orientieren, findet Münchau. Schon heute würden die Autofahrer auf den Autobahnen in Schleswig-Holstein jährlich 7800 Stunden im Stau stehen. Das seien täglich 21 Stunden Stillstand auf einer Gesamtlänge von 14 Kilometern auf den 500 Kilometer langen Autobahnen.
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Außer dem zeitlichen Verlust und den wirtschaftlichen Kosten, die das verursache, werde dabei der Umwelt erheblicher Schaden zugefügt, warnt der ADAC-Mann. „Böse gesagt, es braucht gar keine Klimakleber mehr, der Verkehr klebt oft genug schon von allein auf der Straße.“
A20-Bohrungen: Auch der Elbtunnel wird entlastet
Dabei würden für den A20-Bau mehr ökologische Ausgleichsflächen geschaffen als Flächen versiegelt, betont Münchau. Die Autobahntrasse verbrauche 820 Hektar Land, während 2000 Hektar für den Pflanzen-, Tier- und Artenschutz dazukämen.
Wenn die A20 mit der neuen Elbquerung bei Glückstadt fertiggestellt sei, würden nah aktuellen Berechnungen täglich 20.000 Fahrzeuge weniger durch den A7-Elbtunnel und 3500 Pkw und Lkw weniger über die Elbbrücken in Hamburg fahren. Und auf der B206 in Bad Segeberg würde sich der Verkehr, der zurzeit täglich 13.400 Fahrzeuge mitten durch die Stadt quälen lässt, weil dort die A20 endet, nahezu halbieren.