Umweltschützer stellen Strafanzeige gegen Autobahnbehörde Deges. Mehr als 300 Tiere sind über Nacht verschwunden. Bohrungen ruhen.
- Zwergschwäne bei Probebohrungen zur A20 gestört
- Umweltschützer stoppen Arbeiten und stellen Strafanzeige gegen Autobahnbehörde
- Deges weist Vorwürfe des BUND zurück
Kreis Pinneberg. Streng geschützte Tiere seien rabiat gestört worden – deshalb ruht nun erst mal der Baubetrieb: Mit einer Strafanzeige hat der Umweltverband BUND bereits begonnene Probebohrungen für die geplante A 20 nahe der Hörner Au bei Westerhorn (Kreis Pinneberg)vorläufig gestoppt. Die Naturschützer werfen der Autobahnbehörde Deges vor, mit „lautstarken Probebohrungen“ eine ganze Kolonie streng geschützter Zwergschwäne nachhaltig vergrämt zu haben. Daraufhin seien die Arbeiten nun „vorsorglich unterbrochen“ worden.
Konkret seien mehr als 300 Tiere von einem Tag auf den anderen verschwunden, so die Umweltschützer. Bei den Probebohrungen, die vor einer Woche begonnen haben, handele es sich deshalb um einen Verstoß gegen das Bundesnaturschutzgesetz, sagt Bernd Biggemann von der BUND-Kreisgruppe Pinneberg.
A-20-Ausbau: Deges sieht keinen Verstoß gegen Naturschutzgesetz
Die verantwortliche Deges – abgekürzt für Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH – bestreitet die Vorwürfe. „Die Deges hat alle erforderlichen Genehmigungen und alle Vorkehrungen getroffen, den Schutz der Tiere bestmöglich zu gewährleisten“, sagt Projektkoordinator und Deges-Sprecher Ulf Evert. „Ein Verstoß gegen das Bundesnaturschutzgesetz liegt in unseren Augen nicht vor.“
Das sehen die Umweltschützer anders. Demnach fußt ihre Strafanzeige gegen die Deges darauf, dass es per Gesetz verboten ist, „wildlebende Tiere der streng geschützten Arten und der europäischen Vogelarten während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten erheblich zu stören“. Eine erhebliche Störung liege etwa vor, wenn sich dadurch der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art verschlechtert oder Fortpflanzungs- oder Ruhestätten aus der Natur entnommen, beschädigt oder zerstört werden.
A20: Mehr als 1000 Zwergschwäne rasteten in der Hörner Au – jetzt ist kein Tier mehr da
Die Vogel- und Umweltschützer des BUND und Nabu seien jedenfalls „entsetzt“ über die Arbeiten, denn gerade die Zeit von Januar bis März sei „die hauptsächliche Rast- und Nahrungszeit der geschützten Zwergschwäne im Bereich des geplanten sechsten Abschnitts der A 20“, heißt es in der Erklärung. Immerhin handele es sich bei Zwergschwänen um eine besonders geschützte Zugvogelart, bei der die „Ungestörtheit der Nahrungsflächen und Schlafplätze sicherzustellen“ sei. Im Vorjahr seien mehr als 1000 Tiere in der Hörner Au gezählt worden, seit Beginn der Arbeiten in diesem Jahr sank die Zahl der Tiere über Nacht von 332 auf 0, so die Umweltschützer.
Völlig unverständlich sei den Kritikern des Autobahnbaus, dass die Bohrungen ohne Dringlichkeit genehmigt und durchgeführt werden. Zumal in den Arbeitskreissitzungen zum A-20-Ausbau darüber nicht informiert worden sei. Biggemann: „Abgesehen davon ist der geplante Bau der A 20 das schädlichste Projekt im Bundesverkehrswegeplan.“ Rainer Guschel von der BUND-Kreisgruppe Steinburg fühle sich sogar hintergangen, weil die Deges bisher nicht alle vom BUND angeforderten Unterlagen herausgegeben habe.
Deges: Alle Genehmigungen für die A-20-Arbeiten liegen vor
In der Hörner Au sei nun seitens der Deges zunächst westlich der Bahnlinie Wirst-Elmshorn gebohrt worden, danach sei die „viel wichtigere Fläche östlich der Bahnlinie betroffen“, so die Naturschützer. Dort hielt sich ein Großteil der mehr als 300 Zwergschwäne auf. Die Flächen würden anhand der mehrjährigen Beobachtung die wesentlichen Nahrungsflächen in der Region darstellen. „Durch die lauten Bohrarbeiten wurden alle nahrungssuchenden Schwäne zu ihrem Nachteil auf Flächen weiter weg mit minderwertigerem Nahrungsertrag verdrängt“, heißt es vom BUND. Ein Mitarbeiter der Naturschutzbehörde Pinneberg habe auf Nachfrage bestätigt, dass „zum jetzigen Zeitpunkt Probebohrungen nicht in Ordnung“, seien.
Die Deges argumentiert dagegen grundsätzlich. Denn die Genehmigungen der Unteren Naturschutzbehörden in Pinneberg und Steinburg würden seit dem Sommer vorliegen. „Die Bohrkampagne zur Baugrunderkundung kann demnach im Zeitraum vom 15. August 2022 bis 28. Februar 2023 durchgeführt werden“, zitiert Sprecher Ulf Evert. „Es handelt sich bei den Arbeiten um punktuelle, räumlich und zeitlich begrenzte Bohrungen, die keine nachhaltige Störung der Fauna mit sich bringen. Sie sind auf ein unbedingt erforderliches Maß reduziert.“ Zudem würde ein Umweltgutachter die ordnungsgemäße Durchführung vor Ort überwachen.
A20 soll die „wichtigste Ost-West-Verbindung im Norden“ werden
Der Zeitplan der Bohrungen sei unter Berücksichtigung logistischer Gründe und mit Rücksicht auf die Brutzeiten und die sich im Spätherbst auf den Flächen befindlichen Blässgänse aufgestellt worden. Die Deges habe alle erforderlichen Genehmigungen und Vorkehrungen getroffen, den Schutz der Tiere bestmöglich zu gewährleisten. „Trotzdem“, sagt Evert, „haben wir die Arbeiten vorsorglich unterbrochen. Unser Umweltgutachter ist vor Ort.“ Wie lange die Arbeiten ruhen, ist noch ungewiss.
Der etwa 80 Kilometer lange Neubau der A 20 als Nordwestumfahrung von Hamburg gilt als „vordringlich“ im Bundesverkehrswegeplan. Das Stück soll als Fortführung der Ostseeautobahn Lübeck – Stettin bis über die Elbe an die A 26 angeschlossen werden. Damit werde die A 20 laut Deges „die wichtigste Ost-West-Verbindung im Norden“ und die Seehäfen als Hinterlandanbindung miteinander verbinden. Die aktuelle Strafanzeige der Naturschützer bezieht sich auf den 9,3 Kilometer langen Bauabschnitt 6 an der Grenze des Kreises Pinneberg.