Kreis Pinneberg. Aufwind trotz Krise: Warum beim Jahrestreffen der Züchter, von denen 90 Prozent im Kreis angesiedelt sind, Zuversicht herrschte.
Steigende Umsätze, der Klimawandel und die Rückbesinnung der Gesellschaft auf die Bedeutung von Pflanzen und Natur für das Wohlbefinden der Menschen lässt die Baumschuler jubeln. „Wir sind auf einem guten Weg und haben eine rosige Zukunft vor uns“, stellte der neugewählte Präsident des Bundes deutscher Baumschulen (BdB), Hajo Hinrichs, auf der Jahresversammlung des Landesverbandes jetzt im Gartenbauzentrum in Ellerhoop fest.
Kreis Pinneberg: Warum bei den Baumschulen große Zuversicht herrscht
Und auch der Draht zur Landesregierung hat sich durch die Schaffung des neuen, von der CDU geführten Landwirtschaftsministeriums offenbar verbessert. „Das Landwirtschaftsministerium steht an ihrer Seite“, sagte Staatssekretärin Anne Benett-Sturies in ihrem Grußwort gleich mehrfach. Was BdB-Geschäftsführer Frank Schoppa als „ein gutes Signal“ und „Heimspiel für uns“ bewertete. „Wir freuen uns über das Verständnis für unsere Branche in Kiel“, sagte er: „Wir stehen aber auch in gutem Dialog mit dem grünen Umweltministerium.“
BdB-Chef Schoppa nennt vier Gründe, warum es mit der grünen Branche zurzeit aufwärts gehe, die Umsätze seit 2019 um bis zu einem Drittel gestiegen seien. Zum einen sei dafür eine gewisse Marktbereinigung, „ein Strukturwandel“ verantwortlich. Angebot und Nachfrage hätten sich endlich auf einem guten Niveau angepasst, Überkapazitäten wurden abgebaut, Preiskämpfe und Preisverfall seien kaum noch zu beobachten, erläutert Schoppa. Überangebote wie bei den oft beschworenen Butterbergen oder Milchseen gebe es nicht mehr. „Die Berge und Seen im Garten- und Pflanzenanbau sind abgetragen.“
Kreis Pinneberg ist das größte Baumschulland Europas
Etwa 100 Baumschulbetriebe hätten landesweit in den vergangenen 20 Jahren aufgeben müssen. Das habe aber die restlichen 300 Betriebe gestärkt und wachsen lassen, da die Anbaufläche mit 3500 Hektar im Land weitgehend erhalten geblieben sei. 90 Prozent dieser 300 Betriebe, die zusammen etwa 2500 Mitarbeitende beschäftigen und 200 Millionen Euro Umsatz im Jahr erlösen, befänden sich im Kreis Pinneberg, dem größten zusammenhängenden Baumschulland Europas.
Zweiter wichtiger Wachstumsfaktor sei das veränderte Bewusstsein in der Bevölkerung, das durch den monatelangen Lockdown in der Corona-Krise die Bürger in die eigenen Gärten und Parks habe strömen lassen. Weil viele Menschen nicht reisen konnten, hätten sie ihr Geld in die Verschönerung ihrer Gärten mit neuen Pflanzen investiert. Dazu käme der Klimawandel, der nun das kollektive Bewusstsein erreicht habe, so Schoppa. Extrem trockene und heiße Sommer mit seinen Tropennächten auch in Norddeutschland, die immer häufiger vorkommenden Starkregenereignisse und Stürme ließen die Menschen erkennen, dass der Klimawandel keine Erfindung sei.
Baumschulen: Das sind die Wachstumsmotoren der Branche
Schoppa: „Die Menschen haben begriffen, dass das Leben ohne Grün in der Stadt nicht mehr lebenswert sei. Bäume speichern CO2, spenden Schatten, befeuchten die Luft und filtern Schadstoffe, die Grünflächen lassen Niederschläge versickern“, so der BdB-Chef. „Die Wohlfahrtswirkungen von Bäumen und Grünanlagen sind quasi unschlagbar und unverzichtbar.“ Und die Politik ziehe nach. So habe das Bundesbauministerium gerade ein Programm mit vier Milliarden Euro aufgelegt, das grüne und blaue Strukturen in den Städten fördern soll.
Damit kommt er zum vierten Wachstumsmotor der Branche. Und das sei der sterbende Wald, der vielerorts, insbesondere bei den Fichten im Harz mit Schrecken zu beobachten sei. „Wir alle lieben den Wald. Doch der Wald leidet“, sagt Schoppa. Gerade der „Brotbaum“ der Forstwirtschaft, die Fichte, vertrockne bei gesunkenem Grundwasserstand. „Den Rest erledigen die Borkenkäfer.“
Baumschuler: „Wald muss sofort wieder zu Wald werden“
Darum sei ein Umbau der Wälder in artenreichere Mischbestände dringend erforderlich, so Schoppa. Doch das gehe nur mit Forstpflanzen und Neuanpflanzungen, die nur die Baumschulwirtschaft liefern könnte. „Wald muss sofort wieder zu Wald werden“, erklärt Schoppa, sonst sei er tot. Das dränge zur Eile und schnellem Handeln, auch wegen der so wichtigen Bindung des CO.
Diese guten Aussichten für die Zukunft der grünen Branche würden etwas getrübt durch gesetzliche Vorgaben zum Umweltschutz. So soll die Pflanzenwirtschaft das für sie so wichtige Substrat Torf durch andere Stoffe wie Kompost, Holzfasern oder Perlite weitgehend ersetzen.
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Allzeitstreitthema sind Pflanzenschutzmittel in der Wirtschaft
Doch die Ergebnisse erster Studien, an denen auch einige Betriebe aus dem Kreis Pinneberg beteiligt seien, zeigten, dass das nicht so ohne weiteres möglich sei, führte Hendrik Averdieck vom Gartenbauzentrum der Landwirtschaftskammer aus. Torfersatz im großen Stil schade dem Pflanzenwachstum und führe zu „deutlichen wirtschaftlichen Verlusten“, warnte Averdieck. Außerdem müssten diese Pflanzen häufiger gedüngt und bewässert werden.
Zum Allzeit-Streitthema des chemischen Pflanzenschutzes stellte Heinrich Lösing vom Versuchs- und Beratungsrings für Baumschulen aktuelle mechanische Alternativen vor. So sei zwar das Unkrautbekämpfungsmittel Glyphosat in Deutschland noch bis Ende 2023 und möglicherweise darüber hinaus in der Gartenbaubranche erlaubt.
Kreis Pinneberg: Baumschulen bekommen Unterstützung vom Land
Aber es gebe heute interessante und gute technische Alternativen, zeigte Lösing auf. Dazu gehörten maschinelle Hackstriegel, Infrarot- oder Hochspannungssysteme, die auf den Anbauflächen mit Kameras oder GPS autonom gesteuert werden könnten und unerwünschtes Unkraut vernichteten. Die Robotertechnik und intelligente Lösungen der Schlepperindustrie würden die Angebote weiter verbessern, ist Lösing überzeugt. „Aber ein Rest an Handarbeit wird immer bleiben.“
Staatssekretärin Benett-Sturies versprach dem BdB dabei ministerielle Unterstützung. „Ein Totalverbot von Pflanzenschutzmitteln stellt die Wirtschaftlichkeit der Betriebe infrage und bedroht ihre Existenz“, sagte sie. Die Landesregierung werde sich für die Branche in Bund und EU einsetzen. „Ich habe den Appell sehr wohl gehört.“