Kreis Pinneberg. Trotz Nachwuchssorgen gibt es ein deutliches Umsatzplus im „Baumschulland Pinneberg“. Die Gründe des Aufschwungs.

Grau waren nur die Tische. Ansonsten herrschte eine so gute, fast ausgelassene Stimmung wie seit Jahren nicht mehr beim Bund deutscher Baumschulen (BdB). Die grüne Branche floriert mitten in der Corona- und Energiekrise. Das zeigte sich bei der Hauptversammlung des Bundes auch am üppig mit Pflanzen und Blumen dekorierten großen Saal des Gartenbauzentrums in Ellerhoop.

Baumschulen: Warum sie die Gewinner der Krise sind

Wie üblich waren viele Bürgermeister sowie Kreistags-, Landtags- und Bundestagsabgeordnete gekommen. Mit 2500 Beschäftigten in 300 Baumschulen gehört der BdB zu den größten Arbeitgebern im „Baumschulland Pinneberg“. Ein Begriff, der erst seit der Internationalen Gartenschau 2013 in Hamburg vermarktet wird. Denn angeblich ist der Kreis mit 4200 Hektar das weltweit größte zusammenhängende Baumschulgebiet, sagt Andreas Köhler vom Förderverein.

Nach „20 schwierigen Jahren“, die im Wesentlichen vom Abbau der Überkapazitäten geprägt waren, erlebe die Branche zurzeit eine Renaissance, sagt BdB-Landesgeschäftsführer Frank Schoppa. Das habe zwei Gründe. Der Corona-Lockdown habe einen wirtschaftlichen Boom in der grünen Branche ausgelöst. „Wer nicht mehr verreisen, nicht mehr essen oder ins Kino gehen kann, überlegt sich, wofür er sonst sein Geld ausgeben soll“, erläutert Schoppa.

Da seien viele Menschen auf die Idee gekommen, ihren Balkon, ihre Terrasse oder ihren Garten mit Pflanzen zu verschönen. Allein in diesem Jahr habe das seiner Branche ein Umsatzplus von 15 Prozent beschert. 180 Millionen Euro setzen die Baumschulen demnach pro Jahr um. In beiden Jahren zuvor sei das Wachstum ähnlich hoch gewesen, erklärt Schoppa.

Baumschulen: Grünflächen in Städten sind ein „Must Have“

Dieser Effekt sei aber vorübergehend. „Das geht jetzt wieder ins normale Maß zurück“, sagt Schoppa. Dafür wirke sich jetzt ein anderer Trend positiv für die grüne Branche aus, der im doppelten Sinne nachhaltig sei: der Klimawandel. „Das Bewusstsein, dass sich unser Klima verändert, ist in den Köpfen der Bevölkerung angekommen.“ Bisher schien er nur von Naturschützern und Klimaexperten behauptet zu sein. Aber die extremen Wetterereignisse wie Starkregen, Trockenzeit oder Überschwemmungen wie im Ahrtal voriges Jahr zeigten den Leuten, dass der Klimawandel tatsächlich passiert.

Dieses Bewusstsein löse jetzt ein verändertes Verhalten bei den Menschen und den Kommunen aus. Sie legten Blühwiesen an, um Insekten zu schützen oder Bienen neuen Lebensraum zu gewähren. Und die Stadtväter könnten Grünflächen jetzt nicht mehr als notwendiges Übel betrachten. „Sie müssen sich damit beschäftigen. Grünflächen sind heute ein ‚Must-Have‘ in den Städten“, sagt Schoppa.

Baumschulen: Die Suche nach den „Klimawandel-Bäumen“

Dafür würden nun auch intensiv jene Baumarten angepflanzt, die sich in jahrelanger Forschung und Entwicklung als besonders klimaresistent erwiesen hätten, wie etwa der Feldahorn. „Der führte bislang eher ein Schattendasein.“ Jetzt, da er sich als besonders hitzebeständig gezeigt hat, wird er plötzlich vermehrt von den Kommunen nachgefragt und von den Baumschulen produziert.

Insgesamt seien es 60 Baumarten, darunter einheimische wie auch nordamerikanische und asiatische, die sich als gute „Klimawandel-Bäume“ herausgestellt hätten. Schoppa: „Da geht der Markt jetzt richtig los und wird nachhaltig der grünen Branche helfen.“

Landeschef Axel Huckfeldt (l.) und Frank Schoppa.
Landeschef Axel Huckfeldt (l.) und Frank Schoppa. © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

Und so strahlte der BdB-Landesvorsitzende Axel Huckfeldt viel Zuversicht und Optimismus aus. „Der Absatz ist gut bei lebhafter Nachfrage über das gesamte Sortiment. Viele Artikel sind bereits verknappt. Die erforderlichen Preiserhöhungen lassen sich am Markt durchsetzen.“ Besonders gefragt seien in der Region Obstgehölze aller Art und Sorten. Dazu kämen Blühgehölze. „Der Grund dafür dürften der Trend zur Selbstversorgung und der Insektenschutz sein“, sagte Huckfeldt. „Wir spüren, dass bei vielen kommunalen Entscheidungsträgern die Erkenntnis reift, dass nur grüne Städte resilient im Klimawandel sein können.“ Grüngürtel, Parks und Stadtbäume machten die Städte doch erst lebenswert.

Baumschulen klagen über Mangel an Nachwuchs

Philipp Sattler gründete die Stiftung „Die grüne Stadt“ .
Philipp Sattler gründete die Stiftung „Die grüne Stadt“ . © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

Dazu hatte der BdB auch einen Experten eingeladen. Der Landschaftsarchitekt Philipp Sattler, der in Berlin die Stiftung „Die Grüne Stadt“ gegründet hat, stellte seine Vision einer „Schwammstadt“ vor. „In Zeiten des Klimawandels ist der Wasserkreislauf wichtig“, sagt Sattler. Darum müssten in den Städten vermehrt Wasserelemente, bepflanzte Versickerungsmulden, offene Rasenflächen, Stadtwiesen und Stadtwälder geschaffen werden, die Regen aufnähmen und vor Überflutungen schützten. „Man nennt dieses System Schwammstädte, weil sie Niederschläge sammeln und im Kreislauf halten“, so der Klimaexperte über seine Vision einer „grünen Stadt“. „Wir bieten naturbasierte Lösungen an“, sagt Sattler. Statt versiegelter Flächen müsse es mehr grüne Lebensräume geben: „Blau-grün statt nur grau.“

Ein Wermutstropfen gab es dann aber doch beim BdB. Die Baumschulbetriebe fänden nicht mehr genügend Nachwuchs, klagte der Landesvorsitzende Huckfeldt. Die Prophezeiung eines Kollegen, der bereits vor zehn Jahren davor gewarnt hätte, nicht der Umsatz, sondern die Frage, „ob du noch genügend Leute hast“, werde das Hauptproblem sein, habe sich bewahrheitet. „Die Fachkräfte sind der limitierende Faktor. Es gibt viele Baumschulbetriebe, die weniger produzieren müssen als ihre Flächen hergäben, weil ihnen die Mitarbeiter fehlen.“

Baumschulen: Was Azubis in der Branche verdienen

Noch etwa 30 Junggärtner bildeten die 300 Baumschulbetriebe pro Jahr neu aus, sagt Geschäftsführer Schoppa. „Das reicht nicht, um den Fachkräftemangel zu beheben.“ Darum habe der Verband die Ausbildungsvergütungen für alle drei Lehrjahre um jeweils etwa 200 Euro im Monat erhöht. Jetzt begännen die Auszubildenden mit 845 Euro im Monat und bekämen 1045 Euro im Abschlussjahr. „Damit haben wir die symbolische Grenze von 1000 Euro überschritten, die auch in anderen Branchen gezahlt wird“, erklärt Schoppa. Auch die sieben Lohngruppen seien angehoben worden. Jetzt liege Schleswig-Holstein bundesweit „an der Spitze der Tarifgehälter“, sagte Huckfeldt.

Zudem hat der BdB einen Videoclip drehen lassen, mit dem er in den sozialen Medien nach Nachwuchs sucht. Kernaussage: „Rettet die Welt – bevor alles Game over ist – werde Baumschulgärtner.“. Eine „mutige Kampagne“, lobte der SPD-Bundestagsabgeordnete Ralf Stegner. „Manch andere Branchen trauen sich das nicht.“ Zudem werbe der Verband mit den Arbeitsagenturen und der Landwirtschaftskammer bei den Betrieben um Praktikumsplätze, kündigte Schoppa an.