Kreis Pinneberg. Nachdem im Landtag die zugesagte Finanzierung des Großkrankenhauses in Zweifel gezogen wurde, reagiert die Kreispolitik empört.

Schöne Bescherung für den Kreis Pinneberg: Kurz vor Weihnachten ist im Land plötzlich eine Finanzierungslücke von 630 Millionen Euro bei der Krankenhausfinanzierung aufgetaucht. Die heftige Debatte darüber im Kieler Landtag setzte sich am Mittwochabend während der Kreistagssitzung fort.

Kreis Pinneberg: Land zögert bei Zentralklinik, Kreis will den Druck erhöhen

Dort forderte die SPD, eine sofortige Resolution zu beschließen, die darauf pocht, dass das Land seine Zusage vom Frühjahr 2022 einhält, sich mit 300 Millionen Euro an dem geplanten Neubau eines Zentralkrankenhauses der Regio Kliniken zu beteiligen. Wenn das plötzlich nicht mehr gelten sollte, „ist die Geschäftsgrundlage in Frage gestellt“, sagte SPD-Fraktionschef Hans-Peter Stahl. Auch der Kreis Pinneberg müsste die Hälfte der Kosten an dem bislang mit 500 Millionen Euro angegebenen Klinikneubau tragen. Das Krankenhaus soll bis 2032 in Pinneberg oder Elmshorn errichtet werden.

Die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit für die Resolution kam im Kreistag aber nicht zustande. Die Abgeordneten von CDU und Grünen, deren Kollegen in Kiel die Landesregierung bilden, erklärten, so dringlich sei die Angelegenheit nicht. Zwei Tage zuvor war das noch ein ganz anderes. Da sollen sich alle Fraktionen nach einer Sitzung der Arbeitsgemeinschaft Regio, in der sie Klinikchefin Regina Hein über die plötzliche Finanzierungslücke informierte, einig gewesen sein, die Resolution zu beschließen. Die Abgeordneten von CDU und Grünen seien „zurückgepfiffen“ worden, so Stahl.

Kreis Pinneberg: Neubau wichtig für Gesundheitsversorgung

Und so musste Regio Klinik Chefin Hein Mittwochabend unverrichteter Dinge aus Elmshorn wieder abfahren. Sie war extra zur Kreistagssitzung gekommen, um dort für mögliche Nachfragen zur Verfügung zu stehen. Offenbar brennt es im Kessel. Sie sagte da auf Abendblatt-Nachfrage, sie fahre nun direkt nach Kiel, um dort weiter für den Klinikneubau zu werben. Einen Tag später sagt sie: „Nur mit dem zentralen Klinikneubau ist die Gesundheitsversorgung im Kreis gesichert – parteiübergreifend und geschlossen steht die Kreispolitik hinter unserem Zukunftsprojekt. Jetzt erwarten wir auch von der Landesregierung – und wir setzen großes Vertrauen in sie – , dass diese, wie in der dualen Krankenhausfinanzierung vorgesehen, die notwendigen finanziellen Mittel bereitstellt.“

Damit sichere sie nicht nur die stationäre Versorgung des einwohnerstärksten Kreis im Land ab, sondern ermögliche den Kliniken auch die Umsetzung bundespolitischer Vorgaben und gebe 2500 Beschäftigten eine Perspektive.

Auch der Landkreistag hat sich eingeschaltet und schwere Vorwürfe gegen die Landesregierung erhoben. Kiel binde die Kommunen nicht in die „Entscheidungen des Landes“ zur Krankenhausversorgung ein, obwohl diese sie zur Hälfte mittragen müssten. „Krankenhäuser sind elementarer Bestandteil der Daseinsvorsorge im ländlichen Raum“, sagt Reinhard Sager, Vorsitzender des Landkreistages.

Zentralklinik: Kreis Pinneberg will Druck aufs Land erhöhen

Nun sollen Kreispräsident Helmuth Ahrens und Landrätin Elfi Heesch „zeitnah“ bei der Landesregierung intervenieren. „Wir werden kurzfristig um einen Termin bei Gesundheitsministerin Kerstin von der Decken bitten, um deutlich zu machen, dass die in Aussicht gestellten finanziellen Mittel vom Land weiter bestehen“, sagt Ahrens. Ob das in diesem Jahr noch geschieht, sei fraglich, zumal die Ministerin gerade erkrankt sein soll.

„Wir werden aber die Interessen des Kreises deutlich machen“, versichert Kreispräsident Ahrens. Er sehe die Situation aber nicht dramatisch. So stünden zwar erst 150 Millionen Euro im Sondervermögen zur Krankenhausfinanzierung zur Verfügung. „Aber wir brauchen das Geld erst 2028 oder 2030.“ Bis dahin könnte es noch angespart werden.

Das sieht CDU-Fraktionschefin Heike Beukelmann nicht ganz so entspannt. „Wir werden da drücken und schieben, wo wir können, und beim Land deutlich machen, wie wichtig uns das Projekt ist.“ Die Kreispolitik habe auch der Klinikchefin Hein „versprochen, dass wir uns dafür einsetzen.“ Die Resolution sei aber „nicht der richtige Weg“ und zu kurzfristig gewesen. Zumal Birte Glissmann, parlamentarische Geschäftsführerin der CDU in Kiel auf Abendblatt-Nachfrage versicherte: „Ich werde alles tun, damit die in Aussicht gestellte Summe bewilligt wird.“

Kreis Pinneberg könnte Klinikneubau nicht alleine stemmen

Grünen-Fraktionschef Thomas Giese räumt ein, dass die AG Regio am Montag noch einmütig für die Resolution plädierte. Doch er habe sich bei Landtagskollegen informiert, die ihm versicherten, dass diese Finanzierungslücke „nicht neu ist, sondern schon seit Jahren existiert“, so Giese. Das sei zwar richtig, sagt Elmshorns Landtagsabgeordnete Beate Raudies (SPD). Doch neu sei, dass die Gesundheitsministerin „vorige Woche die Zusagen zum Klinikneu kassiert hat.“ Diese müssten nun „neu verhandelt werden“.

Auch Giese meint deshalb: „Das Land muss jetzt nachbessern und wir müssen Druck auf die Landesregierung ausüben.“ Trotz Landesschulden müsse „jetzt das Geld zusammengekratzt“ werden. Das Land könne die Krankenhäuser jedenfalls nicht im Regen stehen lassen. Schließlich sei es die Landesregierung gewesen, die gutachterlich und mit Besuch des Gesundheitsministers vor dem Kreistag in Elmshorn den Kreis aufgefordert hätte, die Krankenhäuser effektiver zu machen, explizit den Neubau gefordert hatte.

Das betont auch SPD-Fraktionschef Stahl. „Nach dem Krankenhausgesetz ist das Land für die Finanzierung der Krankenhäuser zuständig. Das ist eindeutig.“ In allen Gesprächen seit September 2021 zum Neubau der Zentralklinik, die die beiden bestehenden Kliniken in Elmshorn und Pinneberg an einem Ort bündeln soll, seien immer wieder die 300 Millionen Euro vom Land in Aussicht gestellt worden. Wenn das nicht der Fall gewesen wäre, hätte der Kreistag sicher keine Entscheidung zum Neubau getroffen. „Der Kreis kann solche Summen nicht stemmen.“

Kreis Pinneberg soll Zentralklinik und Gesundheitscampus bekommen

Im fertigen Entwurf zur Kreistagsresolution, die jetzt weder beraten noch verabschiedet wurde, heißt es, dass für den „Sicherstellungsauftrag der stationären medizinischen Versorgung“ im Kreis Pinneberg „eine tiefgreifende bauliche Neuordnung der stationären medizinischen Versorgung unabdingbar“ sei, die auch von breiter öffentlicher Zustimmung getragen werde. „Für die Förderung eines zentralen Klinikneubaus wurden 300 Millionen Euro des Landes in Aussicht gestellt“, heißt es weiter in dem Papier, das dem Abendblatt vorliegt. „Die Zusage zur Bereitstellung der Fördermittel wird auf diesem Weg nachdrücklich erbeten.“

Es folgt eine ausführliche Begründung, die auf die „besondere Bedeutung“ einer modernen Klinikversorgung im mit 320.000 Menschen bevölkerungsreichsten Kreis des Landes verweist. Die Regio Kliniken, an denen der Kreis zu 25 Prozent und die Sana AG zu 75 Prozent beteiligt sind, betrieben mit ihren 2500 Beschäftigten zwei Kliniken mit zurzeit 767 stationären Betten. Der Neubau soll ebenso viele Betten haben.

Es sei aber nicht nur ein neues Krankenhaus geplant. „Dieser Neubau wird innerhalb eines Gesundheitscampus entstehen und die Vernetzung der Versorgungssektoren – mit niedergelassenen Ärzten und weiteren Partnern – weiter voranbringen“, heißt es im Resolutionsentwurf. „Im Kreis Pinneberg ist es gelungen, Bevölkerung, Politik, Fachexperten, ver.di, Rettungsdienst, Krankenkassen und niedergelassene Ärzte nachhaltig für diese Strategie zu gewinnen.“ So solle die neue Zentralklinik mit Gesundheitscampus ein landesweites „Modellprojekt“ werden.

Kreis Pinneberg: 300 Millionen Euro wären für Zentralklinik nötig

Im März 2022 stimmten die Gesellschafter der Übersendung der Anträge auf krankenhausplanerische Zusammenlegung der Klinikstandorte Elmshorn und Pinneberg sowie der Stellung des Antrags auf Förderung des Baus einer Zentralklinik zu. Danach habe im Mai die Beteiligtenrunde des Landeskrankenhausausschusses dieser „krankenhausplanerischen Zusammenlegung einstimmig zugestimmt.“ Der Aufnahme in den Investitionsplan sei zugestimmt und eine Förderung von 300 Millionen Euro in Aussicht gestellt worden.

Danach haben sich die Gesellschafter Kreis und Sana auf einen Kriterienkatalog für die Standortauswahl geeinigt, über den im März 2023 entschieden werden soll. Erst im November sind die Verträge zwischen Sana und Kreis entsprechend angepasst worden: „Als Herzstück wurde die Strategie der Errichtung eines zentralen Gesundheitscampus neu eingefügt.“ Dieser Passus habe weiter Bestand.