Elmshorn. In Elmshorn soll ein altes Haus zur Radgarage werden. Steuerzahlerbund spricht von Verschwendung, die Grünen wollen das Haus retten.

Abreißen? Sanieren? Restaurieren? Eigentlich steht der Plan für das ehemalige Kontor- und Geschäftshaus der Firma Johann Meyn in der Elmshorner Innenstadt. Das historische Gebäude auf dem Areal des neuen Rathauses der Krückaustadt soll künftig den Fahrrädern der Rathausmitarbeiterinnen und -mitarbeiter als Unterstand dienen.

Elmshorn: Steuerzahlerbund rügt Pläne für Fahrradgarage

Für diesen Plan, der bereits vom Stadtverordnetenkollegium beschlossen wurde, gab es erst kürzlich eine Rüge vom Bund der Steuerzahler. Im diesjährigen Schwarzbuch werden der Umbau und die Sanierung des als Verladeschuppen bezeichneten Gebäudes als Steuerverschwendung betitelt. Als Begründung werden vor allem die immensen Kosten angeführt. Etwa 1,5 Millionen Euro würden demnach die 87 Stellplätze kosten, das entspricht fast 17.000 Euro pro Stellplatz. Doch was ist dran an der Verschwendung von Steuergeld?

Geht es nach den Elmshorner Grünen: nicht viel. Sie wollen das Gebäude von 1906 erhalten und in seinen Originalzustand zurückversetzen. Für Matthias Pitzer, seines Zeichens Architekt, hat das ehemalige Kontorhaus eine große historische Bedeutung. Er kritisiert, dass mit falschen Fakten gegen den Erhalt des Gebäudes argumentiert werde. Auch wenn das Haus nicht unter Denkmalschutz stehe, sei es ein wichtiger Bestandteil der Elmshorner Industriegeschichte, so Pitzer.

Bent Schubert (v.l.), Matthias Pitzer und der Fraktionsvorsitzende Sven Herrmann von den Elmshorner Grünen auf dem Dachboden des Kontorhauses.
Bent Schubert (v.l.), Matthias Pitzer und der Fraktionsvorsitzende Sven Herrmann von den Elmshorner Grünen auf dem Dachboden des Kontorhauses. © Marvin Mertens | Marvin Mertens

Elmshorner Grüne: „nicht zutreffende, abwertende Begrifflichkeiten“

Aus Gesprächen mit Historikern haben die Grünen viel über die Geschichte und Nutzung des Hauses erfahren können. „Dabei haben wir auch festgestellt, dass es sich nicht um einen Verladeschuppen handelt, sondern um ein Kontorhaus“, sagt Grünen-Fraktionschef Sven Hermann. Die Grünen sprechen deshalb auch von einer „bewussten Verwendung von nicht zutreffenden, abwertenden Begrifflichkeiten.“

Aus Sicht der Elmshorner Grünen würde sich das historische Gebäude perfekt in das neugestaltete Zentrum einfügen. „Das Haus bildet mit dem Torhaus, der Markthalle, der Weißen Villa und den Knechtschen Hallen ein Ensemble historischer Bauten in der Innenstadt und steht in einem schönen Kontrast zu den neuen, modernen Gebäuden“, so Hermann.

Bausubstanz des ehemaligen Kontorhauses gut genug für Restaurierung

Er findet die Rüge des Steuerzahlerbundes „unfair“. „Wenn man natürlich davon ausgeht, dass hier einfach nur eine Fahrradgarage gebaut wird, mag das als viel Geld erscheinen. Aber das Haus bietet viele Nutzungsmöglichkeiten“, sagt Herrmann. So könnte etwa der Kinder- und Jugendbeirat (KJB) der Stadt in dem Gebäude eine Heimat finden, in unmittelbarer Nähe zum neuen Rathaus. Zumal dafür bisher zusätzliche Räumlichkeiten angemietet werden müssten.

„Die Bausubstanz ist gut, es gibt im Inneren keinen Schimmel und trotz des äußerlichen Zustandes sehen wir das Gebäude als erhaltenswert an“, sagt Hermann. Ein bisschen Schimmel findet sich beim Ortstermin dann doch im Inneren des Gebäudes, aber Stützpfeiler, Wände und Decken machen einen soliden und keineswegs maroden Eindruck – auch wenn der Boden voller Trümmer liegt, die Fensterscheiben zerschlagen und einige Rigips-Wände und Türen offenbar Vandalismus zum Opfer gefallen sind.

Elmshorner Grüne: Anbauten verschandeln historisches Gebäude

Er habe Verständnis, dass das Haus für viele Elmshorner eine Art Schandfleck ist, sagt Pitzer. Das liege aber zum einen am schlechten äußeren Zustand, zum anderen vor allem an den um 1950 vorgenommenen Anbauten. „Da sieht man ganz klar, dass das die Gebäudeteile sind, die marode sind“, so Pitzer.

So wurde etwa der Originaleingang zugemauert und durch einen Seiteneingang ersetzt, der nun brüchig ist. Auch am hinteren Ende in Richtung Knechtsche Hallen wurde ein Schuppen angebaut. Im Inneren wurden nachträglich Wände eingezogen, viele der gusseisernen Fensterrahmen wurden entfernt und ersetzt. Im Keller befindet sich eine Art Bunker, der wahrscheinlich ebenfalls deutlich nach der ursprünglichen Errichtung eingebaut wurde.

Die Frontansicht des ehemaligen Kontorhauses. Der Vorbau in der Mitte und der Anbau rechts wurden um 1950 hinzugefügt.
Die Frontansicht des ehemaligen Kontorhauses. Der Vorbau in der Mitte und der Anbau rechts wurden um 1950 hinzugefügt. © Marvin Mertens | Marvin Mertens

Das Originalgebäude sei dagegen gut in Schuss, so Pitzer. „Das ist hier ein Beispiel damaliger Baukunst“, sagt er und verweist auf die Bauweise des Kontorhauses. Dieses sei auf 94 Holzpfählen gebaut, um das Gebäude zu stützen. Das sei auch der Grund, warum die Anbauten nun Risse aufweisen und absacken. Das Gebäude in Originalzustand zu versetzen, sei aber möglich, sagt Pitzer. „Vieles, was nachträglich hinzukam, müsste entfernt werden. Aber viele Elemente sind noch original vorhanden.“

Kinder- und Jugendbeirat könnte in dem Kontorhaus unterkommen

Aber wie sollte das restaurierte Kontorhaus genutzt werden? Im vorderen Teil, dem 40 Quadratmeter großen sogenannten Kontorraum, könnte der KJB künftig seine Arbeitsstätte haben. „Der Raum ist beheizbar, das ist eine der Voraussetzungen für eine solche Nutzung“, sagt Sven Hermann. In der dahinterliegenden, 160 Quadratmeter großen Halle sollen weiterhin wie geplant Fahrräder untergebracht werden. Einzig der Keller dürfte aufgrund der geringen Höhe nicht nutzbar sein. Der Dachboden könnte als Lagerstätte genutzt werden, für temperaturunempfindliche Güter zumindest – und so die Raumsituation im Rathaus entspannen.

Der Blick in die Halle im hinteren Teil des Gebäudes. Hier sollen die Fahrradstellplätze entstehen.
Der Blick in die Halle im hinteren Teil des Gebäudes. Hier sollen die Fahrradstellplätze entstehen. © Marvin Mertens | Marvin Mertens

Denn: Das neue Rathaus könnte schnell zu klein werden, so die Grünen. Die eingeplanten Lagerräume sollten lieber als Büros genutzt werden. Und die Fahrradstellplätze würden ohnehin benötigt. „Wir möchten lieber ein historisches Gebäude erhalten, als einen Stahlkäfig im Innenhof des Rathauses aufzustellen“, sagt Sven Hermann. So soll der Innenhof auch zu einem ansprechenden Aufenthaltsort für die Elmshorner werden.

Elmshorner Rahmenplan sieht Erhalt historischer Gebäude vor

Die Grundlage für die Forderung der Grünen, das Gebäude zu restaurieren, bildet der Rahmenplan für den Stadtumbau aus dem Jahr 2011. Dort heißt es unter anderem, die vorhandenen Gebäude bildeten unterschiedliche Ensembles, die als erhaltenswert eingestuft werden. „Der Erhalt und die städtebauliche Aufwertung von Bau- und Kunstdenkmälern im Planungsgebiet [...] finden in der Planung eine besondere Berücksichtigung.“ Als eines der Leitziele zur Umsetzung des Rahmenplans wird zudem die Einbindung und Weiterführung der historischen Stadtstrukturen und der erhaltenswerten Gebäudebestände genannt.

2011 ist nun schon eine Weile her, doch auch in der Aktualisierung des Plans mit der etwas sperrigen Bezeichnung „1. Fortschreibung des Rahmenplans Krückau-Vormstegen 2021“ wird an dem Prinzip festgehalten, die modernen Strukturen mit den „Zeugnissen der ortstypischen Industriekultur“ zu verbinden.

Elmshorn: Grüne wollen Industriegeschichte sichtbar machen

Alles klar also? Weit gefehlt. Denn es steht nach wie vor die Summe von 1,5 Millionen Euro im Raum. „Diese Summe bezieht sich auf eine Sanierung. Die ist aber aus unserer Sicht gar nicht gefragt. Wir sind für eine Restaurierung“, sagt Pitzer. Wie hoch die Kosten dafür wären, vermag er allerdings nicht zu sagen. Die 1,5 Millionen Euro nun einzig der Schaffung von Fahrradstellplätzen zuzuschreiben, sei unseriös. „Kein verantwortungsbewusster Elmshorner Lokalpolitiker wird für einen Fahrradstellplatz 17.000 Euro pro Stellplatz ausgeben“, so Pitzer.

Aber ist das Gebäude denn überhaupt erhaltenswert? Die Elmshorner Politik hat es zwar so eingeschätzt, unter Denkmalschutz steht das Kontorhaus aber nicht. Und daran wird sich nach Auffassung der Denkmalschützer, die das Haus begutachteten, auch nichts ändern. Für Pitzer unverständlich: „Aus meiner Sicht ist das eine völlig falsche Entscheidung.“

Aber er sagt auch: „Denkmalschutz wird nicht die Rettung des Gebäudes sein, das Wort hilft nichts.“ An andere Stelle in Elmshorn seien bereits Häuser, die unter Denkmalschutz standen, abgerissen worden. Den Grünen gehe es darum, die Historie der Stadt zu bewahren, sagt der Fraktionsvorsitzende Sven Herrmann. „Wir wollen, dass Elmshorns Industriegeschichte sichtbar bleibt.“ Und dazu gehöre auch dieses Kontorhaus.

Elmshorns Stadtumbau: Das ist der Plan

Die Neugestaltung der Elmshorner Innenstadt ist ein Mammut-Projekt, dass in viele einzelne Vorhaben aufgeteilt ist. Einige sind bereits in der Umsetzung, andere noch in der Planungsphase. Hier ein Überblick.

Das Kibek-Quartier: Der Kibek-Turm in der Innenstadt wurde schon vor ein paar Jahren mithilfe eines Investors in Wohnraum verwandelt. Drumherum entstanden weitere fünf Wohngebäude. Das Kibek-Quartier bildet das erste abgeschlossene Projekt im Sanierungsgebiet Krückau-Vormstegen.

Das Haus der Technik: Direkt neben dem neuen Rathaus entsteht das Haus der Technik, das einen „entscheidenden Meilenstein im Elmshorner Stadtumbau“ darstellt. Im Mai 2021 begannen die Arbeiten. Die Büroräume sollen künftig auch von Rathausmitarbeitern genutzt werden. Mehr als vier Millionen Euro kostet der Neubau.

Das neue Rathaus: Direkt am Buttermarkt soll die neue Heimat der Stadtverwaltung entstehen – für etwa 47 Millionen Euro. Das neue Rathaus soll als offener Treffpunkt und Veranstaltungsort ein „Leuchtturmprojekt des Sanierungsgebietes Krückau-Vormstegen“ bilden. Der Abriss der alten Kremer-Hallen ist bereits abgeschlossen. Für den Neubau wird die Schauenburgerstraße zurückgebaut.

Der Buttermarkt: Heute ist der große Platz zwischen Schauenburgerstraße, Vormstegen und Probstendamm vor allem ein Park- und Marktplatz. Die Pläne sehen vor, den Platz neu zu formen und ihn als „attraktiven urbanen Treffpunkt“ zu etablieren. Dafür soll die Aufenthaltsqualität durch Begrünung und Sitzgelegenheiten gesteigert werden.

Die Knechtschen Hallen: Das historische Ensemble steht unter Denkmalschutz, verfällt aber zusehends. Der ehemalige Komplex der Lederfabrik Johann Knecht soll saniert werden „und mit vielfältigen Nutzungen zur Belebung des Quartiers beitragen“, heißt es in den Plänen der Stadt. Seit 2006 stehen die Knechtschen Hallen leer. Zuletzt hat das Wohnungsunternehmen Semmelhaack die Hallen von Kibek gekauft.

Die Markthalle: Das große Klinkergebäude am Rande des Buttermarktes ist eines von vielen historischen Gebäuden in der Elmshorner City. Die Markthalle wird aktuell nur an Markttagen genutzt und das auch nur im Erdgeschoss. Eine Entscheidung, was mit der Halle geschieht, ist aber noch nicht gefallen.

Weitere Projekte: Bereits begonnen hat zudem die Sanierung eines historisches Stadthauses an der Kreuzung Vormstegen/Reichenstraße durch die Firma Semmelhaack. In der Planung befindet sich die Gestaltung des Rathausvorplatzes sowie die Entwicklung weiterer Quartiere etwa am Nordufer sowie am Buttermarkt. Diese sind bislang allerdings nur im Rahmenplan festgehalten, konkrete Pläne gibt es noch nicht.