Sylt/Quickborn. Die vier prominenten Gemeinden der Insel Sylt suchen eine neue Verwaltung. Man spricht bereits mit einer Stadt im Kreis Pinneberg.

  • „Die Verwaltung auf Sylt ist ein Drama“, sagt Wenningstedts Bürgermeisterin
  • Kampen, List, Hörnum und Wenningstedt-Braderup sehen sich nach neuem Verwaltungspartner um
  • Quickborns Bürgermeister Thomas Köppl fühlt sich durch die Sylt-Offerte geehrt
  • Sylter Gemeinden sind „quasi handlungsunfähig“

Die Anfrage ist brisant: Vier prominente Gemeinden der Insel Sylt haben sich erkundigt, ob sie sich künftig von der Stadt Quickborn im Kreis Pinneberg verwalten lassen könnten. Grund: Unzufriedenheit mit der Inselverwaltung. Tatsächlich gab es danach einen Quickborner Syltbesuch und eine nichtöffentliche Besprechung im Hauptausschuss der Stadt. Doch erst jetzt, mitten im Quickborner Bürgermeisterwahlkampf, kocht das Thema noch mal hoch.

Das zeigt wohl, wie attraktiv die Stadt Quickborn als Verwaltungsgemeinschaft mit Hasloh, Bönningstedt, Ellerau und Ascheberg am Plöner See inzwischen geworden ist. Erst seit 2021 besteht die Partnerschaft mit der 3100 Einwohner-Gemeinde Ascheberg – und sie hat inzwischen gut ein halbes Dutzend Anfragen von Gemeinden aus ganz Schleswig-Holstein ausgelöst. Auch von den vier prominenten Sylt-Dörfern.

Sylt: Auch Kampen und List wollen aus der Verwaltung aussteigen

Die vier Gemeinden Hörnum, Kampen, List und Wenningstedt-Braderup, die zum Amt Landschaft Sylt gehören, haben sich nach einem neuen Verwaltungspartner umgesehen, weil sie mit ihrer hauptamtlichen Verwaltung durch die Gemeinde Sylt, zu der auch Westerland gehört, höchst unzufrieden sind. „Es gibt Unstimmigkeiten“, sagt Bürgermeisterin und Amtsvorsteherin Katrin Fifeik aus Wenningstedt-Braderup auf Abendblatt-Anfrage. Um sich später zu korrigieren: „Nein, es ist ein Drama.“

Die Verwaltung der Gemeinde Sylt habe es versäumt, die Haushalte für ihre vier Gemeinden rechtzeitig aufzustellen. „Jetzt sind wir handlungsunfähig.“ Dringende Straßenreparaturen könnten nicht erledigt, ein geplantes Altenheim nicht gebaut, der Hörnumer Hafen nicht modernisiert werden. „Dafür machen wir Bürgermeister Nikolas Häckel von der Gemeinde Sylt verantwortlich.“

Darum schaute sich das Amt, deren wohlklingende Namen gern mit den „schönen und reichen“ Nordseeurlaubern verbunden werden, nach anderen Verwaltungen um. Zum Kreis Pinneberg gibt es sogar einen direkten Draht: Seit sechs Jahrzehnten wird die ehemalige Kaserne in Hörnum als „Fünf-Städte-Heim“ für Jugendreisen von fünf Pinneberger Gemeinden verwaltet.

Wenningstedter Bürgermeisterin hat nach Sylt eingeladen

Im Juli 2021 hatte die Sylter Amtsvorsteherin Fifeik den Ascheberger Bürgermeisterkollegen Thomas Menzel auf die Insel eingeladen. Dort berichtete dieser über die unterschiedlichen Verwaltungen (Amt Großer Plöner See, Stadt Plön, Stadt Quickborn) seiner Gemeinde. So steht es im Sitzungsprotokoll. Bei der Sitzung selbst sei niemand von der Presse gewesen, wundert sich Fifeik.

Menzel sagt, er habe berichtet, wie es funktioniert, wenn eine Verwaltung 70 Kilometer entfernt über zwei Kreisgrenzen hinweg agiert. „Wir haben drei Mitarbeiter bei uns im Rathaus. Alle Ascheberger können ihre Dinge vor Ort erledigen.“ Er sagt: „Bis jetzt strengt sich Quickborn an. Aber wir sind ja auch erst eineinhalb Jahre dabei.“ Wenn einer krank sei, rufe er in Quickborn an und 40 Minuten später wäre Ersatz da. „Das ist für mich Hauptargument.“ Das könne er sich für Sylt kaum vorstellen. „Da müsste man ja mit dem Hubschrauber hin.“

Thomas Köppl (CDU) ist amtierender Bürgermeister in Quickborn
Thomas Köppl (CDU) ist amtierender Bürgermeister in Quickborn © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

Quickborns Bürgermeister Thomas Köppl sagt zu der Sylt-Offerte: „Es ist natürlich eine große Ehre, als Verwaltung angesprochen zu werden, weil andere Gemeinden uns so toll finden.“ Er sei im November zu Sondierungsgesprächen nach Sylt gereist, habe das Thema danach aber eigentlich ad acta gelegt.

Köppl: „Sylt ist zu weit weg. Ascheberg ist dagegen ein Klacks.“ Zwar könne sehr viel Arbeit digital erledigt werden. Aber für manche Dinge brauche es Präsenz vor Ort. Und das sei mit einer Vier-Stunden-Fahrt kaum zu bewältigen. Falls ein Mitarbeiter über Nacht bleiben müsste, stünden keine Wohnungen oder Hotelzimmer auf Sylt zur Verfügung.

Die Sylter Amtsvorsteherin Fifeik sieht eine mögliche Liaison mit Quickborn auch noch in weiter Ferne. „Wir sprechen mit allen möglichen Verwaltungen“, sagt sie, hofft aber, sich noch mit der Gemeinde Sylt arrangieren zu können. „Wir sind uns einig, dass der jetzige Verwaltungsvertrag überarbeitet werden muss.“ Erst wenn das nicht gelingen sollte, würden sie ihre Fühler aufs Festland ausstrecken.

Der Quickborner Erfolg mit der Verwaltung Aschebergs hat indes auch andere unzufriedene Gemeinden hellhörig gemacht. Etwa Bosau, das wie einst Ascheberg zum Amt Großer Plöner See gehört. Bosau habe sich beim Innenministerium erkundigt, ob es nicht wie Aschenberg aus dem Amt ausscheiden dürfe, sagt Bürgermeister Eberhard Rauch. Doch dieser Zug sei abgefahren. Kiel habe das kategorisch abgelehnt. Insofern sei das Thema erledigt. Dann ist da noch die Gemeinde Süsel nahe der Ostsee mit 5100 Einwohnern. Die lässt sich von der Stadt Eutin verwalten, erklärt Bürgermeister Adrianus Boonekamp. Da soll der Vertrag auch überarbeitet werden. Deshalb habe er sich auch bei anderen Verwaltungen erkundigt. „Ich habe auch mit Quickborn gesprochen. Die machen ihre Arbeit sehr gut.“

Neben den Syltern fragen weitere Gemeinden in Quickborn an

Gut ein halbes Dutzend weiterer Anfragen soll es in Quickborn gegeben haben. Von einer kleinen Gemeinde am Nord-Ostsee-Kanal bis zum Ausbildungszentrum der Verwaltungen in Altenholz. „Die Verwaltungsgemeinschaft ist ein Erfolgsmodell“, lobt Quickborns SPD-Sprecher Karl-Heinz Marrek den CDU-Bürgermeister Köppl. „Das ist eine großartige Angelegenheit, die in ganz Schleswig-Holstein positiv betrachtet wird.“

Zumal auch etwas hängen bleibt für die 22.000 Einwohner zählende Stadt, die mit den vier Partnergemeinden rund 40.000 Menschen verwaltet. Der Liquiditätsüberschuss aus den bestehenden Verwaltungsgemeinschaften liege „bei mehr als 400.000 Euro“, teilt Köppl mit. Kosten und Effizienzgewinne rechneten sich für die Gemeinden. „Aber es rechnet sich eben auch für uns. Eine klassische Win-Win-Situation.“

Die FDP-Fraktionsvorsitzende Annabell Krämer ist davon nicht überzeugt. Das sei nur „ein marginales Ergebnis“.