Helgoland. Die touristischen Ambitionen des Eilands sind groß. Darum wird an neuen Attraktionen für noch mehr Besucher gearbeitet. Die Pläne.
Auf der Düne am Strand die Sonne genießen, Seehunde und Kegelrobben kieken, Knieper essen und Eiergrog trinken, an den Hummerbuden vorbeischlendern und in Geschäften zollfrei einkaufen, am Lummenfelsen die einzigartige Vogelwelt beobachten, mit dem Börteboot fahren, die bewegende Geschichte der Insel in Bunkerführungen erleben. Oh, ja, es gibt viel, das nach Helgoland lockt. In den Augen der meisten Touristen – immerhin 75 Prozent – steht der rote Buntsteinfelsen in der Nordsee jedoch für hervorragende Meeresluft und Entschleunigung. Das geht aus einer Gästebefragung von 2021 hervor.
Es ist also nur konsequent, künftig stärker auf Gesundheitstourismus und Achtsamkeitsurlaub setzen zu wollen. „Es besteht zunehmend Bedarf an Kuren für Atemwegs- oder Hautleiden und es entwickelt sich ein neuer Bedarf an Behandlungen von Long-Covid, wie etwa Stress, Depression oder Burnout“, sagt Helgolands Tourismusdirektor Stephan Hauke. Helgoland, mit mehr als 100 Jahren Erfahrung in der Behandlung von Atemwegs- und Hauterkrankungen, biete die idealen Voraussetzungen.
Helgoland könnte in Zukunft eine Sternwarte bekommen
In Zusammenarbeit mit den Physiotherapie-Abteilungen vom Kurmittelhaus sowie dem Kurhotel „Land & Meer“ wurden unterschiedliche Programme entwickelt, wobei der Schwerpunkt auf Gesundheitsreise sowie Kur- und Erholungsferien liegt. Insbesondere die Aspekte „Ruhe, Natur und Meerluft“ bieten laut Hauke ideale Voraussetzungen für eine gesunde „Atempause“ auf Helgoland. Zumal begonnen wurde, noch enger mit Fachärzten und Krankenkassen zusammenzuarbeiten, um Patienten die Angebote unterbreiten zu können.
Ein weiteres Ziel Haukes: Das Potenzial Helgolands, die geringe „Licht-Verschmutzung“ und den dadurch äußerst klaren Sternenhimmel touristisch zu nutzen. Mit der „Fachgruppe Dark Sky der Vereinigung der Sternfreunde – Kommission Lichtverschmutzung der Astronomischen Gesellschaft“ arbeitet er an der Anerkennung als offizielle Sterneninsel durch die IDA International Dark-Sky Association. „Im nächsten Schritt könnte man über eine Sternwarte nachdenken“, sagt er.
Der Neuseeländer, der am 1. Juni 2021 mitten in der Corona-Pandemie den Job als neuer Tourismusdirektor auf der Nordseeinsel antrat, blickt trotz der Einbrüche der Besucherzahlen in den vergangenen beiden Jahren optimistisch auf die neue Saison. Während 2019 noch mehr als 355.000 Tages- und Übernachtungsgäste kamen, ging die Zahl der Gäste wegen der Pandemie auf 210.000 zurück und 2021 mit gut 250.000 Besuchern wieder leicht bergauf.
Touristische Reisen auf die Insel waren in den ersten Monaten 2021 zwar nicht erlaubt. „Aber mit der Lockerung der Corona-Maßnahmen sind Gäste im vergangenen Jahr ab Mitte Mai nach Helgoland gekommen und haben eine verlängerte Saison bis Ende Oktober genossen“, sagt Hauke. Nun steigen die Buchungen wieder.
Und weitere Verbindungen zu der Nordseeinsel sind zum Saisonstart neu dazu gekommen. „Mittlerweile sind wir von neun Startpunkten per Schiff oder Flugzeug zu erreichen“, sagt Stephan Hauke. Schiffe Richtung Helgoland legen von Cuxhaven, Hamburg, Bremerhaven, Hooksiel, Büsum und Sylt ab. Von Spieka, Heide und nun auch Uetersen/Heist gibt es Flugverbindungen zur Insel.
Wassersport soll auf Helgoland an Bedeutung gewinnen
Längerfristig soll auch das Thema Wassersport an Bedeutung gewinnen. Die bestehenden Segelsport-Veranstaltungen wie die jährliche Nordseewoche und der Opti-Cup sollen weiterentwickelt werden. Und die Neuentwicklung einer Marina mit entsprechender Gastronomie und Sanitäranlage ist beschlossene Sache.
Zudem kommen auf Helgoland neue touristische Attraktionen hinzu. Nach mehr als zwölf Jahren wurden auch die Arbeiten am „Bluehouse“-Aquarium begonnen. Ab 2024 können Besucher eine Ausstellung erleben, die von der Geschichte der Nordsee bis zur Zukunft der Meeresforschung reicht. Betreiber ist das Alfred-Wegener-Institut (AWI).
Im Mittelpunkt wird ein 80.000-Liter-Aquarium stehen, das die Unterwasserwelt Helgolands veranschaulicht. Daneben werden in der interaktiven und multimedialen Schau die Auswirkungen des Klimawandels auf Helgoland und die Flora und Fauna der Nordsee näher betrachtet. Finanziert wird das Projekt mit 20 Millionen Euro durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung, das Land Schleswig Holstein sowie die Gemeinde Helgoland.
Äußerlich soll sich das denkmalgeschützte Haus kaum vom alten Aquariumsbau unterscheiden. Neu hinzu kommt allerdings ein bläulich schimmernder Glaskubus, der die Lücke zwischen dem früheren Aquarium und dem Forschungstrakt schließen soll. Auch das Schülerlabor Opensea, das sich noch im Oberland befindet, soll in dem neuen Gebäude untergebracht werden.
Alter Bunkerstollen bringt Tagesgästen Geschichte näher
Das Vorhaben hatte sich verzögert: Anfang 2021 waren die Projekt-Verantwortlichen noch davon ausgegangen, im zweiten Halbjahr 2021 könne das bereits seit Ende 2014 geschlossene, ehemalige Aquarium abgerissen werden. Damals gingen die Planer noch von 14 Millionen Euro aus. Pandemiebedingt kam es zu erheblichen Preissteigerungen in der Baubranche, die sich an dem abgelegenen Standort Helgoland besonders stark bemerkbar machten. Dadurch zog sich das Vergabeverfahren für Abriss und Neubau in die Länge.
Die Konzeption der „Bluehouse“-Aquarium-Ausstellung wurde vom Alfred-Wegener-Institut, dem Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung realisiert. Das „Bluehouse“-Aquarium, so die Hoffnung, wird das Angebot auf Helgoland erweitern und attraktiver gestalten, sowohl für den Tourismus, als auch für die Forschung.
Eine weitere Neuheit: In einem alten Bunkerstollen sollen Touristen ab Ende des Sommers mehr über die Geschichte von Helgoland erfahren. Derzeit laufen die Arbeiten noch, der Eingang wird am Fahrstuhl mitten im Ort im sogenannten Unterland sein. Rund 3,5 Millionen Euro kostet der Ausbau, davon trägt die Gemeinde 2,5 Millionen Euro selbst. EU und Land fördern mit einer Million Euro.
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Der alte Tunnel soll teilweise wieder begehbar sein
Der Tunnel war durch Sprengungen der Alliierten nach dem Zweiten Weltkrieg verschüttet worden. 250 Meter dieses Stollens werden für Besucher wieder begehbar sein. Doch dafür musste erst einmal über viele Monate ein Zugang in den Fels gebaut werden, um den bestehenden Tunnel zu erreichen. In den ehemaligen Verbindungsgang konnten früher die Menschen im Unterland flüchten und dann unterirdisch zu Bunkerplätzen im Oberland gelangen.
Geplant ist, dass die Besucher selbstständig durch den Stollen gehen, um sich anhand von Bildern und Tafeln zu informieren. Der Ausgang ist an der Siemensterrasse. „Das neue Angebot richtet sich vor allem an Tagestouristen, die es zeitlich nicht zu den Führungen im Bunker im Oberland schaffen“, sagt Bürgermeister Jörg Singer.
Es soll keine Konkurrenz zwischen Stollen und Bunker geben, sondern eines das andere ergänzen. An verschiedenen Stationen können sich Besucher über Zwangsarbeit auf Helgoland oder die Angst der Menschen während der Bombardierungen oder die große Sprengung durch die Briten am 18. April 1947 informieren. Der „Big Bag“ hat sich in diesem Jahr zum 75. Mal gejährt.
70 Jahre ist es her, dass die Briten die nicht mehr bewohnbare Insel den Helgoländern zurückgaben und mit dem Wiederaufbau begonnen werden konnte. Dies und die Zugehörigkeit der Insel zum Kreis Pinneberg seit 90 Jahren wird 2022 mit zahlreichen Veranstaltungen auf Helgoland und im Kreis gefeiert. Einen Überblick zur Reihe „Helgoländer Geschichte(n) – eine Insel im Wandel“ findet sich auf www.elbmarschenhaus.de.