Regio-Kliniken werden zum Fass ohne Boden für den Kreis Pinneberg. Sechs Jahre nach der Teilprivatisierung fordert der Hauptgesellschafter Sana AG sieben Millionen Euro und droht zu klagen.
Kreis Pinneberg. Der Ton wird schärfer zwischen dem Kreis Pinneberg und der Sana AG, den beiden Gesellschaftern der Regio Kliniken. Ein seit drei Jahren intern schwelender Rechtsstreit droht offen auszubrechen. Die Sana AG ist jetzt fest entschlossen, ihre kaufvertraglichen Rechte durchzusetzen – notfalls vor Gericht, ließ Deutschlands drittgrößter Krankenhaus-Konzern mit einer dem Abendblatt vorliegenden Klageschrift über eine Hamburger Anwaltskanzlei mitteilen.
Sana fühle sich vom Kreis „in vielerlei Hinsicht arglistig getäuscht“, heißt es darin wörtlich. Wenn der Kreis sich nicht bis Ende Januar dazu äußere, werde Klage eingereicht. Sana fordert insgesamt sieben Millionen Euro vom Kreis. Fünf Millionen sind Bestandteil der Klageandrohung. Zwei Millionen Euro groß soll eine Steuerschuld sein, die die damals noch kreiseigenen Regio Kliniken zwischen 2006 und 2009 nicht ans Finanzamt abgeführt hätten.
Offiziell will sich zu der brisanten Angelegenheit niemand äußern. Nächste Woche Mittwoch berät der Hauptausschuss des Kreistages über die Klageandrohung.
Mit Wirkung zum 1. Januar 2010 hatte das Münchner Klinik-Unternehmen für 2,5 Millionen Euro 74,9 Prozent der Gesellschaftsanteile der damals wie heute defizitären Regio Kliniken erworben. Das restliche Viertel verblieb beim Kreis. Der Kaufvertrag mit Sana war damals im Hauruckverfahren innerhalb von nur zwei Wochen ausverhandelt und vom Kreistag beschlossen worden. Möglicherweise kommt dieser Schnellschuss den Kreis jetzt teuer zu stehen. Dass der Kreis im Kaufvertrag versäumte, seine Verpflichtung, für mögliche Ärztefehler aus der Vergangenheit im Rahmen des kommunalen Schadensausgleiches aufzukommen, an Sana abzutreten, hat die damalige Kaufpreissumme inzwischen aufgefressen.
Nun kommt als weiterer möglicher Bumerang aus dem Kaufvertrag ein alter Darlehensvertrag auf den Kreis zurück, der aus den 90er-Jahren stammt. Dieses Darlehen bediente der Kreis mit jährlich 300.000 Euro, als er 2004 den Eigenbetrieb Kreiskliniken in die gemeinnützige Regio Kliniken GmbH umwandelte. Nach dem Verkauf an Sana stellte der Kreis die Zahlungen ein. Zu Unrecht, wie Sanas Rechtsposition lautet. 1,7 Million Euro wären daraus noch fällig, die der Kreis an die Regio-Kliniken zu zahlen hätte.
Als Sana diese Ansprüche vor drei Jahren vorbrachte, sagte Landrat Oliver Stolz, dass im Kaufvertrag über den alten Darlehnsvertrag nichts vermerkt sei. „Aus unserer Sicht war das ein Zuschuss, den wir für unsere 100-Prozent-Gesellschaft übernommen hatten.“ Eine Weiterzahlung hätte vertraglich geregelt sein müssen. Dies sei nicht geschehen und darum sei der Kreis auch nicht in der Pflicht. Ob der Landrat heute weiterhin an dieser Rechtsposition festhält, war nicht zu erfahren. Kreissprecher Oliver Carstens will ebenso wie Sana-Sprecher Hans-Jürgen Heck zurzeit nichts dazu sagen.
Weitere 3,5 Millionen Euro, die Sana nun notfalls einklagen will, betreffen angebliche erhebliche bauliche Mängel im Klinikum Pinneberg, als dies Anfang des Jahrtausends einen neuen Bettentrakt erhielt. Dabei war nach Darstellung Sanas im großen Stil Pfusch am Bau im Spiel. So sei die Trinkwasserversorgung im neuen Bettentrakt so fehlerhaft eingebaut worden, dass sie den Keimbefall von Legionellen begünstige. Regio habe zwar das Problem sofort erkannt und abgestellt. Aber nur mithilfe aufwendiger Wartungsarbeiten, die jedes Jahr eine Viertelmillion Euro kosteten, um 1000 Wasserfilter auszutauschen. Eine Komplettsanierung der Wasserversorgung, die Sana anstrebt, würde etwa 2,5 Millionen Euro kosten.
Der dritte Punkt, für den Sana nun Schadensersatz vom Kreis fordert, betrifft die Decken im neuen Bettentrakt des Klinikums Pinneberg, wo ein Großteil der 320 Betten untergebracht ist. Dort seien in mehreren Patientenzimmern Risse aufgetreten und der Putz habe sich gelöst. Daraufhin sei das ganze Haus durchsaniert worden, stellt der Hauptgesellschafter dar und fordert dafür rund eine Million Euro zurück.
Ein weiterer Punkt, den Sana noch 2012 geltend machte, hat sich zum Glück für den Kreis inzwischen erledigt. Die Brandschutzarbeiten, die eine halbe Million Euro ausgemacht hätten, um das ehemalige Krankenhaus Uetersen weiter als Sitz der Verwaltung zu betreiben, sind jetzt durch die Verlagerung der Klinikverwaltung nach Elmshorn überflüssig geworden.
Die vorgebrachten „Garantieverletzungen aus dem Anteilskaufvertrag“, so die Kanzlei, seien dem Kreis Pinneberg Ende 2011 erstmals anzeigt worden. Im Januar 2012 und im April 2013 habe der diese Ansprüche zurückgewiesen. Nun will Sana dies offenbar gerichtlich klären lassen. Es sei denn, der Kreis geht bis Ende Januar darauf ein. „Aufgrund der ansonsten partnerschaftlichen Zusammenarbeit auf operativer Ebene“, so der Sana-Anwalt, möchte Sana dem Kreis Pinneberg „noch einmal die Hand reichen und eine einvernehmliche Lösung anbieten“.
Den Regio Kliniken geht es wirtschaftlich nach wie vor nicht gut. Zwischen 2008 und 2013 machte das Unternehmen rund 35 Millionen Euro Verlust, davon 13 Millionen unter der Leitung Sanas. 2014 soll der Verlust im Vergleich zu 2013, als es 9,2 Millionen Euro Minus waren, wieder gesunken sein.