Barmstedt plant, auf städtischem Gelände mitten in der Stadt eine Asylunterkunft mit sechs Wohnungen zu errichten. Dieses Vorhaben stößt sowohl auf Kritik als auch auf Wohlwollen bei den Bürgern.
Barmstedt. Wie überall im Land steigt auch in der kleinsten Stadt des Kreises die Zahl der Flüchtlinge, die die Kommune aufnehmen muss. Darum haben sich der Sozial- und der Bauausschuss in Barmstedt bereits im September darauf verständigt, für Flüchtlinge und Obdachlose auf dem Gelände der ehemaligen Rettungswache an der Feldstraße ein Gebäude mit sechs schlichten Zwei-Zimmer-Wohnungen zu errichten. Jetzt gab der Bauausschuss einstimmig grünes Licht für dieses 480.000-Euro-Vorhaben, das sich mit den Zuschüssen von Land und Kreis für die Unterkunftskosten (350 Euro je Person und Monat) refinanzieren soll.
Die Eigentümer von der Alten Mühle nebenan brachten zuvor ihre Bedenken gegen das Zusammenleben von Obdachlosen und Flüchtlingen in dieser „Sammelunterkunft“ in ihrer direkten Nachbarschaft wortreich zum Ausdruck. SPD-Politiker sehen dagegen in dem Vorhaben die Umsetzung ihres Vorschlags, Flüchtlinge mitten in der Stadt unterzubringen, und setzen auf eine breite Willkommenskultur in der Bevölkerung. Dies zeige sich an vielen ehrenamtlichen Kräften im Arbeitskreis Migration, die diesen Menschen konkret helfen wollen.
Den Unmut der 53 Eigentümer aus der Alten Mühle hatte Jürgen Stiebling von der Hausverwaltung Mahlen Immobilien in einem Schreiben von Ende Oktober zusammengefasst. Demnach fürchten sie, dass sie es überwiegend mit Einzelpersonen und „schwierigen Fällen“ in ihrer Umgebung zu tun bekommen.
Die Anlieger hätten nichts gegen Ausländer und würden sich dagegen verwahren, „in die rechte Ecke gedrängt zu werden“, versicherte der Hausverwalter Stiebling. „Aber wenn nicht ganz einfache Personen in unmittelbarer Nähe zu einem Wohngebiet leben, hat man große Bedenken.“ Zudem müsse es flankierende Maßnahmen für die Betreuung dieser Menschen geben, forderte er im Namen der Anwohner.
Brit Herrmann, die ihren Vater als Eigentümer vertritt, las den Politikern ein dreiseitiges Schreiben vor, in dem sie Einfluss und mehr Transparenz bei der Belegung dieser Asylunterkunft forderte. „Wir haben nichts gegen Flüchtlinge. Aber Flüchtlinge und Obdachlose zusammen machen uns große Sorgen.“
Erster Stadtrat Ernst-Reimer Saß, CDU, versuchte die Anwohner zu beruhigen. In seiner direkten Nachbarschaft lebten seit einem Dreivierteljahr auch einige Asylbewerber, was ihm anfangs durchaus „ein mulmiges Gefühl“ bescherte. Aber wie er jetzt festgestellt habe, „ist das überhaupt kein Problem. Die sind alle nett und wollen helfen.“
Dieser Auffassung ist auch Stefan Bolln, der ebenfalls gleich nebenan lebt. „Wir haben keinesfalls Angst um unsere Kinder, wenn in der Feldstraße eine Unterkunft für Flüchtlinge gebaut wird“, sagt der SPD-Ortsvereinsvorsitzende. Er bitte die Bewohner von der Alten Mühle, sich „nicht emotional zu verrennen“. Als ihre Häuser damals gebaut wurden, habe es ähnliche Stimmen und unnötige Sorgen in der Stadt gegeben, dort entstünde ein neuer sozialer Brennpunkt. Bolln: „Wir alle zusammen sind mit der Verwaltung aufgefordert, eine Willkommensatmosphäre zu schaffen.“
Dafür gebe es schon gute Ansätze in dem Arbeitskreis Migration, bestätigt Barmstedts Fachamtsleiter Uwe Dieckmann. Etwa zwei Dutzend Vertreter der Kirche, Caritas, THW, Parteien und Bürgerschaft träfen sich darin regelmäßig und berieten, wie sie die Flüchtlinge konkret unterstützen könnten. Andja Zdravac, die in Barmstedt für die Caritas seit Jahren Einwanderer berät, hat bereits vor sechs Jahren ein Konzept erarbeitet, wie die 900 Ausländer in der kleinen Stadt besser integriert werden können.
Zudem hat der Sozialausschuss auf seiner jüngsten Sitzung beschlossen, einen Migrationsbeauftragten ehrenamtlich einzustellen, der diese flankierenden Maßnahmen und Initiativen koordiniert. Zum Glück sei Barmstedt noch in letzter Minute ins Landesprogramm aufgenommen worden, das die dazu wichtigen Deutschkurse für Flüchtlinge und Migranten fördert.
Barmstedts Gleichstellungsbeauftragte Petra Krämer will selber mit gutem Beispiel vorangehen. „Ich werde in meinem Haus nächstes Jahr drei Asylbewerber aufnehmen“, sagte sie dem Hamburger Abendblatt.
Solche private Hilfsbereitschaft sei dringend nötig, betont Dieckmann. Aktuell lebten 42 Flüchtlinge, die zu 80 Prozent aus Syrien und Afghanistan kämen, in Barmstedt, sagt er. Das seien dreimal so viele wie vor zwei Jahren. Bis Ende 2014 werde sich die Zahl im Vergleich zu 2012 wohl vervierfacht haben.
Dabei habe die Stadt kaum Möglichkeiten, sich darauf vorzubereiten. „Die Menschen werden uns von Land und Kreis kurzfristig zugewiesen und wir müssen sie innerhalb von drei bis sechs Tagen aufnehmen.“ Bislang sei das immer dezentral gelungen. Dabei sei die Fluktuation recht groß. „In der Regel bleiben die Menschen nur drei bis sechs Monate dort wohnen.“ Ohnehin dürften sich Asylbewerber innerhalb ihres zugewiesenen Landkreises selber eine Wohnung suchen und nach neuester Gesetzeslage nach drei Monaten eine bezahlte Arbeit aufnehmen.
Deshalb sei der geplante Bau in der Feldstraße auch mehr als Übergangsunterkunft für Flüchtlinge und Obdachlose vorgesehen, erklärt Dieckmann. Wobei es derzeit niemanden in Barmstedt gebe, der obdachlos sei.