Engagierte Bürger versuchen, Flüchtlingen die Eingewöhnung in Halstenbek zu erleichtern. Einige können sich bereits vorstellen, in der Gemeinde zu bleiben. Derweil geht die Suche nach Unterkünften weiter.
Halstenbek. Susanne Dietrich war erschüttert. Wo genau in Halstenbek Asylbewerberunterkünfte geplant seien, wollte kürzlich ein Anrufer von der örtlichen Fachbereichsleiterin Bürgerservice wissen. Als sie wiederum nachhakte, was der Grund für diese Frage sei, entgegnete der Mann am anderen Ende der Leitung: Er wolle eine Immobilie erwerben, aber nicht im Umfeld eines Flüchtlingsheims!
Mitbürger dieser Art kann die Gemeinde ganz und gar nicht gebrauchen. Musste die Verwaltung in der Vergangenheit doch ohnehin schon bei Anwohnern um Verständnis werben, nachdem Wohncontainer aufgestellt worden waren und sich dagegen Protest geregt hatte. Flüchtlingen helfen, aber bitte nicht in der direkten Nachbarschaft – eine Sichtweise von Bürgern, mit der viele Städte und Gemeinden umgehen müssen.
Die Verwaltung in Halstenbek versuche, zum einen für Akzeptanz der Asylbewerber in der Bevölkerung zu sorgen, sagt Bürgermeisterin Linda Hoß-Rickmann, und zum anderen, den Flüchtlingen die Eingewöhnung in der neuen Umgebung zu erleichtern. „Ein Rund-um-Paket“, nennt Hoß-Rickmann die Kombination. Weil die finanziellen Mittel der Gemeinde jedoch auf das Bereitstellen des Lebensnotwendigsten für die Flüchtlinge beschränkt seien, freut sich die Bürgermeisterin umso mehr, dass in Halstenbek Anfang dieses Jahres eine Gruppe von etwa 20 engagierten Menschen erstmals zusammenkam, um vor Ort eine neue Willkommenskultur zu schaffen. „Vorbehalte abbauen und für ein positives Klima sorgen“ sei das Ziel gewesen. Die erste Bilanz fällt positiv aus.
Aus Organisationen, die mit Flüchtlingen arbeiten, Politikern, Verwaltungsmitarbeitern, Vertretern der Ideenwerkstatt und interessierten Privatleuten ist eine Allianz entstanden, die den Neuankömmlingen nach ihrer Ankunft in Halstenbek Orientierung und auch ein wenig Geborgenheit gibt. Ein Ansinnen, das auch in weiteren Städten und Gemeinden im Kreis Pinneberg wie zum Beispiel in Wedel mit ähnlichen Projekten verfolgt wird.
In Halstenbek sind es Menschen wie Miriam Utz, Moana Thomas und Christine Blankenburg, die das Projekt mit Leben erfüllen. Die drei Frauen stellen Willkommenspakete für die Flüchtlinge zusammen, in denen Infoblätter mit Wegskizzen zu den wichtigsten Behörden enthalten sind, dazu einfache Gebrauchsgegenstände sowie ein kleiner Gruß in Form von Tee oder Schokolade. „Wenn das Paket an eine Familie mit kleinen Kindern geht, packen wir auch Bücher, ein Puzzle oder Stifte mit hinein“, sagt Moana Thomas. Bislang stammen diese überwiegend aus privaten Beständen der Mitstreiter.
Zur Halstenbeker Integrationsallianz gehören auch Mitglieder der Ideenwerkstatt, die einmal in der Woche einen Bus-Shuttle zur Schenefelder Tafel organisieren. Auch Fahrten zur Kleiderkammer nach Rellingen wurden schon angeboten. Eine gesonderte Arbeitsgruppe kümmert sich zudem um die Begleitung der Flüchtlinge bei Behördengängen. Die Ehrenamtlichen versuchen unter anderem mithilfe von Dolmetschern, Schreiben in Amtsdeutsch verständlich zu machen. Ein nicht ganz einfaches Unterfangen.
Schwierig war bislang auch die medizinische Versorgung der Flüchtlinge. Eine Internistin im Ruhestand kümmert sich nun mit Kollegen in einer Praxis in Hamburg-Horn um die nicht krankenversicherten Patienten. Asylbewerber können zudem Leistungen des Halstenbeker Sozial- und Gesundheitsfonds in Anspruch nehmen, wenn sie sich beispielsweise keine neue Brille leisten können. Geplant sind auch Sprachkurse und sportliche Aktivitäten.
Es ist keineswegs so, dass es diese Unterstützung in Halstenbek vor dem Projekt Willkommenskultur nicht gegeben hätte. So übernimmt etwa Diakonie-Mitarbeiter Jonas Hufeisen in der Friedrichstraße die Beratung und Betreuung von Ausländern, Flüchtlingen und Aussiedlern. Die halbe Stelle des Diplom-Sozialpädagogen und Diakons wird von der Gemeinde finanziert. Doch Hufeisen, der seine Expertise jetzt ebenfalls in das Projekt miteinbringt, konnte allein dem Bedarf an Hilfestellung nicht gerecht werden.
Bei den Flüchtlingen selbst kommt das verstärkte Engagement offenkundig sehr gut an. Amir Shomali aus dem Iran lebt seit März im Kreis Pinneberg und nimmt regelmäßig die Unterstützung Hufeisens in Anspruch. Die Menschen in Halstenbek seien sehr hilfsbereit und freundlich, sagt er. Während er in seiner ersten Anlaufstation in Neumünster das Gefühl gehabt habe, nur durchgeschleust zu werden, sei hier alles viel familiärer. „Ich kann mir sehr gut vorstellen, hier zu bleiben“, sagt Shomali.
Ein Problem vermögen derzeit allerdings weder die Verwaltung noch die engagierten Ehrenamtler zu lösen: Es fehlt weiter an geeigneten Unterbringungsmöglichkeiten. 86 Asylbewerber leben derzeit in Halstenbek, Tendenz steigend. Eine einzige Wohnung wurde der Gemeinde als Reaktion auf einen Aufruf an die Bevölkerung vor wenigen Wochen angeboten. Hoß-Rickmann will jetzt bis spätestens September festlegen, wie die Gemeinde weitere Unterkünfte schaffen will. Sollten sich weitere Anrufer danach erkundigen wollen: Die Standorte stehen nach Angaben der Bürgermeisterin noch nicht fest.
Wer die ehrenamtlichen Kräfte unterstützen möchte, kann bei der Gemeinde Halstenbek unter Telefon 04101/491117 weitere Informationen erhalten. Moana Thomas und ihre Mitstreiterinnen freuen sich zudem über potenzielle Spender, die sich per E-Mail unter willkommenspaket@gmx.de melden.