Bertelsmann-Buchclubs schließen 2015. Uetersens Buchhändlerin Karin Kersten will das nicht so einfach hinnehmen und fordert eine Entschädigungszahlung von dem Konzern
Uetersen. „Die Nachricht war für uns alle ein Schock“, sagt Karin Kersten. Die Inhaberin der Uetersener Buchhandlung Schröder ist seit ewigen Zeiten als Vertrieblerin mit ihrem Geschäft an der Marktstraße eine Anlaufstation für Mitglieder des Bertelsmann-Clubs in Norddeutschland. Die überraschende Ankündigung des Konzerns vom 16. Juni, den seit Jahrzehnten bestehenden Berstelsmann-Club bis 2015 aufzulösen, hat nicht nur Kersten vor den Kopf gestoßen. Nun klagt sie mit anderen Mitgliedern gegen den Konzern.
Als Vertriebler haben Kersten und andere Buchhändler in Deutschland Millionen Euro in das Buchclub-System gesteckt. Ihre Investitionen sollten ähnlich einem Aktienpaket einen Teil ihrer Altersvorsorge sichern. Die einseitige Kündigung der Verträge seitens des Bertelsmann-Konzerns bringe viele Buchhändler und Vertriebler, die teils seit den 50er-Jahren das Clubsystem mit am Leben hielten, nach eigenen Angaben wirtschaftlich in Bedrängnis. Arbeitsplätze stünden auf dem Spiel, bestehende Kundenverhältnisse würden zerstört, Buchläden müssten sich komplett umorientieren, einige sogar schließen.
Ganz so weit ist es bei Karin Kersten nicht. Doch auch sie hat die volle Wucht der Empörung der Bertelsmann-Kunden bereits zu spüren bekommen, obgleich sie an der Entwicklung keine Schuld trägt.
Reinhard Mohn, der 2009 verstarb, hatte die Clubs 1950 als „Bertelsmann Lesering“ gegründet. Dieser hatte sich rasch zum Wachstumsmotor des Konzerns entwickelt. Das Club-Prinzip war einfach und profitabel – für Bertelsmann und für seine Vertriebspartner. Clubmitglieder bestellen mindestens vier mal pro Jahr ein Buch oder andere Medien, die in Lizenz gedruckt wurden, dafür bezahlen sie durchschnittlich zehn bis 20 Prozent weniger als im regulären Verkauf. Der garantierte große Absatz machte eine Kooperation mit Bertelsmann für Verlage interessant.
In den 90er-Jahren betrieb der Gütersloher Medienriese insgesamt 320 Club-Filialen und hatte sieben Millionen Kunden im deutschsprachigen Raum. Das Problem, so Kersten, sei unter anderem gewesen, dass Bertelsmann die Werbung für den Club immer weiter zurückgefahren habe. Die Folge: ein Mitgliederrückgang.
„Derzeit sind etwa eine Million Kunden im Club vorhanden und es gibt noch 52 Geschäfte“, sagt die Uetersenerin. In Norddeutschland werde sie, nachdem vor drei Jahren in Elmshorn der Buchclub dicht gemacht hatte und im September die Hamburger Filiale schließe, die einzige Anlaufstelle für Mitglieder sein.
Für die Verlage wurde der kleiner werdende Club zunehmend uninteressanter als Wirtschaftspartner. Der Buchclub habe nach Aussage von Fernado Carro, Geschäftsführer der Club- und Direktmarketinggeschäfte, keine wirtschaftliche Perspektive. Es gibt laut Bertelsmann auch keine Aussicht darauf, aus dem Club ein zukunftsfähiges Unternehmen zu machen. Die Folge ist das Club-Aus.
„Die Trennung war für uns Vertriebler so nicht vorherzusehen, wir hatten eher eine zunehmende Verlagerung des Geschäftes in den Onlinebereich erwartet“, sagt Kersten. Die Informationspolitik vonseiten des Bertelsmann-Konzernes sei katastrophal gewesen. Eine Stunde, bevor die Information an die Medien ging, erfuhren die Vertriebspartner, die für den Club über Jahrzehnte neue Klienten geworben haben und dafür Provisionen erhielten, von den Konzern-Plänen.
Gemeinsam mit dem Buchhändler und Gruppensprecher Guido Gebhard und der Buchhändlerin Jutta Heyer aus Essen hat Kläger-Sprecherin Kersten dies nicht auf sich sitzen lassen. Das Trio hat stellvertretend für Hunderte von Vertrieblern und Buchclub-Partnern Klage gegen Bertelsmann eingereicht. Denn die einseitige Kündigung, so sind sie sich einig, sei rechtswidrig. Das sieht Bertelsmann anders. Zwar sei im Vertrag zwischen Vertrieblern und Konzern keine Kündigungsklausel vorhanden, wie ein Bertelsmann-Sprecher zugibt. Da aber das Buchclub-Geschäft komplett aufgegeben werde, sei der Verzicht auf eine Kündigung aus Konzernsicht hinfällig. Dass es bislang kein Einvernehmen mit den Vertrieblern gegeben habe, liege auch daran, dass die Geschäftspartner Vorbedingungen für Gespräche gestellt hatten, die nach Ansicht des Bertelsmann-Konzerns inakzeptabel sind.
Die Kläger sehen das wiederum anders. „Wir wollen eine Entschädigung. Insgesamt schätzen wir Vertriebspartner den Schaden, der für uns durch die Schließung entstehen wird, auf einen deutlich zweistelligen Millionenbetrag“, sagt Kersten. Dass nun der Klageweg gegangen werde, habe der Konzern selbst zu verschulden. „Wir hatten im Vorfeld mehrfach auf eine gütliche Einigung gehofft, aber das wurde vom Konzern abgelehnt“, sagt Kersten. „Frau Mohn hatte für den Bertelsmann-Konzern ein faires Miteinander propagiert und dass Verantwortung übernommen werde. Da passt der Vertragsbruch nicht.“
Was die Buchhändlerin abgesehen vom finanziellen Aspekt ärgert, ist die Tatsache, dass die Buchclub-Mitglieder empört sind und die noch vorhandenen Bertelsmann-Buchclub-Filialen mit ihren Mitarbeitern anfeinden. „Nachdem Bertelsmann in Elmshorn geschlossen wurde, kamen die Kunden teils sehr aufgebracht zu uns und beschwerten sich. Wir fühlten uns hilflos“, sagt Kersten. Die folgenden Monate werden für sie und andere daher zu einer Herausforderung. Denn viele Buchclub-Mitglieder wüssten noch gar nichts von dem bevorstehenden Buchclub-Aus. Eine weitere Protestwelle sei zu erwarten.
Für Buchhändler wie Kersten bedeutet das Club-Aus aber auch, dass sie ihr Geschäft umstrukturieren müssen. In ihrem Buchgeschäft in Uetersen sei ein Teil der Flächen stets für die Bertelsmann-Angebote reserviert gewesen. Was mit den künftig frei werdenden Flächen geschehen soll, weiß sie noch nicht. Andere Geschäfte seien noch schlimmer dran als die Uetersener Buchhändlerin. Laut Kersten müssen diverse Buchhändler ihre Geschäfte schließen oder aber in kleinere Geschäftsräume umziehen, weil keine sinnvolle Nachnutzung der künftig frei werdenden Flächen möglich sei. „Ich werde auch weiterhin vor Ort bleiben“, sagt Kersten. Doch das große rote Bertelsmann-Schild über dem Laden – es wird 2015 abgebaut und ein Stück Firmengeschichte werden.