Die Forschungsanlage European XFEL in Schenefeld befindet sich an einer Straße mit dem wenig repräsentativen Namen Holzkoppel. Wohl auch weiterhin. Denn gegen eine Namensänderung formiert sich Widerstand.
Schenefeld. Für die einen ist es Ausdruck purer Provinz, für die anderen ein Zeichen für Heimatverbundenheit und Identität. Es geht um die Holzkoppel und um die angestrebte Namensänderung der Straße. Denn Holzkoppel heißt ausgerechnet die etwa 150 Meter lange Straße in Schenefeld, an deren Ende seit 2009 die mehr als eine Milliarde Euro teure XFEL-Forschungseinrichtung entsteht. Eine Anlage, die über die Stadtgrenzen Schenefelds hinweg strahlen wird – und das nicht nur, weil von 2016 an Röntgenstrahlen von Hamburg-Bahrenfeld aus durch einen Tunnel bis nach Schenefeld geschossen werden. Sondern auch, weil dieses internationale Projekt mehr als 200 Wissenschaftler aus aller Welt an den Standort locken soll. Aus diesem Grund wünschen sich Vertreter der dafür eigens gegründeten XFEL European GmbH eine Adresse, die dem Forschungsstandort gerechter wird.
Wenn es nach European XFEL geht, soll die neue Adresse wissenschaftlicher und internationaler klingen als Holzkoppel 4. Ein entsprechender Vorstoß und zwei Alternativvorschläge, die Straße nach den britischen Biochemikerinnen Rosalind Franklin oder Dorothy Hodgkin zu benennen, beschäftigten am Dienstag den Planungsausschuss. Mit überraschendem Ergebnis. Ein sehr deutliche Mehrheit der Politiker lehnte das Anliegen ab. Sie sprachen sich vielmehr dafür aus, die Kirche im Dorf beziehungsweise die Holzkoppel in Schenefeld zu belassen. Der Straßenname erinnere an die Geschichte der Stadt, wie die Christdemokraten anführten. Sie bekamen dabei von fast allen Parteien Rückendeckung. „Was versprechen wir uns von einem internationalen Namen? So werden Forscher fragen, was Holzkoppel bedeutet und etwas über Schenefeld erfahren. Ein Engländer käme umgekehrt nie auf die Idee, eine Straße nach einer deutschen Wissenschaftlerin zu benennen“, sagte Holm Becker (CDU). Michael Behrens (Grüne) wies daraufhin, dass das Deutsche Elektronen-Synchrotron DESY an der Notkestraße säße, benannt nach einem Maler. „Wir haben das gar nicht nötig. Warum sollen wir die anderen dort ansässige Unternehmen mit einer Änderung belästigen?“
Aus Sicht von Schenefelds Bürgermeisterin Christiane Küchenhof befindet man sich in Sachen XFEL-Adresse auf dem Holzweg. Ihr geht es um die Signalwirkung. „Es würde Schenefeld gut zu Gesicht stehen, sich internationaler auszurichten“, hatte sie am Dienstag in der Sitzung angemerkt. Ohne Erfolg. Auch am Tag danach bedauerte sie, dass sich die beiden Namensvorschläge aus der britischen Biochemieszene nicht durchsetzen konnten. „Es handelt sich hier um eine internationale Forschungsanlage, in die viele Länder zusammen mehr eine Milliarde Euro investiert haben. Mein Herz hängt nicht an einem Namen. Aber es wäre schön, wenn in Schenefeld ein Zeichen des Willkommens gesetzt wird“, so Küchenhof. Für sie mache es deutlich, dass in der Stadt nicht angekommen sei, welche Chancen European XFEL für Schenefeld und die Region eröffne.
Die Wissenschaftler würden hier wohnen, ihre Freizeit verbringen und einkaufen. Zudem könne Schenefeld als Forschungsstandort gerade in Sachen Fachkräftemangel ganz anders auftreten. Mitte Mai soll laut Küchenhof auch erstmals ein Bild vom geplanten öffentlich zugänglich Besucherzentrum präsentiert werden. Davon und von Kooperationen mit der Schule erhofft sie sich ein positiveres Image von XFEL in der Stadt.
Bei European XFEL stößt Schenefelds ablehnende Haltung auf Bedauern. „Das ist eine internationale Einrichtung, in die viele Nationen viel Geld investiert haben, das der Region und Schenefeld zugute kommt. Mit dem Namen Holzkoppel kann keiner unserer Gäste etwas anfangen. Deshalb ist es schade, dass das nicht geändert wird“, sagt XFEL-Sprecher Bernd Ebeling.
Da am Dienstag die Entscheidung am Ende noch einmal vertagt wurde, hat Küchenhof die Hoffnung nicht ganz aufgegeben. Man werde jetzt die betroffenen Unternehmen zur Namensänderung befragen. Doch in der Holzkoppel stößt die Idee auf wenig Gegenliebe. Fünf Betriebe, die in einer Gewerbeimmobilie am Anfang der Straße sitzen, sowie die Sportwelt Schenefeld als unmittelbarer XFEL-Nachbar sind betroffen. Uwe Beckbye ist sehr verärgert, dass man die Betroffenen bislang nicht einbezogen hat und am Dienstag einfach Fakten schaffen wollte. Der Eigentümer der Gewerbeimmobilie, der für seine fünf Mieter spricht, kritisiert den Kostenaufwand als unverhältnismäßig.
„Ich bin strikt dagegen, den Namen zu ändern. Diese komplizierten Alternativvorschläge machen es auch nicht einfacher für die Betriebe.“ Sportwelt-Inhaber Johann Timmermann nimmt das Namensproblem dagegen gelassener auf. Viele Briefbögenköpfe brauche er nicht zu ändern, er würde es nur gern wissen, bevor er die neuen Flyer drucken lässt. Timmermann dazu: „Ich würde bedauern, wenn wir unsere alte Holzkoppel verlieren, aber ich kann das Anliegen von XFEL auch verstehen.“