Norderstedt. Auch mit On-Demand-Dienst „HVV hop“ sollen Gespräche geführt werden. Mit einem weiteren großen Anbieter gab es ein Treffen in Berlin.
Carsharing und Ridepooling beziehungsweise Mobility on Demand: Wer in Norderstedt moderne Verkehrslösungen wie diese nutzen möchte, hat aktuell nur sehr wenige Möglichkeiten. Mit Share Now ist nur ein einziger Carsharing-Anbieter vertreten, und auch nur in Norderstedt-Mitte, mit wenigen Autos. On-Demand-Dienste wie HVV Hop oder Moia fahren in Norderstedt bisher gar nicht.
Doch diese Situation könnte sich künftig bessern. Es gibt gleich mehrere politische Initiativen, Pläne der Stadtwerke für ein eigenes Carsharing-Angebot und außerdem offenbar Interesse von einem namhaften Carsharing-Anbieter – nämlich „Miles“.
Carsharing: Kommt der Anbieter „Miles“ nach Norderstedt?
„Bereits im letzten Jahr haben wir Kontakt mit der Verwaltung in Norderstedt aufgenommen“, sagt Nora Goette, Sprecherin des Unternehmens Miles Mobility. Interesse an einem Engagement in der Stadt sei „durchaus vorhanden“, man prüfe derzeit die „konkrete Ausgestaltung des Angebotes.“
Miles ist ein konzernunabhängiger Carsharing-Anbieter. Die Firma mit Sitz in Berlin wurde 2016 gegründet. Die Fahrzeuge, die über App gebucht werden können, sind unter anderem in Hamburg, Berlin und München unterwegs. Der Betrieb läuft stationenunabhängig, das heißt, die Fahrzeuge können an einem beliebigen Ort wieder abgestellt werden – sofern er sich in einem Gebiet befindet, in dem Miles seine Dienste anbietet.
Miles startete vor einigen Wochen ein Pilotprojekt in Wentorf
Dieser Punkt war bisher die Krux. Miles und andere Carsharing-Anbieter waren bisher hauptsächlich in Großstädten unterwegs. Doch das scheint sich aktuell zu ändern. Miles geht hier im voran, bietet seit dem 15. März testweise den Betrieb auch in Wentorf an, ist auch mit Glinde und Reinbek im Gespräch. „Wentorf ist unser Pilotprojekt im Umland von Hamburg“, sagt Nora Goette. „Wir werten die Auslastung und Nutzung kontinuierlich aus. Auf dieser Basis werden wir dann über einen weiteren Ausbau entscheiden.“
Norderstedts Baudezernent Christoph Magazowski sieht darin auch ein positives Signal für Norderstedt. Denn wenn der Betrieb sich in Wentorf rentiert – 13.500 Einwohner groß und östlich an Hamburg-Bergedorf angrenzend – dann müsste aus seiner Sicht auch Norderstedt mit seinen knapp 85.000 Einwohnern attraktiv sein.
Baudezernent: „Im Thema Carsharing für Norderstedt ist durchaus Bewegung“
In dem Thema Carsharing für Norderstedt ist „durchaus eine Menge Bewegung“, sagt er. Generell sei die Stadt „regelmäßig dabei, den Kontakt zu Carsharing-Anbietern herzustellen“, nachdem der Stadt 2022 mit „Greenwheels“ ein Anbieter verloren ging – das niederländische Unternehmen zog sich damals als ganz Deutschland zurück. Weil sich das Engagement solcher Anbieter aber bisher vordringlich auf sehr dicht besiedelte und städtische Quartiere beschränkt habe, habe man einige „Absagen hinnehmen müssen“. Magazowski glaubt aber, dass sich das nun ändern könnte.
Auch aus der Norderstedter Politik kommt jetzt eine Initiative, die in diese Richtung geht. In einem gemeinsamen Antrag fordern CDU und Grüne, dass die Verwaltung zusätzlich zu Gesprächen mit Miles auch zu dem Anbieter „HVV Hop“ Kontakt aufnehmen soll. Das ist kein Carsharing-Anbieter, sondern ein sogenannter Ridepooling-Dienst, der wie eine Art Sammeltaxi funktioniert. Ähnlich wie bei MOIA werden Fahrten von Nutzern, die ähnliche Start- und Zielpunkte haben, gebündelt.
HVV Hop ist schon seit Winter 2022 in Henstedt-Ulzburg unterwegs
HVV hop firmierte früher unter „ioki Hamburg“ und gehört zum Hamburger Verkehrsverbund. Eingesetzt werden sechssitzige Fahrzeuge, die den Londoner Taxis baugleich sind und per App gerufen werden können. Sie sind unter anderem in Ahrensburg unterwegs und seit gut eineinhalb Jahren auch in Henstedt-Ulzburg, im Rahmen eines Pilotprojekts. Gerufen werden die Taxis über eine App, es kann eine HVV-Karte genutzt werden, dann muss noch ein kleiner Zuschuss pro Fahrt gezahlt werden.
Der Betrieb von HVV Hop wird bezuschusst
Ein wichtiger Unterschied zu Carsharing-Anbietern: HVV Hop funktioniert, wie andere Ridepooling-Anbieter in Deutschland abseits der großen Ballungsräume, nur mit öffentlichen Zuschüssen. Im Falle von Norderstedt könnte das bedeuten, dass die Stadt selbst etwas zum Betrieb beisteuern müsste. Auf eine Abendblatt-Anfrage an den HVV, ob man sich eine Ausweitung des Fahrdienstes auch auf Norderstedt vorstellen könnte, gab es bisher keine Antwort.
Noch deutlich bekannter als HVV Hop ist MOIA. Die 2016 gegründete Tochter des Volkswagen-Konzerns ist mit ihren Fahrzeugen in Berlin, Hamburg und Hannover unterwegs. Mit den Hamburger Stadtgrenzen endet bisher auch das MOIA-Gebiet. Fahrten in Richtung Norderstedt enden aktuell an der Landesgrenze, kurz vor dem Gewerbegebiet Nordport.
MOIA in Norderstedt? CDU-Politiker Patrick Pender fühlte in Berlin vor
Der aus Norderstedt stammende CDU-Landtagsabgeordnete Patrick Pender möchte das ändern und hat deshalb einmal bei MOIA in Berlin vorgefühlt, ob ein Betrieb auch in Norderstedt möglich sei. Seinem Vernehmen nach gab es positive Signale für die Zukunft, es wäre allerdings nötig, dass eine Initiative aus Norderstedt kommt. Und die Stadt müsste wohl auch den Betrieb bezuschussen.
MOIA-Sprecher David Gölnitz sagt auf Abendblatt-Anfrage: „Es gibt aktuell keine Pläne zur eigenwirtschaftlichen Ausweitung des Bediengebietes über die Stadtgrenzen von Hamburg hinaus. Ob wir den Service erweitern, hängt von verschiedenen Faktoren wie beispielsweise der Nachfragesituation und den Finanzierungsmodalitäten ab.“
MOIA-Sprecher über die Bedingungen außerhalb von Ballungsräumen
Gölnitz weiter: „On-Demand-Dienste im Bereich Ridepooling sind außerhalb von Ballungsräumen aufgrund geringer Nutzerzahlen unwirtschaftlich.“ In solchen Gebieten brauche es daher „eine gesicherte Regelfinanzierung für den Aufbau und den operativen Betrieb eines solchen Angebotes.“
Christoph Magazowski sagt dazu: „Ich freue mich, dass Herr Pender parallel zu den städtischen Bemühungen einen Fuß bei Moia in die Tür bekommen hat. Da ziehen Politik und Verwaltung an einem Strang. Aber wir müssten dann über die Höhe eines Betriebskostenzuschuss sprechen und darüber, wie genau das Moia-Netz ausgeweitet werden könnte, welche Stadtteile davon profitieren würden.“
Voraussetzung für eine Umsetzung wäre eine mehrheitliche politische Zustimmung. Im Ausschuss für Stadtentwicklung und Verkehr am Donnerstag, 6. Juni, könnte ein Signal dafür kommen. Denn dann stimmt der Ausschuss über den Antrag von CDU und Grünen ab, Gespräche mit Carsharing- und Ridepooling-Anbietern aufzunehmen.
Und was ist mit den Carsharing-Plänen der Stadtwerke?
In dem Antrag ist auch von der Initiative der Stadtwerke die Rede. Die bemühen sich seit etwa zwei Jahren, ein weiteres Carsharing-Angebot für Norderstedt auf die Beine zu stellen. Das Konzept: Jeder Stadtteil soll mindestens ein E-Auto bekommen. Im Unterschied zu „Miles“ plant man mit einem stationären Modell, die Autos könnten also nur an bestimmten Plätzen abgestellt werden. Orte, an denen die Autos geparkt und geladen werden könnten, hatte man auch schon identifiziert, etwa die Straße Beamtenlaufbahn in Norderstedt-Mitte.
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Zumindest bei CDU und Grünen scheint man allerdings nicht mehr allzu sehr daran zu glauben, dass das Angebot – das 2024 an den Start gehen sollte – auch tatsächlich noch kommt. „Da diese Bemühungen bislang ohne Erfolg sind, sollte dieses Vorhaben nicht weiterverfolgt werden, wenn sich eine Lösung mit einem professionellen Anbieter abzeichnet“, heißt es in dem Antrag.
Christoph Magazowski formuliert es etwas anders. Er sagt: Man könne „versuchen, diese Pläne miteinander zu harmonisieren“, sofern sich ein professioneller Anbieter in Norderstedt engagieren will.