Henstedt-Ulzburg. Ab 12. Dezember gibt es individuell buchbare Fahrten, neue Buslinien, engere Taktungen. Wie die Gemeinde ein Pilotprojekt wird.
Zwei neue und einige erweiterte Buslinien, engere Taktungen, dazu noch ein Angebot „On Demand“, also individuell buchbar: Der Nahverkehr in Henstedt-Ulzburg erhält zum Fahrplanwechsel am 11. Dezember eine Generalüberholung, die über Jahre erst in der Diskussion und dann in der detaillierten Planung war. „Die Bürgerinnen und Bürger haben jetzt eine echte Alternative, um ihr Auto stehen zu lassen. Wir sehen täglich, wie dringend das nötig ist“, sagte Bürgermeisterin Ulrike Schmidt.
Kreisweit ändert sich in keinem Ort so viel wie hier. Denn Henstedt-Ulzburg und seine Bevölkerung nehmen an einem Pilotprojekt für den Raum Segeberg teil: „HVV Hop“. Das gibt es bislang nur in Hamburg-Osdorf, in Ahrensburg und ab Januar noch in Harburg. Schmidt spricht von einem „System für individuelle Fahrten zur Ärztin, in den Gewerbepark oder von der Party nach Hause“. Und die Marketingleiterin der Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein, Susanne Rieschick-Dziabas, sagt: „Es schließt die letzte Meile. Nicht überall kann ein Bus fahren.“
Henstedt-Ulzburg: On Demand – Revolution im Nahverkehr
Dafür ein elektrisches LEVC TX5 mit sechs Sitzen. Das ist nichts anderes als das klassische London-Taxi, nur eben angepasst für die Metropolregion. Bisher waren sie in Kooperation mit einem Tochterunternehmen der Deutschen Bahn – Ioki –, unterwegs, künftig wird alles vereinheitlicht unter dem HVV-Markennamen laufen.
Genutzt wird eine Smartphone-App. Noch heißt diese „Ioki“, ab 7. Dezember ist ein Update verfügbar und der Name ändert sich in „HVV Hop“. Im Gemeindegebiet wird es ausgewiesene Haltepunkte für „HVV Hop“ geben, dazu auch die bestehenden Bushaltestellen. Und ein Start- oder Endpunkt kann eine Privatanschrift sein. Nicht beides, das bleibt den Taxis vorbehalten. Die App erkennt den Standort. Die Fahrzeuge werden per Handy geordert. „Sie sind rollstuhlfähig, es kann eine Rampe ausgeklappt werden. Und auch für einen Kinderwagen ist Platz“, so Rieschick-Dziabas.
On Demand: Gebucht wird über Smartphone-App, es kann nicht bar gezahlt werden
Theoretisch gibt es zwar eine Telefonnummer (040/72 59 48 00), über die gebucht werden kann. Aber vorgesehen ist das nicht. „Wir haben Erfahrungen gesammelt. Es hat sich gezeigt, dass die Menschen, die unterwegs sind, inzwischen auch ein Smartphone haben“, so Claudius Mozer, Geschäftsführer der SVG (Südwestholstein ÖPNV-Verwaltungsgemeinschaft). In Ahrensburg würden 99 Prozent der Buchungen digital ablaufen. Gezahlt wird per Lastschrift, Kreditkarte oder Paypal, das jeweils mit der HVV-App verknüpft werden kann. Eine Zahlung mit Bargeld beim Fahrer ist nicht möglich.
Eine Einzelfahrt kostet 1 Euro, eine Woche 5 Euro, der Monat 15 Euro. Hinzu kommen die regulären Ticketpreise des HVV. Ein Beispiel: Wer von der Theodor-Storm-Straße auf dem Rhen zum Rathaus oder CCU möchte, würde dann über die HVV-App 2,23 Euro für das Ticket zahlen und dazu 1 Euro für den On-Demand-Service. Gefahren werden kann Montag bis Sonnabend von 4.30 bis 0 Uhr sowie sonntags von 8 bis 23 Uhr.
Das gesamte Gemeindegebiet gehört zum Projekt, das erst einmal für zwei Jahre vorgesehen ist. „Aber wir gehen davon aus, dass wir es mit einer dauerhaften Einrichtung zu tun haben“, so Mozer, „wir erwarten einen großen Markterfolg.“ Wenn Henstedt-Ulzburg hält, was sich die Planer versprechen, könnte „HVV Hop“ auch erweitert werden auf weitere Kommunen und Gegenden im Kreis. Strategisch sei das vorgesehen, so Mozer, er denkt da speziell an die ländlich geprägten, nördlichen Gebiete.
Neue Buslinie: Querverbindung vom Rhen bis Quickborn-Heide
Diese Neuheit ist noch nicht alles. Denn was die Menschen in der Großgemeinde ebenso schon lange nervt, ist der reguläre Busverkehr. Zu selten, zu wenig ausgebaut, das waren die Hauptprobleme. Auch das wurde jetzt angegangen. Claudius Mozer: „Die Buslinie 196 existiert zwar schon, ist aber nicht mit dem Gewerbegebiet verbunden. Das holen wir jetzt nach, erweitern sie bis zum Autohof. Es hat dort große Ansiedlungen gegeben, es wird weitere geben. Und das Beste ist, mit dem ÖPNV schon vorher da zu sein.“ Erstmals werden also die großen Gewerbebetriebe in der Rudolf-Diesel-Straße angebunden. Hier gibt es die großen Logistikzentren von Rewe, Netto und Boeing.
Der 293er-Bus wird künftig nicht nur zur Hauptverkehrszeit, sondern durchgehend im 20-Minuten-Takt fahren, was bisher nur im Norderstedter Stadtgebiet der Fall ist. Und dann stellt Mozer eine neue Linie vor: 593. „Diese führt über Harkshörn, den Ortsteil Rhen, die Paracelsus-Klinik und Meeschensee bis Quickborn-Heide. Diese Tangente schließt ein wesentliches Netzstück, denn wir hatten bislang keine Querverbindung. Hiervon versprechen wir uns einiges.“ In Betrieb ist diese aber nur werktags – an Wochenenden soll „HVV Hop“ genutzt werden.
Ab Frühjahr fahren auf zwei Linien elektrische Kleinbusse
Die Linie 296 – auch neu – erschließt Ulzburg westlich der Bahn und verbindet den Ortsteil mit Henstedt, zudem gibt es einzelne Fahrten nach Kisdorf. Und die Linie 7141 (Henstedt-Ulzburg/Nahe) erhält neue Haltestellen und zusätzliche Fahrten.
Ab dem Frühjahr werden auf den Linien 296 und 593 E-Kleinbusse fahren. Derzeit gibt es noch Wartezeiten bei den Lieferungen, sodass übergangsweise konventionelle Dieselmodelle im Einsatz sind. „Bis 2032 wollen wir eine volle Elektrifizierung des Busverkehrs im Kreis.“
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Die Kosten für die Umstellung des ÖPNV teilen sich mehrere Partner. Vom Bund kommen für Henstedt-Ulzburg 2,6 Millionen Euro für den Zeitraum bis 2024. Die Gemeinde zahlt 872.000 Euro, der Kreis den gleichen Anteil.
Henstedt-Ulzburg: Der neue ÖPNV – ein Mann kämpfte mehr als ein Jahrzehnt
Das politische Engagement eines Mannes zeigt übrigens, wie sehr gerade beim ÖPNV derartig weitreichende Umstellungen einen langen Atem brauchen. Jens Müller, lange Zeit Gemeindevertreter für die CDU, hatte schon vor „über zwölf Jahren“, wie er sich erinnert, die Diskussion unter anderem um „Bürgerbusse“ angestoßen. „Wir haben unser Ziel gemeinsam über die Fraktionsgrenzen hinweg angestrebt. Mein Dank gilt den Kommunalpolitikern des Arbeitskreises ÖPNV“, sagte Müller. Ihm dankte Bürgermeisterin Ulrike Schmidt ausdrücklich. „Sie haben nie lockergelassen, insbesondere beim Thema On-Demand. Es lag ihnen am Herzen, sie haben sozusagen den Bus in Rollen gebracht.“