Norderstedt. Nach Razzia von Ordnungsamt und Polizei in Firmenräumen: Bigger Trees sieht sich im Recht und will vor Gericht Präzedenzfall schaffen.
- Jungpflanzen und Samen von Behörden in Norderstedt konfisziert
- Cannabis-Firma Bigger Trees sieht sich zu Unrecht verfolgt
- Unternehmen kündigt an, vor Gericht zu gehen
Die Razzia von Ordnungsamt und Polizei in Norderstedt gegen das Start-Up Bigger Trees, einen Cannabis-Growshop, schlägt weiter hohe Wellen. Nachdem die Behörden am 26. April im Gewerbegebiet Oststraße Hunderte Jungpflanzen und Tausende Samen, also den kompletten Bestand, beschlagnahmten, ist die Diskussion darüber, wer im Recht ist, in vollem Gange. Der Verkauf sei rechtswidrig, hatte die Verwaltung argumentiert, nur der Import aus dem EU-Ausland oder ab Juli der Bezug über Anbauvereinigungen (Cannabis Social Clubs) sei gestattet. Das betroffene Unternehmen sieht das weiterhin komplett anders – und kündigt nun bereits rechtliche Schritte an.
Im Kern geht es darum, ob sogenanntes „Vermehrungsmaterial“ frei verkauft werden darf. Dies beschreibt Stecklinge, die noch nicht blühen, und eben die Samen. Bigger Trees hatte mit der eigenen Anzucht geworben, die Kundschaft konnte vor Ort bis zu fünf Jungpflanzen erwerben. Bis die Behörden aktiv wurden, die Ware vor Ort abschnitten und in einem Müllsack mitnahmen. Was blieb, war der Verkauf von sämtlicher Technik oder auch Dünger für den Anbau daheim. Der ist rechtlich einwandfrei.
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Doch für alles Weitere ist die Rechtsauffassung im Rathaus wie folgt: Wer Cannabis-Stecklinge haben möchte oder Samen, dürfe diese derzeit nur bei Firmen im EU-Ausland bestellen. Was Bigger Trees tat, nannte die Stadt einen „gewerblichen, unkontrollierten Verkauf“. Denn eine geregelte Abgabe, hieß es, dürften ab 1. Juli nur die Anbauvereinigungen (Cannabis Social Clubs) vornehmen.
Die Geschäftsführer des Start-Ups, Florian Reiche und Moritz Kleine, widersprechen dem. Aus ihrer Sicht verbietet das zum 1. April in Kraft getretene Cannabisgesetz keinesfalls den nun gestoppten Verkauf. Und daher bereitet sich die Firma darauf vor, notfalls vor Gericht zu gehen. In einem Statement auf der eigenen Internetseite heißt es: „Nach unserem Verständnis und der Einschätzung aller Anwälte, die wir (schon vor Monaten übrigens) befragt haben, ist der Verkauf von Vermehrungsmaterial in Deutschland eindeutig legal“. Und: „Wir sind daher fest entschlossen, rechtliche Schritte einzuleiten, um diese Ansicht durchzusetzen“.
Start-Up-Gründer: „Was nicht explizit verboten ist, ist erst einmal erlaubt“
Sie sagen: Derzeit sei es gar nicht möglich, legal an Cannabis zu kommen, auch wenn der private Konsum entkriminalisiert wurde. Wer nicht schon vor dem 1. April zu Hause Pflanzen hatte (dann noch unerlaubterweise), muss normalerweise zwei bis drei Monate warten, ehe die Blüte einsetzt. Reiche und Kleine kritisieren diese Situation: „Konsumenten bedienen sich am Schwarzmarkt. Der Schwarzmarkt blüht. Und bei den Genießern blüht es zu Hause nicht früh genug.“
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Daher hatten sie die Dienstleistung angeboten, die Jungpflanzen unter professionellen Bedingungen anzuzüchten, um die Wartezeit zu verkürzen. „Für uns auch logisch: Denn irgendwo muss man ja Samen oder Stecklinge kaufen können, wie soll man denn sonst anbauen? Dass man im Ausland kaufen darf, steht sogar explizit im Gesetz. Erst recht darf man es dann auch im Inland. Denn in Deutschland gilt: Was nicht explizit verboten ist, ist erst einmal erlaubt.“
Zumal es dem Vernehmen nach auch Städte gibt, die anders vorgehen als Norderstedt. In Düsseldorf hat eine Firma sogar auf offener Straße Jungpflanzen verkauft, ohne dass die Behörden einschritten.
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Ob das Unternehmen Recht behalten wird, ist offen. Aber Bigger Trees gibt sich fest entschlossen: „Sobald wir die schriftliche Begründung des Ordnungsamtes erhalten, werden wir rechtlich dagegen vorgehen. Mit aller Kraft!“ Man sei sich der Verantwortung bewusst. „Wir sind der Präzedenzfall, und von unserem Erfolg hängt viel ab.“ Das Problem hierbei: Es wird teuer. Daher bitten Reiche und Kleine jetzt sogar um Geld für Anwälte und mögliche Rechtsgutachten.