Norderstedt. Novum: Zwei Plambeck-Großprojekte in Garstedt werden nur geringe Zahl an Stellplätzen haben. Die Gründe – und die Vorteile.
In einer Wohnung zu leben, ob nun zur Miete oder als Eigentümer, garantiert noch lange keinen Parkplatz für das eigene Auto. Was in weiten Teilen von Hamburg sowieso Standard ist, wird nun auch in Norderstedt erstmals so strikt angewendet wie noch nie. Denn was die Politik nun im Ausschuss für Stadtentwicklung und Verkehr in Bezug auf zwei Großprojekte beschlossen hat, ist ein absolutes Novum. Die geplanten Neubaugebiete des Wohnungsunternehmens Plambeck an der Schumanstraße, direkt am Herold-Center, sowie im Bereich Kohfurth/Stettiner Straße (genannt: „Garstedter Tor“) werden jeweils nur einen Stellplatzschlüssel von 0,3 haben.
Beide Bebauungspläne sind seit Jahren in Arbeit. Bei der Aufstellung, also 2018 für das Garstedter Tor und 2019 für die Fläche am Herold-Center, wurde noch anders gedacht, nämlich einmal mit 243 Stellplätzen für 230 Wohnungen sowie 113 Stellplätzen für 239 Wohnungen. Doch da die Landesbauordnung mittlerweile geändert wurde, ergeben sich andere Möglichkeiten.
Neubaugebiete in Norderstedt: Pro Wohnung in Garstedt nur 0,3 Parkplätze
Demnach wäre ein Schlüssel von 0,7 für mehrgeschossigen Wohnungsbau ausreichend, bei ausreichender Anbindung an den ÖPNV oder im Falle eines geeigneten Mobilitätskonzeptes wäre auch 0,3 erlaubt. Und genau das trifft hier offenkundig zu. „Wir waren immer davon überzeugt, dass sich Kohfurth mit seiner guten Anbindung an das Nahversorgungsgebiet Kösliner Weg und einem gutem Mobilitätskonzept mit geringer Stellplatzzahl realisieren lässt“, sagt Christian Eikhof, Projektleiter für das „Garstedter Tor“.
Unter anderem bedeute das, „dass man 700 Tonnen CO² nicht zu bauen braucht und dass die Tiefgarage 3000 Quadratmeter kleiner werden kann. Wir sind dabei, ein industrielles Gebiet zu entsiegeln, es wäre gut, Grünflächen und Flächen für die Versickerung zur Verfügung zu haben.“
Zum Areal gehört auch eine längst stillgelegte Härterei am Kreisverkehr Kohfurth/Horst-Embacher-Allee, das Grundstück hat Plambeck erworben. Das Projekt wird in einer Gesellschaft zusammen mit der Norderstedter Bank sowie einem Privateigentümer umgesetzt. „Wir möchten bis Ende des Jahres den Satzungsbeschluss haben, das ist auch von der Verwaltung angedacht“, so Eikhof.
Wohnungsbau am Herold-Center: „Man hat dort alles, was man braucht“
Noch nicht ganz so weit ist man bei der Schumanstraße. Dafür wurden dort vor einigen Jahren bis auf ein Wohnhaus bereits sämtliche alte Gebäude abgerissen, darunter war auch ein Reetdachhaus. Da sich anschließend vor Ort nicht mehr viel tat, ist die Brache wieder etwas zugewuchert. Doch die Planungen gingen weiter. Jan-Hendrik Schütt ist hier der verantwortliche Projektleiter. „Wir wollen die Umgebung von Verkehr freihalten, der durch das Quartier generiert wird“, sagt er. „0,3 Stellplätze je Wohneinheit können je nach ÖPNV-Angebot ausreichend sein.“
Aus Sicht der politischen Mehrheit ist das hier definitiv der Fall. „Wenn es ein Gebiet in Schleswig-Holstein gibt, das alle Möglichkeiten dafür hat, dann dieses. Man hat dort alles, was man braucht. Ich glaube, wenn man dort wohnt, muss man nicht weiter als 500 Meter gehen. Ich wage zu bezweifeln, dass Autofahrer in den öffentlichen Raum ausweichen, der ist bereits gut bewirtschaftet, sowohl von der Stadt als auch privat“, so Marc-Christopher Giese von den Grünen.
Kostenfaktor Tiefgarage: Weniger Plätze kommen „auf lange Sicht allen Bewohnern zugute“
Nicolai Steinhau-Kühl (SPD) sieht das ähnlich: „Wir können dem zustimmen. Es ist sinnvoll, an dieser Stelle auf 0,3 zu gehen. Es ist in Norderstedt das Gebiet mit der besten Anbindung, sowohl beim Verkehr als auch bei der sozialen Infrastruktur. Und wenn wir keinen Platz für Autos haben, wird es auch weniger geben.“ Er betont zudem: „Das Bauen wird günstiger, davon haben Mieter und Käufer auch etwas.“
Den Kostenfaktor bestätigt auch Jan-Hendrik Schütt. „Es ist auch ein ökonomisches Thema, das kommt auf lange Sicht allen Bewohnern zugute.“ Umgerechnet kostet ein Tiefgaragenstellplatz eine fünfstellige Summe. Bedenkt man die derzeitige Situation der Baubranche, also die gestiegenen Kosten in allen Bereichen, kann eine Reduzierung direkte Auswirkungen haben darauf, ob und wie schnell große Projekte umgesetzt werden können.
FDP: Niedriger Stellplatzschlüssel ist „nicht verantwortungsvoll“
Kritik äußert die FDP. Fraktionschef Tobias Mährlein ist nämlich nicht überzeugt. „Wir halten es nicht für glaubhaft, dass von drei Wohnungen nur ein Auto gehalten wird.“ Aus seiner Sicht sei der geringe Stellplatzschlüssel „nicht verantwortungsvoll“, er befürchtet Verdrängung in die Nebenstraßen. Joachim Welk (WiN/Freie Wähler) ist ebenso skeptisch. „Ob sich die Menschen daran halten und sich kein Auto anschaffen?“ Auch er fragt sich, wo denn die Fahrzeuge abgestellt würden. „Die Garstedter Feldstraße ist schon zugeparkt.“ Allerdings befindet sich dort sowieso eine Anwohnerparkzone.
Die CDU erwirkte mit einem Antrag für beide Bebauungspläne eine Ergänzung. „Immenser Parkdruck“ herrsche rund um das Herold-Center, darauf wies Stadtvertreter Andreas Münster hin. Der Vorschlag: In der Tiefgarage sollten zwei Plätze für Pflegedienste, im Außenbereich „mindestens vier“ auch für andere Dienstleister, etwa Handwerker, vorgehalten werden. Das wurde für die Schumanstraße so auch übernommen, beim „Garstedter Tor“ könnte es schwierig sein.
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„Das wird das Grundstück wahrscheinlich oberirdisch nicht hergeben“, sagte Baudezernent Christoph Magazowski. Was genau möglich sein wird, dürfte sich dann im weiteren Verfahren zeigen, möglicherweise geht es dann eher um Parkplätze im öffentlichen Raum. Also verständigte sich der Ausschuss auf die Formulierung „circa vier“.
Neubaugebiete in Norderstedt: Projekte in Garstedt nicht unbedingt Vorbild für andere Vorhaben
Eine Blaupause für Norderstedt werden die Beschlüsse aber nicht sein. Denn die Umgebung in Garstedt ist ein Sonderfall. „In Hamburg hat man zum Teil gar keine Stellplätze. Auch Norderstedt hat Flächen, die sehr urban sind, wie das Garstedter Zentrum. Aber es gibt in Schleswig-Holstein auch andere Gebiete. Das muss immer projektspezifisch betrachtet werden“, so Projektleiter Schütt.
So hat es in den letzten Jahren auch in Norderstedt, etwa in Harksheide für die „Grüne Heyde“ oder am Harkshörner Weg, sowie am Glashütter Damm („Sieben Eichen“), intensive Diskussionen zwischen Ortsplanung und Politik gegeben darüber, wie viele Parkplätze in den dortigen geplanten Neubaugebieten vorhanden sein sollten. Vorschläge aus dem Rathaus für eine progressive Mobilität in den Quartieren wurden wiederholt abgelehnt. Sprich: Hier würde es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keine Mehrheit für einen Schlüssel von 0,3 geben.