Norderstedt. Das Start-up Bigger Trees verkauft Jungpflanzen, Stecklinge und Samen. Kunden stehen bereits Schlange. So funktioniert das Konzept.
- Bigger Trees hat am 1. April pünktlich zur Cannabis-Legalisierung einen „Growshop“ in Norderstedt eröffnet.
- Der Laden befindet sich im Industriegebiet an der Oststraße und umfasst eine Fläche von 465 Quadratmetern.
- Das Unternehmen arbeitet mit einem Club-Modell und Ausweiskontrolle.
Beinahe unauffällig hat mitten im Industriegebiet von Norderstedt ein neuer Groß- und Einzelhandel Wurzeln geschlagen: Pünktlich zur Legalisierung von Cannabis in Deutschland am 1. April eröffnet Bigger Trees an der Oststraße auf insgesamt 465 Quadratmetern einen „Growshop“ mit Verkaufs- und Lagerflächen sowie integrierten Anzucht- und Showrooms.
Als eines der ersten Unternehmen in Deutschland bietet Bigger Trees Jungpflanzen, Stecklinge und Samen an. Denn noch immer gibt es Unklarheiten in der Gesetzgebung, die für Unsicherheiten bei Händlern und Käufern sorgen. Während Baumärkte und Gartencenter noch abwarten und die Einfuhr von Pflanzen aus Österreich zu Chaos an den Grenzen führt, treten kleinere Anbieter wie Bigger Trees in Erscheinung und professionalisieren die enorme Nachfrage nach Cannabis-Anbauprodukten. Jeden Tag zur Ladenöffnung stehen Kunden bereits Schlange und warten auf Einlass.
Cannabis in Norderstedt: Geschäftsmodell mit Millionenpotenzial
Hinter Bigger Trees stecken Florian Reiche (50) und Moritz Kleine (26). Seit der Sitzung des Bundesrats am 22. März 2024 standen die beiden in Kontakt mit den Ordnungsämtern und tauschten sich mit den Ministerien für Gesundheit und Landwirtschaft aus. Was ist erlaubt? Was dürfen wir anbieten? „Ich wusste immer, wenn das mal legal ist, dann mache ich das“, erklärt Reiche.
Der ehemalige Investmentbanker, der selbst seit der Studien-Zeit nur sehr sporadisch raucht, hat fundierte Kenntnisse über das riesige Potenzial des Geschäftsmodells. Seiner Analyse nach entspricht der Umsatz mit Vermehrungsmaterial in den legalisierten Märkten etwa 15 bis 20 Prozent. Bei besonders gefragten Sorten kann schon ein einzelner Samen mehr als 100 Euro kosten. Auf Basis der Umsatzerlöse in anderen Ländern, insbesondere Österreich, beziffert Reiche das Marktpotenzial in Deutschland alleine für Samen und Stecklinge daher auf etwa 600 bis 900 Millionen Euro pro Jahr.
„Wir betreten Neuland für Justiz und Exekutive. Als Growshop müssen wir also erst einmal unseren Platz finden und Möglichkeiten austarieren“, sagt er. Klar ist für ihn aber schon jetzt: Bigger Trees will früh einen hohen Maßstab setzen. „Wir wollen die erste Wahl unter den Growshops sein, also hochwertige Artikel führen und dazu professionell beraten“, so Reiche.
Kenner und neugierige Hobbygärtner gehören zu Kunden
Während der Öffnungszeiten werden im Minutentakt Lampen, Säcke voll Erde oder eben eine Pflanze aus dem Laden getragen. „Unsere Kundenstruktur ist durchmischt, vom Kenner bis zur neugierigen Hobbygärtnerin ist alles dabei“, erzählt Moritz Kleine. „Einige wollen einfach konsumieren, klar. Andere sind fasziniert von der Pflanze an sich und der Herausforderung, sie zu pflegen.“
Neben den Kunden finden auch immer wieder angehende Gründer von Anbauvereinigungen bzw. Cannabis Social Clubs (CSC) ihren Weg zu Bigger Trees. In den Vereinen wird der gemeinsame Anbau von Cannabis in limitierten Mengen organisiert, um den persönlichen Bedarf der Mitglieder zu decken „Natürlich sind wir eine Anlaufstelle für Ausstattung und Vermehrungsmaterial von CSCs, aber auch für die Beratung kommen immer wieder Menschen zu uns“, berichtet Florian Reiche. „Der rechtliche und natürlich auch finanzielle Rahmen muss vorab gut ausgelotet werden. Hier helfen wir, so gut wir können, mit Rat und Tat oder eben Finanzierungskonzepten“, sagt er.
Norderstedt: Hunderte von Bestellungen – auch ohne Werbung
Bigger Trees arbeitet mit einem Club-Modell, das die Personengebundenheit samt Ausweiskontrolle sichern soll. Ursprünglich als reiner Rabattclub konzipiert, gewinnt das Konzept jetzt aber an Fahrt, da die Mitgliedschaft auch zum Bezug von Samen und Jungpflanzen berechtigt. „Wir geben die Setzlinge zum Selbstkostenpreis ab. Gewinn machen wir mit dem Equipment. Manche geben da gleich mehrere Tausend aus, aber auch mit wenigen Hundert Euro kann man etwas Vorzeigbares hinbekommen“, sagt Kleine.
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Für den zweifachen Familienvater aus Wellingsbüttel ist Bigger Trees nicht die erste Gründung: Zuvor hat Reiche bereits einen der führenden deutschen Hersteller von LED-Pflanzenlampen mitaufgebaut, wo er auch Moritz Kleine traf.
Im Vertrieb von Growing Equipment sind die beiden also geübt. Und der Zeitdruck der aktuellen Goldgräberstimmung lässt sie rund um die Uhr arbeiten. „Nach Ladenschluss ist nicht Feierabend, sondern wir arbeiten die Onlineshop-Bestellungen ab.“ Hunderte von Bestellungen seien auch ohne Werbung schon hereingekommen. „Die Leute haben den Shop irgendwie gefunden – es ist uns selbst etwas schleierhaft.“ HA