Kreis Segeberg. Immer mehr Privatpersonen melden den Kommunen im Kreis Segeberg Falschparker. Wie eine App dabei hilft und wie die rechtliche Lage ist.
- Falschparker: Kaltenkirchen ist Spitzenreiter im Kreis Segeberg
- In Henstedt-Ulzburg gab es 9457 Vergehen
- Falschparker anzuzeigen, ist legal
Städte und Gemeinden haben die Chance erkannt und die Zahl derjenigen erhöht, die „Knöllchen“ an Falschparker verteilen, denn: Die Einnahmen sind nicht zweckgebunden, sie stopfen genau wie die Hundesteuer Löcher in den öffentlichen Haushalten. Norderstedt hat im Vorjahr immerhin 255.218 Euro aus Parkverstößen eingenommen – und ist damit keineswegs Spitzenreiter im Kreis Segeberg: Kaltenkirchen konnte sich über 335.600 Euro freuen.
In Henstedt-Ulzburg steuerten die Autofahrer, die Parkvorschriften ignorierten, 260.000 bei. In Bad Bramstedt lag die Summe im Vorjahr bei 135.000 Euro. „Seit 2020 kommt es zu einem Anstieg der Fallzahlen in unserem Gemeindegebiet, da zu Beginn des Jahres eine weitere Verkehrsüberwachungskraft angestellt wurde“, sagt Henstedt-Ulzburgs Bürgermeisterin Ulrike Schmidt, die wie die Verantwortlichen in der Region vor allem die Verkehrssicherheit im Blick hat.
In Bad Bramstedt gibt es 30 bis 50 Parkverstöße pro Tag, die Zahl nimmt zu
In Bad Bramstedt haben die Mitarbeitenden, die den ruhenden Verkehr überwachen, seit vorigem Jahr mehr Zeit, Zahlungsaufforderungen an die Windschutzscheiben zu pinnen. „Davor hatten wir 20 bis 30 Parkverstöße pro Tag, jetzt sind es 30 bis 50“, sagt Sandra Jahnke vom Ordnungsamt Bad Bramstedt.
Der Außendienst ermittelt den Löwenanteil der Falschparker. Norderstedt meldet für das Vorjahr 8556 Parkverstöße, 781 gehen auf Privatanzeigen zurück. Und da wiederum gibt es einen Helfer, der von immer mehr Menschen genutzt wird: „weg.li“. Die App erleichtert es, Parksünder an das zuständige Ordnungsamt zu melden. In Henstedt-Ulzburg gab es 9457 Vergehen und in Kaltenkirchen 12.113.
Die beliebtesten Ausreden von Falschparkern
„Bin nur grad beim Bäcker“, „Muss nur eben das Paket ausliefern“, „War sonst kein Parkplatz frei“, „Da habe ich schon immer geparkt“, „Aber ich wohne doch hier“ – Ausreden von Menschen, die beim Falschparken erwischt werden oder wurden. Ein Verhalten, das andere ärgert und vor allem Rad- wie Rollstuhlfahrer behindert. Viele Norderstedter nehmen falsch geparkte Autos und zugeparkte Radwege nicht mehr hin, wehren sich, indem sie Verkehrssünder anzeigen, per Mail und mithilfe von Apps auf dem Smartphone.
Und so funktioniert die digitale Anzeige, nachdem sich Nutzer vorher bei „weg.li“ angemeldet haben: Verkehrssünder fotografieren und Fotos bei „weg.li“ hochladen. Die App analysiert die Beweisfotos automatisch und ergänzt Standort- und Fahrzeugdaten. Die Daten überprüfen, den Verstoß beschreiben und die Anzeige über das Online-Tool per Mail an das zuständige Ordnungsamt abschicken.
Falschparker müssen per Mail oder per Post angezeigt werden
„Entsprechende Anzeigen müssen unser Ordnungsamt per Mail oder per Post erreichen. Aus Sicht der Stadtverwaltung hat sich dieses Vorgehen als gut praktikabel erwiesen“, sagt Nina Wrage, Sprecherin der Norderstedter Stadtverwaltung, wobei auch die via „weg.li“ gemeldeten Verstöße als E-Mail beim Ordnungsamt ankommen.
Laut dem Internet-Portal haben in Norderstedt bisher 17 „aktive Melder“ 32 falsch geparkte Fahrzeuge per Mail an ordnungsamt@norderstedt.de gemeldet. In den vergangenen vier Wochen gab es sechs Anzeigen. 33 Norderstedter und Norderstedterinnen haben sich bei der App registriert.
So gesehen gibt es also 33 ehrenamtliche Mitarbeiter des Norderstedter Ordnungsamtes in der Stadt – und deren Zahl steigt, zwar langsam, aber kontinuierlich. Vor Kurzem ist ein aktiver Melder hinzugekommen, die Zahl der gemeldeten Verstöße stieg um zwei, ebenso wie die Zahl derjenigen, die bei der Falschparker-App registriert sind.
Grundstückszufahrt blockiert – Parkverstöße vor allem im Norden der Stadt
Über die Falschparker-App lässt sich auch ersehen, wo Autofahrer gegen die Straßenverkehrsordnung verstoßen und welche Regeln sie ignoriert haben. Fünf der sechs Vergehen der vergangenen vier Wochen wurden aus dem Norden Norderstedts gemeldet. Im Bereich Zwickmöhlen/Zwickmoor hatten sie einem verkehrsberuhigten Bereich außerhalb der gekennzeichneten Stellplätze geparkt oder Grundstückszufahrten blockiert.
Der sechste hat sein Fahrzeug am Distelweg auf einem Fußgängerüberweg abgestellt.
Es ist legal, Falschparker bei der Polizei oder beim Ordnungsamt anzuzeigen
Deutlich aktiver als die Norderstedter nutzen die Henstedt-Ulzburger das Online-Tool. In den letzten vier Wochen wurden 21 Anzeigen gegen Falschparker per Mail an gemeinde@henstedt-ulzburg.de erstattet. 88 Meldungen insgesamt verzeichnet „weg.li“ für die Gemeinde. Was die Karte zeigt, erinnert stark an einen persönlichen Streit: Allein zehnmal meldete ein Bürger Verstöße von der Ecke Bergstraße/Clara-Schumann-Straße. Fast immer lautete der Vorwurf: Sie parkten weniger als 5 Meter vor der Kreuzung/Einmündung.
Was nach Denunziantentum klingt, ist rechtens. Das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach entschied im November 2022, es sei legal Falschparker anzuzeigen und zu fotografieren. Das Gericht urteilte, dass es im Interesse der Allgemeinheit liegt, wenn Privatpersonen Falschparker bei der Polizei oder dem Ordnungsamt anzeigen. Dazu müssten sie auch nicht persönlich betroffen sein. Das Gericht stellte klar, dass auch die abstrakte Gefährdung ausreichen kann, dass Verstöße durch Bürger angezeigt werden können.
Wer verbotswidrig auf Geh- und Radwegen parkt, zahlt bis zu 110 Euro.
„Es sind nahezu alle Tatbestände vertreten“, sagt Nina Wrage. Und der Bußgeldkatalog ist lang, seit Ende 2021 gelten neue Regeln. Wer verbotswidrig auf Geh- und Radwegen parkt, unerlaubt auf Schutzstreifen hält oder in zweiter Reihe parkt oder hält, zahlt bis zu 110 Euro. Werden dadurch andere Verkehrsteilnehmer behindert oder gefährdet, ist zudem ein Punkt in Flensburg vorgesehen.
Wer in Feuerwehrzufahrten sein Auto abstellt oder Rettungsfahrzeuge behindert, zahlt 100 Euro. Wird das Fahrzeug widerrechtlich auf Behindertenparkplätzen oder Stellplätzen für E-Autos oder fürs Carsharing abgestellt, werden 55 bis 70 Euro Bußgeld fällig.
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Halten in zweiter Reihe: Da hilft auch das Einschalten der Warnblinklichter nichts
Halten in zweiter Reihe wird mit 55 Euro statt wie früher mit 15 Euro bestraft und kann je nachdem, ob man andere behindert oder gefährdet, bis 100 Euro kosten und einen Punkt in der Flensburger Verkehrssünderkartei einbringen. Da hilft übrigens auch das Einschalten der Warnblinklichter nicht.
Über das Ahnden von Parkverstößen durch Privatpersonen gab und gibt es in deutschen Städten und Kommunen Kontroversen: Während manche Ordnungsämter ihre Bürgerinnen und Bürger ermuntern, Verstöße zu melden, sehen andere in der privaten Jagd auf Falschparker eine Form des Denunziantentums.
In Bayern bekamen zwei Männer, die regelmäßig Parksünder auf Radwegen fotografierten und diese Fotos an die Behörden schickten, vom Landesamt für Datenschutzaufsicht ein Bußgeld von 100 Euro wegen des Verstoßes gegen den Datenschutz. Dagegen klagten die Männer mit Unterstützung der Deutschen Umwelthilfe vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach – und bekamen im November 2022 Recht.
Kommunen sind nicht verpflichtet, zu handeln
Das Gericht entschied, dass es legal ist, Falschparker zu fotografieren und anzuzeigen. Das Gericht urteilte, dass es im Interesse der Allgemeinheit liegt, wenn Privatpersonen Falschparker bei der Polizei oder dem Ordnungsamt anzeigen. Dazu müssten sie auch nicht persönlich betroffen sein. Das Gericht stellte klar, dass auch die abstrakte Gefährdung ausreichen kann, dass Verstöße durch Bürger angezeigt werden können.
Für Norderstedt und andere Kommunen ist nach dem Urteil aus Bayern klar, dass sie auf der rechtlich sicheren Seite sind, wen sie Anzeigen von Privatpersonen nachgehen. Verpflichtet, dies zu tun, sind sie aber nicht. Bußgeldverfahren werden nämlich von den Behörden nur nach Ermessen eingeleitet. Die Anzeige durch eine Privatperson ist da nur eine Anregung, dies zu tun. Sie ist der Anfangsverdacht, um eine Ermittlung nach Ermessen zu starten.
Relativ zurückhaltend hingegen verhalten sich die Kaltenkirchener und Bramstedter. In Kaltenkirchen gingen in den letzten vier Wochen sechs Meldungen bei der Stadt ein (verkehrsangelegenheiten@kaltenkirchen.de), in Bad Bramstedt nur zwei (zentrale@badbramstedt.de). Hauptverstoß: Parken auf dem Gehweg.