Norderstedt. Nach „Alptraum für Familien“ an der Segeberger Chaussee: Wie die Oberbürgermeisterin Investoren der Baubranche entgegenkommen will.

Der weiße Gebäuderiegel steht wie ein Mahnmal an der Segeberger Chaussee. 50 Eigentumswohnungen, fast fertig gebaut, ehe der Immobilienentwickler (wir berichteten) pleite ging, die Perspektive, wie es weitergeht, völlig unklar – so etwas hat es in Norderstedt noch nicht gegeben. Und doch ist es eben symptomatisch, die Insolvenzen in der Branche nehmen zu. Ein weiteres Beispiel passiert vor wenigen Wochen in Henstedt-Ulzburg, dort war der Entwickler des Wagenhuber-Quartiers betroffen. Angesichts des hohen Bedarfs an Wohnungen insbesondere im Hamburger Umland stellt sich die Frage, wie es mit der Stadtentwicklung weitergehen soll.

Baudezernent Christoph Magazowski sagte vor wenigen Tagen in einer Ausschuss-Sitzung in einem Nebensatz etwas, das tief blicken ließ. Er verwies auf Gespräche mit der hiesigen Wohnungswirtschaft, und die habe ihm berichtet, dass das Jahr 2024 noch schlechter beginnen habe als das vorherige Jahr bereits war. Steigende Kosten und hohe Zinsen, Engpässe bei Material, gesetzliche Vorgaben, sinkende Nachfrage, das ist eine Mixtur, die wiederum große Bauvorhaben gefährdet. Das weiß auch Oberbürgermeisterin Katrin Schmieder, die seit ihrem Amtsantritt im Januar diese Krise auf ihrem Schreibtisch hat.

Norderstedt: Immobilien-Pleite ein „Albtraum für Familien“

Was an der Segeberger Chaussee passiert sei, nennt sie einen „Albtraum für die Familien, die ihr Vermögen in guter Absicht in schönen Wohnraum investiert haben und nun erleben, dass das Haus plötzlich nicht fertig wird“. Helfen könne die Stadt da aber nicht. „Das ist Privatwirtschaft, wir sind dafür kein Bürge.“

Strategisch macht man sich im Rathaus, dazu zählt gleichermaßen die Politik, und nebenan bei der Entwicklungsgesellschaft Norderstedt aber längst Gedanken, wie wichtige Projekte, die teils seit vielen Jahren in der Planung sind, vorangebracht werden können. Schmieder: „Gemeinsam mit der EGNO sind wir im Austausch, damit diejenigen Firmen, die bauen, es auch zu Ende bauen. Wir nehmen Risikobewertungen vor. Glücklicherweise haben wir in Norderstedt erfahrene Player, uns vertraute, über Jahrzehnte etablierte Unternehmen. Diese spüren die Zinslast und die Baukostensteigerung erheblich.“

Große Wohngebiete: „Was ist mit Kostenträgern wie Tiefgaragen und Stellplätzen?“

Es könnte darum gehen, den Unternehmen entgegenzukommen. Werkzeuge dafür hätten Verwaltung und Fraktionen, theoretisch könnten Vorgaben in Bebauungsplänen angepasst werden, damit Investoren Geld sparen. „Es wird bundesweit und hier einen Prozess geben, auf welchem Standard gebaut wird, was ist mit den Kostenträgern wie Tiefgaragen und Stellplätzen? Da sind wir und auch der Ausschuss für Stadtentwicklung und Verkehr gefragt, inwieweit wir bei Plänen Entscheidungen mitgeben können, die sich auf der Seite des Investors auswirken“, so die Oberbürgermeisterin.

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Und: „Wenn es noch ein Geschoss mehr ist, weil die Flächenausnutzung attraktiver ist, als noch einmal neu anzufangen, wird das ein Thema sein, das Investoren an mich herantragen.“ Allerdings sei es realistisch: „Dort, wo wir heute keine Baustelle sehen, passiert absehbar in den nächsten Jahren nichts mehr.“

Geplante Quartiere in Norderstedt: Verhandlungen über „Grundstücksgrößen, Geschossigkeit, Infrastruktur“?

Vor wenigen Tagen brachte die Politik immerhin wieder Bewegung in eines der großen geplanten Wohngebiete – „Sieben Eichen“ am Glashütter Damm mit potenziell Hunderten Häusern beziehungsweise Wohnungen. Dort könnte in diesem Jahr der erste Bebauungsplan aufgestellt werden, es soll laut Investoren weiterhin eine lange Interessenliste geben. Das Modell sieht vor, dass die Grundstücke verkauft werden, die neuen Eigentümer würden sich dann Bauträger suchen. Man gibt sich trotz allem optimistisch.

Weitere Quartiere sollen langfristig im Norden der Stadt entstehen, dort am Harkshörner Weg sowie zwischen Harckesheyde und Mühlenweg („Grüne Heyde“). Ob sich Katrin Schmieder Sorgen macht, dass daraus nichts wird? „Dass das niemals realisiert wird, glaube ich nicht. Aber ich erlebe, dass wir in den nächsten Monaten noch einmal über Grundstücksgrößen, Geschossigkeit, Infrastruktur verhandeln und diskutieren werden. Wir haben einen Wohnungsdruck, haben Investoren, und wir haben Grundstücke, die wir gerne entwickeln wollen. Ich erlebe hier Bewegung auf allen Seiten und Handlungswillen in Politik und Verantwortung.“