Kreis Segeberg. Verbandsversammlung beim Müllentsorger WZV: Neues Gebührensystem verringert die Müllmengen. Auf Kosten der Natur und der Allgemeinheit?

2023 war das Jahr, das dem Wegezweckverband (WZV) des Kreises Segeberg viele negative Schlagzeilen brachte. Die peinliche, über Monate andauerndeDatenpanne etwa, durch die der Müllentsorger seinen 70.000 Gebührenzahlern in 94 Städten und Gemeinden im Kreis Segeberg ein Dreivierteljahr lang keinen einzigen Bescheid zuschicken konnte. Dazu die schwelenden, Millionen Euro schweren Rechtsstreitigkeiten mit der Stadt Norderstedt und der in der Datenpanne involvierten IT-Firma.

Bei der ersten Verbandsversammlung des WZV im Jahr 2024 bemühte sich Verbandsvorsteher Peter Axmann vielleicht gerade deshalb um den positiven Blick nach vorne. Denn die gute Nachricht sei, dass die vor einem Jahr vom WZV neu eingeführten Abfallgebühren die Kunden tatsächlich zu erheblichen Einsparungen bei den Müllmengen motiviert haben und der WZV sich dadurch viele Abfuhrtouren sparen konnte. Und seit September 2023 sei auch endlich die fast neunmonatige Datenpanne Geschichte und die Gebührenbescheide würden wieder fristgerecht zugestellt.

2000 Tonnen weniger Müll durch neues Gebührensystem

Ralf Martens (rechts, neben Verbandsvorsteher Peter Axmann),  Bürgermeister in Ellerau und Vorsitzender der Verbandsversammlung, sagt über das neue Gebührensystem: „Meine Frau und ich sparen so etwa 50 Euro im Jahr, ein Viertel unserer vorherigen Abfallgebühren ein.“
Ralf Martens (rechts, neben Verbandsvorsteher Peter Axmann),  Bürgermeister in Ellerau und Vorsitzender der Verbandsversammlung, sagt über das neue Gebührensystem: „Meine Frau und ich sparen so etwa 50 Euro im Jahr, ein Viertel unserer vorherigen Abfallgebühren ein.“ © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

Seit Januar 2023 können die WZV-Kunden ihre jährliche Müllgebühr beeinflussen. Je weniger sie sie an die Straße stellen, desto geringer die Kosten. Pro Person wird eine Mindestabfallmenge von 360 Litern im Jahr als Mindestgebühr berechnet. Bei einem Vier-Personen-Haushalt müsste eine 120-Liter-Restmülltonne also mindestens einmal im Monat entleert werden. Wer sie häufiger entsorgen lässt, muss mehr bezahlen. Jede eingesparte Tour bringt ihm acht Euro.

Für Ralf Martens, Bürgermeister in Ellerau und Vorsitzender der Verbandsversammlung, ist dieses System lukrativ. „Meine Frau und ich sparen so etwa 50 Euro im Jahr, ein Viertel unserer vorherigen Abfallgebühren ein, weil wir die Restmülltonne nur noch alle acht Wochen statt bisher monatlich an die Straße stellen. Für uns passt das.“ Familien mit kleinen Kindern, die womöglich viel Windeln zu wechseln hätten, könnten das nicht so umsetzen, weiß Martens. „Aber was ich so höre aus den Kommunen, ist, dass es gut läuft und viele Kunden die Chance nutzen, weniger für ihren Abfall zu zahlen.“

Insgesamt seien so 2000 Tonnen Restmüll von zuvor etwa 56.000 Tonnen im Kreis Segeberg weniger angefallen, heißt es vom WZV. „Das entspricht etwa 33.000 Leerungen einer 120-Liter-Tonne.“ Dadurch seien auch 2000 Tonnen CO₂ weniger in die Atmosphäre gelangt. Gleichwohl hat es etwa 500 Widersprüche und an die 4000 Reklamationen gegen die Abfallbescheide des WZV gegeben, in den meisten Fällen, weil zu viele im Haushalt lebende Personen berechnet wurden. Und das Landeszentrum für Datenschutz hat dem WZV eine Rüge erteilt. Es seien von den Kunden zu viele personenbezogene Daten für das neue Gebührenmodell erhoben worden, monierte die Datenschutzzentrale. Alle diese Daten mussten wieder gelöscht werden.

Sperrmüllabholung abgeschafft

Mit der Einführung des neuen Abfallsystems ist auch die Abholung von Sperrmüll und Grünzeug eingestellt worden. Die Bürgerinnen und Bürger des Kreises müssen ihre ausrangierten Möbel und Gartenabfälle jetzt in einen der Recyclinghöfe in Norderstedt, Bad Segeberg, Schmalensee, Tensfeld oder Neumünster bringen. Das können sie bis zu zwei Kubikmeter täglich kostenlos machen.

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Dadurch konnten 2023 im Vergleich zum Jahr davor 230 Touren für Sperrmüll und 100 Abfuhren für Gartenabfälle eingespart werden, bilanziert der WZV. Diese Umstellung hätte aber nicht zu mehr illegalen Müllentsorgungen im Kreis Segeberg geführt, was einige Bürgermeister zuvor befürchtet hatten. „Das sind unsere Beobachtungen“, sagt Verbandsvorsteher Axmann.

Das kann Nils Böttger vom Ordnungsamt Bad Bramstedt bestätigen. „Eine Steigerung der illegalen Müllablagerungen im Bereich der Stadt Bad Bramstedt kann ich als zuständiger Sachbearbeiter gegenwärtig nicht verzeichnen“, teilt er auf Nachfrage.

Müll wird in der Natur entsorgt

Bürgermeisterin Ulrike Schmidt: Die Leute werfen bei uns in Henstedt-Ulzburg jetzt vollständige Kücheneinrichtungen nebst zugehörigen Elektrogeräten oder Sitzgarnituren in die Landschaft. Die Entsorgung dieses illegal abgelagerten Mülls kostet uns mehr als 20.000 Euro im Jahr.
Bürgermeisterin Ulrike Schmidt: Die Leute werfen bei uns in Henstedt-Ulzburg jetzt vollständige Kücheneinrichtungen nebst zugehörigen Elektrogeräten oder Sitzgarnituren in die Landschaft. Die Entsorgung dieses illegal abgelagerten Mülls kostet uns mehr als 20.000 Euro im Jahr. © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

Auch in Henstedt-Ulzburg hätten sich die illegalen Unrat-Ablagerungen im Gemeindegebiet kaum erhöht, erklärt Bürgermeisterin Ulrike Schmidt. „Wesentlich verändert hat sich nach den Erfahrungen unseres gemeindlichen Baubetriebshofs allerdings die Menge des im jeweiligen Einzelfall abgelagerten Mülls.“ Neben Autoreifen, Altbatterien oder Bauschutt fänden die Mitarbeiter des Bauhofs jetzt vermehrt komplette Wohnungs- oder Zimmereinrichtungen vor. „Beispielsweise sind vollständige Kücheneinrichtungen nebst zugehörigen Elektrogeräten oder Sitzlandschaften keine Seltenheit“, erklärt die Bürgermeisterin.

Das führe zu steigenden Lade-, Transport- und Entsorgungskosten für die Großgemeinde, so Ulrike Schmidt weiter. „In 2023 wurden für die Entsorgung illegal abgelagerten Sperrmülls, den der Bauhof seit dem vergangenen Jahr in seiner Statistik gesondert aufführt, 13.712,39 Euro gezahlt.“ Darin seien aber nur die Lohn- und Transportkosten enthalten. „Die Entsorgungskosten allein für den Sperrmüll können nicht exakt beziffert werden, da der ‚Gewerbemüll zur Sortierung‘ containerweise entsorgt wird. Ein Ansatz von 10.000 Euro dürfte dafür aber realistisch sein“, so Ulrike Schmidt.

Rechtsstreitigkeiten in Millionenhöhe

Wie realistisch die Sieg-Chancen des WZV vor Gericht sind, bleibt abzuwarten. Ebenso unklar ist, ob die Rechtsstreitigkeiten den Verband nicht noch teuer zu stehen kommen. Wer nämlich Schuld ist an der Datenpanne, das werden der WZV und die von dem Verband für die Systemumstellung beauftragte IT-Firma Q-Soft aus Erfurt vor Gericht ausfechten. Und dort wird ebenfalls geklärt, ob die Stadt Norderstedt Umschlagskosten in Höhe von über zwei Millionen Euro aus der Zeit des gemeinsamen Betriebes des Recyclinghofs an der Oststraße zu zahlen hat oder nicht.

„Das sind laufende Verfahren, die wohl gerichtlich entschieden werden müssen“, sagt Verbandsvorsteher Axmann. Er hofft aber, dass er mit der neuen Oberbürgermeisterin Katrin Schmieder in Norderstedt auch eine außergerichtliche Einigung erzielen kann. Das Gesprächsklima habe sich mit ihr deutlich verbessert – ein Seitenhieb auf die abgewählte Vorgängerin Elke Christina Roeder..

Prestigeobjekt des WZV wird nicht gebaut

Die 16 Hektar große Deponie in Damsdorf/Tensfeld bleibt stillgelegt., Und es wird dort auch keine Vergärungsanlage für Bioabfälle für bis zu 40 Millionen Euro errichtet, entschied die Verbandsversammlung des Wegezweckverbandes jetzt auf der jüngsten Sitzung in Negernbötel.
Die 16 Hektar große Deponie in Damsdorf/Tensfeld bleibt stillgelegt., Und es wird dort auch keine Vergärungsanlage für Bioabfälle für bis zu 40 Millionen Euro errichtet, entschied die Verbandsversammlung des Wegezweckverbandes jetzt auf der jüngsten Sitzung in Negernbötel. © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

Weiteren Verdruss dürfte dem WZV diese Entscheidung beschweren: Die Verbandsversammlung erteilte einem wichtigen Prestigeobjekt Axmanns eine deutliche Absage. Der von ihm so sehr gewünschte Bau einer Vergärungsanlage zur Stromgewinnung aus Bioabfällen wird nicht auf dem Gelände der WZV-eigenen Deponie Damsdorf/Tensfeld erfolgen. Das lehnten die Verbandsmitglieder nach Informationen des Abendblatts mit großer Mehrheit ab. Ihnen ist wohl das Risiko zu groß, für dieses 30- bis 40-Millionen-Euro-Vorhaben, das der WZV mit den Stadtwerken Neumünster plante.

Zumal der Verband für das laufende Jahr bei geplanten Aufwendungen von 52 Millionen Euro mit einem Minus von 1,1 Millionen Euro rechnet. Die geplante Vergärungsanlage, die mit 45.000 Tonnen Bioabfällen aus Neumünster, Plön und dem Kreis Segeberg, davon allein 25.000 Tonnen vom WZV, gespeist werden sollte, wird nun wohl in Neumünster oder Lübeck errichtet.

Der WZV darf auch weiterhin keine Abfälle auf seiner 16 Hektar großen Deponie Damsdorf/Tensfeld entsorgen. Das Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume hat sie vor drei Jahren stillgelegt, weil die genehmigte Höchstmenge von 2,3 Millionen Kubikmetern bereits erreicht sei.