Bad Segeberg/Erfurt. Unternehmen hat Klage eingereicht. Warum der WZV auch mit der Stadt Pinneberg und der Kieler Umweltbehörde im Clinch liegt.
Die Software-Panne beim Wegezweckverband (WZV) des Kreises Segeberg, die dazu führte, dass wohl frühestens im September erste Abfallgebührenbescheide an die rund 70.000 Kunden versandt werden können, droht sich jetzt zu einer Schlammschlacht zwischen dem beauftragten IT-Unternehmen aus Erfurt und dem WZV auszuweiten.
Der Rechtsstreit könnte nun sogar vor Gericht ausgetragen werden. So hat das Unternehmen Q-Soft aus Erfurt mitgeteilt, es habe Klage beim Landgericht in Kiel gegen den WZV eingereicht, um ausstehende Honorarzahlungen einzufordern. Es geht um viel Geld. „Offene Rechnungsbeträge in Höhe von über einer halben Million Euro“ stünden noch aus, teilt Q-Soft dem Abendblatt mit.
Software-Panne: IT-Firma fordert 500.000. Euro vom WZV
Dass sich das Unternehmen erst jetzt zu dem Vorgang äußere, habe daran gelegen, dieses „bereits laufende Gerichtsverfahren“ gegen den WZV „nicht zu beeinflussen oder gar zu gefährden“, teilt das IT-Unternehmen aus Erfurt weiter mit. Denn zuvor waren mehrere mündliche und schriftliche Anfragen des Abendblatts nicht beantwortet worden. WZV-Verbandsvorsteher Peter Axmann sagt dazu auf Anfrage: „Eine Klage liegt uns nicht vor.“ Beide Seiten stünden aber sehr wohl im Streit, was Vertrags-, Vergütungs- und Schadensersatzansprüche angeht.
Der WZV hat – wie berichtet – inzwischen ein anderes IT-Unternehmen beauftragt, um die zum 1. Januar dieses Jahres eingeführten Abfallgebührenbescheide endlich mit einer Softwaresystem zum Laufen zu bringen. „Es geht ja nicht darum, nur einen Brief zu verschicken, auf dem Rechnung steht“, erklärt Axmann. Es gehe darum, die Daten der Kunden mit den Entleerungsintervallen der Mülltonnen aus einem geschlossenen System inhaltlich korrekt mitsamt dem Zahlungsverkehr und den hinterlegten Lastschriftverfahren von einem Softwaresystem einheitlich ausführen zu lassen. Das sei bisher nicht gelungen. Darum sei der Auftrag an Q-Soft, der offenbar schon im Jahr 2021 geschlossen wurde, gekündigt und ein anderes Unternehmen damit beauftragt worden.
IT-Firma: Schuld liegt beim Wegezweckverband
Dass das nicht geklappt habe, daran sei allein der WZV schuld, sagt jetzt Q-Soft. So hätte bis zum November 2022 nur sehr schleppend an den Prozessen und Anpassungsanforderungen der Software gearbeitet werden können, weil bis dahin noch keine Abfallgebührensatzung von der Verbandsversammlung beschlossen worden sei. „Wir haben den WZV bereits im August 2022 darauf hingewiesen, dass ohne eine definierte Satzung eine technische Umsetzung zum 1. Januar 2023 nicht möglich sein wird“, teilt Q-Soft mit und schließt daraus:
„Dass also Gebührenbescheide zum Anfang dieses Jahres tatsächlich nicht erstellt werden konnten, lag nicht an einer mangelhaften Software, sondern an der fehlenden gesetzlichen Grundlage, welche der WZV hätte erbringen müssen.“
Kreis Segeberg: Gebührenbescheide sollten eigentlich bis Ende Mai verschickt werden
Warum der endgültige Satzungsbeschluss so wichtig gewesen sein soll, teilt Q-Soft dagegen nicht mit. Denn bereits im August 2021 hatte die Verbandsversammlung des WZV das neue Gebührenmodell für die Abfallentsorgung mehrheitlich mit 50 gegen 17 Stimmen bei neun Enthaltungen beschlossen, das zum 1. Januar 2023 eingeführt werden sollte. Es betraf bis auf Norderstedt, das eine eigene Müllabfuhr betreibt, alle anderen 94 Städte und Gemeinden im Kreis Segeberg. Demnach sollten sich künftig die Abfallgebühren von Einfamilienhausbesitzern denen von Mietern in Mehrfamilienhäusern angleichen. Beide Haushaltsgruppen würden etwa 250 Euro im Jahr für die Müllentsorgung zu zahlen haben, hieß es seinerzeit vom WZV und wurde auch so öffentlich berichtet.
Bis März dieses Jahres sollte dann das Softwareproblem gelöst werden. Ziel sei es gewesen, die Gebührenbescheide bis Ende Mai den 65.000 privaten und 2400 gewerblichen Abfallkunden des WZV zustellen zu können, so Q-Soft. Was WZV-Chef Axmann bestätigt. Bis März 2023 habe man mit Q-Soft versucht, mit angepasstem Zeitplan das Problem zu lösen und die Software zum Laufen zu bringen. „Das ist nicht gelungen.“
IT-Firma: „Ein Teil der Abrechnungsvorgänge hat durchaus funktioniert“
Ein Teil der Abrechnungsvorgänge habe aber durchaus funktioniert, wehrt sich nun das Erfurter IT-Unternehmen. So sei der WZV „spätestens seit Ende März in der Lage, sowohl Rechnungen für den gewerblichen Teil, als auch die Erst- und Vorausleistungsbescheide seiner Gemeinden zu schreiben, zu legen und an die nachgelagerte Finanzbuchhaltung zu übergeben“.
Axmann widerspricht: „Das trifft nicht zu.“ Gleichwohl sieht das Erfurter Unternehmen keine Schuld bei sich. Es habe „alle Anstrengungen unternommen, um das Projekt beim WZV zum Erfolg zu führen“. Dass das Projekt nicht beendet werden konnte, „liegt einzig und allein an der mangelnden Mitwirkung des WZV beziehungsweise der für die Umsetzung zuständigen Mitarbeiter“. Auch dazu sagt Axmann: „Das trifft nicht zu.“
WZV will Schadensersatzansprüche gegen Q-Soft geltend machen
Der Rechtsstreit geht über die angegebenen rund 500.000 Euro hinaus. Denn der WZV hat laut Axmann Q-Soft bereits nach der Auftragserteilung im Jahr 2021 einen „größeren sechsstelligen Betrag“ überwiesen. Dafür, dass nun die vertraglich vereinbarte Leistung aus Sicht des WZV nicht erbracht wurde, werde er Schadensersatzansprüche gegen Q-Soft geltend machen, kündigt Axmann an.
Ab Dezember 2022 wiederum habe der WZV dem beauftragten IT-Unternehmen aus Erfurt die verlangten noch ausstehenden 500.000 nicht mehr bezahlt, klagt Q-Soft. „Aufgrund dessen haben wir von unserem Leistungsverweigerungsrecht Gebrauch gemacht, wobei wir immer wieder die Bereitschaft signalisiert hatten, bei Zahlung eines Teilbetrages das Projekt fortzusetzen.“
Einen Plan B hatte der WZV offensichtlich nicht
Offenbar waren die Fronten zwischen den Vertragspartnern so verhärtet, dass die Geschäftsführerin des IT-Unternehmens im Mai zu einer Sondersitzung des Hauptausschusses des WZV nach Bad Segeberg angereist war, dort aber nicht angehört wurde. Die Sitzung sei nicht öffentlich gewesen, begründet es Axmann.
Kritikern aus der Verbandsversammlung, die sich wundern, warum der WZV nicht einen Plan B in der Hinterhand gehabt und zumindest dann das alte Softwaresystem wieder eingeführt habe, entgegnet der Verbandsvorsteher: „Das war keine Option.“ Zum einen sei das alte System mit 20 Jahren längst überholt. Zudem sei es auf Abfallentgelte konzipiert gewesen. Abfallgebühren sollten ja erst jetzt zum Jahr 2023 eingeführt werden. „Dafür wollten wir eine Software-Lösung aus einer Hand.“
Die Problematik sei aus seiner Sicht auch keine „Katastrophe“ oder gar „ein Chaos“, das er mitverursacht habe, wie ein Mitglied der Verbandsversammlung gegenüber dem Abendblatt klagt. „Es ist vertrackt. Es ist unschön. Wir hätten uns das auch anders vorgestellt“, sagt Axmann. „Aber dass so komplexe Vorhaben nicht immer glattgehen und der Vertragspartner es nicht hinkriegt, ist nicht ungewöhnlich.“ Es würde nun zu einer Verzögerung der Umsetzung kommen, für die das neu beauftragte IT-Unternehmen nicht mehr anderthalb Jahre Vorlaufzeit habe, sondern so schnell wie möglich das System zum Laufen bringen solle.
„Die Liquidität beim WZV ist gewährleistet“
Es sei dem Verband auch kein finanzieller Schaden entstanden, so Axmann. „Die Liquidität beim WZV ist gewährleistet.“ Der Zehn-Millionen-Kredit, den die Verbandsversammlung vorsorglich genehmigt habe, um die Gehälter der 330 Mitarbeitenden bezahlen zu können, sei noch nicht einmal gebraucht worden, so Axmann. „Etwaige Mehrkosten werden wir gegen Q-Soft gerichtlich geltend machen.“
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Dies ist nicht der einzige Rechtsstreit, den der WZV zurzeit führt. Der Verband hat die Stadt Norderstedt verklagt, weil diese sich weigere, die Umschlagskosten für die Restmüllentsorgung in der Stadt Norderstedt auf dem Recyclinghof an der Oststraße seit 2021 zu zahlen. Sie trage seitdem lediglich die Entsorgungskosten für die Verbrennungsanlage in Glückstadt. Die Transport- und Umschlagskosten nicht, erklärt Axmann. Dafür fehlten dem Verband inzwischen rund 1,5 Millionen Euro.
WZV liegt auch mit der Stadt Norderstedt und dem Land im Clinch
Und auch mit der Umweltbehörde des Landes liegt der WZV im Clinch. Diese hatte dem Verband vor zwei Jahren untersagt, die 16 Hektar große Abfalldeponie in Damsdorf/Tensfeld weiter mit Hausmüll zu befüllen. Dagegen hat der WZV beantragt, die Abfalldeponie um bis zu 1,2 Millionen Kubikmeter zu erweitern, um sie noch bis zu 20 Jahre weiterbetreiben zu können.