Henstedt-Ulzburg. 3500 Menschen bei wohl größter Kundgebung aller Zeiten im Kreis. Und: Neuer Vorstoß, um AfD-Treffen im Bürgerhaus zu verhindern.

Auch einen Tag später ist Britta de Camp-Zang noch ergriffen. Das Bündnis für Demokratie und Vielfalt, dessen Sprecherin sie ist, hatte für Henstedt-Ulzburg zu einer Demonstration gegen Rechtsextremismus und gegen die AfD aufgerufen. Doch dass daraus die höchstwahrscheinlich größte Kundgebung aller Zeiten im Kreis Segeberg werden würde, das konnte niemand ahnen. 3500 Menschen aller Generationen, von Senioren bis Familien mit kleinen Kindern, kamen in der Ortsmitte vor dem Rathaus zusammen, zogen friedlich gemeinsam durch die Großgemeinde. Es war ein historischer Tag für Henstedt-Ulzburg.

„Wir hatten 100 Personen angemeldet, haben von 200 bis 250 geträumt, haben gedacht, dass die Welle nach Henstedt-Ulzburg schwappt“, so de Camp-Zang. Umgerechnet: Mehr als jede zehnte Einwohnerin oder jeder zehnte Einwohner war auf der Straße, wobei auch viele aus den Nachbarstädten wie Norderstedt oder Kaltenkirchen dabei waren.

Riesiger Andrang in Henstedt-Ulzburg: 3500 Menschen protestieren gegen Rechts

„Das war ein Zeichen aus dem gesamten Kreis Segeberg“, sagt sie. Und berichtet von Menschen, die sie bisher gar nicht kannte, die sich bei ihr bedankten und sie dankbar umarmten. Das Bedürfnis war also unübersehbar, nicht nur in den deutschen Großstädten zu protestieren, sondern auch außerhalb. „Wir rackern uns seit vier Jahren ab, warnen seit vier Jahren vor der AfD. Jetzt ist es angekommen, den Menschen wird es bewusst“, so de Camp-Zang. „Und es darf jetzt nicht bei diesem einem Mal bleiben, um gegen Rechtsextremismus Flagge zu zeigen.“

Menschen aller Generationen, darunter auch viele aus umliegenden Orten, kamen in Henstedt-Ulzburg zusammen.
Menschen aller Generationen, darunter auch viele aus umliegenden Orten, kamen in Henstedt-Ulzburg zusammen. © Bündnis für Demokratie und Vielfalt Henstedt-Ulzburg | Bündnis für Demokratie und Vielfalt Henstedt-Ulzburg

Bürgermeisterin Ulrike Schmidt, die aus privaten Gründen nicht dabei sein konnte, nennt die Großdemo „sensationell“. Sie sei stolz darauf, „es bestätigt, dass unsere Gemeinde offen und tolerant ist, auch wenn es Stimmen gibt, die rechtsextrem sind“. Denn in Zusammenhang mit der Organisation der Flüchtlings-Unterbringung hat auch das Rathaus per Mail oder auf Infoabenden entsprechende Äußerungen erhalten.

Bürgermeisterin Ulrike Schmidt: Bündnis leistet „riesige Arbeit“

Stimmen, die sich dagegen wehren, müssten „verstärkt lauter werden“, so Schmidt. Und sie glaubt, dass genau dies jetzt in der Bevölkerung angekommen sei. Sie lobt in diesem Zusammenhang das Engagement des Bündnisses, dieses leiste „riesige Arbeit“.

Henstedt-Ulzburg ist, zum Leidwesen vieler Bürger, seit längerer Zeit ein Treffpunkt für die AfD, die das Bürgerhaus für Parteiveranstaltungen nutzt. 2023 war die Gemeinde vor Gericht damit gescheitert, die Nutzung zu untersagen. Denn die Satzung des öffentlichen Gebäudes gestattet ausdrücklich, dass Parteien hier Räume mieten dürfen. Und da die AfD nicht verboten ist, gibt es aktuell keine rechtliche Handhabe. Ebenso wenig überzeugte die Argumentation, dass die öffentliche Sicherheit gefährdet sei – das sei zu pauschal, sagten die Richter.

Henstedt-Ulzburg: Seit Jahren nutzt die AfD das Bürgerhaus für Veranstaltungen

Daran hat auch der folgenschwere 17. Oktober 2020 nichts verändert, als ein damaliges AfD-Mitglied aus Föhrden-Barl mit einem Pickup auf einem Gehweg an der Beckersbergstraße eine Gruppe Gegendemonstranten vorsätzlich rammte und teils schwer verletzte. Im vergangenen Dezember wurde der Täter wegen mehrfacher gefährlicher Körperverletzung zu einer dreijährigen Haftstrafe verurteilt – die Anklage hatte auf versuchten Totschlag plädiert.

Das Bündnis fordert weiterhin vehement, dass Politik und Verwaltung endlich einen Weg finden müssten, damit es im Bürgerhaus keine AfD-Veranstaltungen mehr gibt. Und tatsächlich: Am Tag der Großdemo wurde ein neuer Vorstoß der CDU bekannt. Die größte Fraktion stellt einen Antrag, um die Satzung des Bürgerhauses nach Vorbild der Stadt Reinbek zu ändern.

Seit vielen Jahren nutzt die AfD das Bürgerhaus in Henstedt-Ulzburg für Veranstaltungen.
Seit vielen Jahren nutzt die AfD das Bürgerhaus in Henstedt-Ulzburg für Veranstaltungen. © Bündnis für Demokratie und Vielfalt Henstedt-Ulzburg | Bündnis für Demokratie und Vielfalt Henstedt-Ulzburg

Neuer Vorschlag: Henstedt-Ulzburg sollte sich Reinbek als Vorbild nehmen

Diese ist ähnlich groß wie Henstedt-Ulzburg, im dortigen Schloss hatte es in der Vergangenheit wiederholt Veranstaltungen der AfD oder aus deren Umfeld gegeben. Das führte 2023 zu folgendem Schritt: Das Schloss darf nur noch von Mietern genutzt werden, „die sich schriftlich dazu bekennen, dass die Veranstaltung keine extremistischen, rassistischen, antisemitischen, nationalistischen, sonstigen menschenverachtenden oder antidemokratischen Inhalte hat“, so die CDU.

Weder dürfe die Würde des Menschen verächtlich gemacht „noch Symbole verwendet werden, die im Geist verfassungsfeindlicher oder verfassungswidriger Organisationen stehen oder diese repräsentieren“. Außerdem behält sich Reinbek vor, einen Sicherheitsdienst zu engagieren und dies einem Mieter in Rechnung zu stellen.

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„Aus diesem Grund wollen wir die Verwaltung beauftragen, Kontakt zur Stadt Reinbek aufzunehmen und sich über die Erfahrungen mit der neuen Vorschrift zu erkundigen“, so die CDU. „Wir wollen damit sehr klar unsere Haltung zeigen: Wir erwarten von allen Mieterinnen und Mietern des Bürgerhauses, dass sie sich von rassistischen, extremistischen und anderen menschenverachtenden Ansichten distanzieren und entsprechend verhalten. Wir erhoffen uns, dass eine solche Änderung der Benutzungsordnung dies sicherstellen wird“, sagt der Fraktionsvorsitzende Dietmar Kahle.

Henstedt-Ulzburg: Am 6. Februar berät Politik über Nutzung des Bürgerhauses

Der Ausschuss für Bildung, Jugend, Kultur und Sport wird hierüber am Dienstag, 6. Februar (18.30 Uhr, Ratssaal), diskutieren. „Ich denke, dass der Antrag durchgehen wird“, sagt Ulrike Schmidt. „Wir werden uns dann von Reinbek beraten lassen.“ Ihren Amtskollegen kenne sie persönlich, die Bürgermeisterin regt auch an, dass sich Städte und Gemeinden hierbei gemeinsame Strategien überlegen sollten.

Wie es geht, zeigt übrigens auch Nachbar Kaltenkirchen. Im dortigen Bürgerhaus dürfen sich nur ortsansässige Parteien treffen, es gibt zudem keinen Rechtsanspruch auf eine Bereitstellung von Räumlichkeiten. Allerdings gebe es einen entscheidenden Unterschied, so Dietmar Kahle: „Kaltenkirchen hat für sein Bürgerhaus einen Pächter. Das ist bei uns nicht so, die Gemeinde ist der Betreiber.“