Tangstedt. Renommierter Bioland-Hof fordert – auch vom Bauernverband – Umdenken in der Agrarpolitik. Das sind die Vorschläge der Inhaber.
Es ist das große Gesprächsthema in diesen Tagen, erst recht in Schleswig-Holstein als Bundesland mit einem signifikanten Anteil an ländlichem Raum und damit auch Landwirtschaft in allen Facetten. Am Freitag gingen die Bauernproteste, an denen sich teils auch der Mittelstand, etwa das Handwerk und die Speditionsbranche, beteiligt, weiter, nachdem es insbesondere am Montag bereits zahlreiche Aktionen auch in Norderstedt und im Kreis Segeberg gegeben hatte. Zu einer großen Kundgebung im Zentrum der Landeshauptstadt Kiel rollten mehr als 3000 Fahrzeuge an, die meisten davon Traktoren. Aus dem Kreis Segeberg waren am frühen Morgen erneut zwei Konvois gestartet, einer aus Fahrenkrug, der andere aus der Nähe von Bad Bramstedt.
Nun hat sich auch das Gut Wulksfelde zu Wort gemeldet. Und erklärt, warum man beim Bauernprotest nicht dabei ist. Der im Hamburger Raum renommierte Bioland-Hof aus Tangstedt wäre natürlich auch von einer Kürzung bei den Agrardiesel-Subventionen betroffen. Aber die Geschäftsführer Rolf Winter und Hauke Rüsbüldt plädieren für eine weitaus differenziertere Sichtweise. „Im Kern fühlen sich die Bäuerinnen und Bauern tief verunsichert und sehen keine Perspektive für ihre Betriebe: Ständig steigen die Produktionskosten, zunehmende Umweltauflagen verteuern die Erzeugung und verschärfen die wirtschaftliche Lage“, schreiben sie in einer Stellungnahme.
Bauernproteste: Warum das Gut Wulksfelde aus Tangstedt nicht mitmacht
„Gleichzeitig ist der Großteil der Bäuerinnen und Bauern ohnmächtig, sie haben keinen Einfluss auf die Preise ihrer Produkte. Diese werden von vier Lebensmittelkonzernen sowie Großmolkereien und Großschlachthöfen bestimmt. Den Landwirtinnen und Landwirten bleibt nur die Wahl, durch Spezialisierung und Wachstum die Produktionskosten zu senken.“
Die Betreiber des Guts kritisieren die bestehenden Strukturen und auch das System der finanziellen Zuschüsse. „Seit über 30 Jahren werden enorme Agrarsubventionen von rund 40 Milliarden Euro jährlich gießkannenmäßig über alle Betriebe als Flächenprämie ausgeschüttet. Wachsen oder Weichen ist die Devise. Strukturwandel heißt es, tatsächlich ist es ein massives Höfesterben. Es ist offensichtlich, dass die Agrarpolitik in einer Sackgasse steckt.“
„Änderung dieser Agrarpolitik hat der Bauernverband bislang wirksam verhindert“
Und zusätzlich sei dies mit „erheblichen ökologischen Problemen verbunden“. Winter und Rüsbüldt zählen auf: Nährstoffüberschüsse, Gewässerbelastung, Pflanzenschutzmitteleinsatz und Insektensterben, Biodiversitätsverlust und mangelnder Tierschutz seien „massive Probleme“. Aber sie sehen die Verantwortung keinesfalls nur bei den jeweiligen Bundesregierunge. „Eine Änderung dieser Agrarpolitik hat der Bauernverband bislang wirksam verhindert.“
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Sie räumen ein: Bleibt es dabei, dass die Agrardiesel-Subventionen, wie nun vorgesehen, schrittweise bis 2026 verschwinden werden, werde auch Wulksfelde einen „spürbaren Verlust“ erleiden. Nur: Trotzdem macht das Gut bei den Bauernprotesten eben nicht mit. Und das hat mehrere Gründe. So sehe man, dass die Bundesregierung die Kürzungen teilweise zurückgenommen habe. Denn die Kfz-Steuerbefreiung für landwirtschaftliche Fahrzeuge, die sogenannte „Grüne Nummer“, bleibt. Und: „Wir finden die Entwicklung umweltfreundlicher Treibstoffe auch für schwere Landmaschinen wichtiger als eine umweltschädliche Subvention von Kraftstoffen.“
Gut Wulksfelde: „Wir halten nur so viele Tiere, wie wir von unseren Flächen ernähren können“
Es müsse sich vieles ändern, sagen Winter und Rüsbüldt: „Auf Gut Wulksfelde gehen wir seit Langem einen anderen Weg und haben uns für die Bioland-Landwirtschaft entschieden: Wir halten nur so viele Tiere, wie wir von unseren Flächen ernähren können. Wir verzichten auf mineralische Stickstoffdünger und chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel, orientieren uns an der Kreislaufwirtschaft, haben eine hohe Vielfalt an Kulturpflanzen auf dem Acker und halten drei Tierarten: Rinder, Schweine und Hühner – eine Seltenheit auf Bauernhöfen mittlerweile.“ Zwölf Prozent der Flächen kämen der Natur zugute, „in Form von Knicks, Amphibienteichen, Flachlandmähwiesen und Blühflächen“.
Das Gut Wulksfelde fordert daher einen „Masterplan“ für die Landwirtschaft, damit diese zukunftsfähig werden kann, im Sinne einer „Agrarwende“. Denn: „Die Unterstützung solcher Bestrebungen und die Motivation anderer Höfe zur nachhaltigen Bewirtschaftung wäre eine wahre Investition in die Zukunft. Agrarsubventionen sollten sich nicht nur an der Größe der Höfe bemessen, sondern sich vorrangig daran orientieren, welche ökologischen und damit gesellschaftlichen Leistungen erbracht werden.“