Norderstedt. Verkehrschaos droht im Kreis Segeberg und der Region. Ein Mitorganisator erklärt, warum Landwirte gegen die Politik mobil machen.

Die Motivation ist hoch. Sowohl bei Wulf Mette wie auch bei vielen Hundert anderen Landwirten aus der Region. Sie sind fest entschlossen, den kommenden Montag (8. Januar) zum Protesttag gegen die Politik der Bundesregierung zu machen. Es soll eine ganze Aktionswoche werden, nicht nur im Norden, sondern in ganz Deutschland, bis hin zur Großkundgebung am 15. Januar in Berlin. Mette ist seit Tagen mittendrin in der Vorbereitung. Der Milchbauer aus Ellerau organisiert im Kreis einen der großen geplanten Konvois, und zwar jenen, der um 9 Uhr vom Parkplatz vor dem Kulturwerk in Norderstedt losrollen wird.

„In meinem Berufsstand brennt die Luft, die Unzufriedenheit ist einfach da“, sagt der 47-Jährige. Er stellt klar: Dass die Bundesregierung nun die Befreiung der Landwirtschaft und Forstwirtschaft von der Kfz-Steuer beibehalten möchte und die Streichung der Agrardiesel-Erstattung strecken will, ändert nichts an den Demonstrationen. „Ich war überrascht, als ich es das erste Mal gehört habe. Im Endeffekt ist es nicht unser Ziel gewesen, ein Bonbon reicht nicht, um die Situation zu beruhigen.“ Sein Wunsch: Beide Maßnahmen sollten komplett revidiert werden.

Bauernprotest in Norderstedt, Hamburg und dem Norden: „Wir wollen die Bevölkerung nicht ausbremsen“

Warum ist besagter Agrardiesel so ein brisantes Thema? Mette erklärt es: „Wir bekommen einen Teil der Steuer zurückerstattet, die wir im Vorwege ausgegeben haben. Am Ende eines Jahres weisen wir dies über die Liefermenge aus. Denn wir fahren ja größtenteils nur auf landwirtschaftlichen Flächen.“ Und eben nicht auf Straßen, und für deren Unterhalt sei ja die Steuer gedacht, die beim Diesel 47,04 Cent pro Liter beträgt. Davon bekommt Mette 21,48 Cent zurück. Insgesamt geht es laut Bauernverband um 440 Millionen Euro. Die Rechengrundlage: Pro Hektar werden im Jahr 110 bis 120 Liter Diesel verbraucht.

„Ich empfinde das als fair, das war geübte Praxis. Es war auch, um gewisse Wettbewerbsnachteile auszugleichen, da es in der EU unterschiedlich gehandhabt wird – von höheren Steuersätzen bis zu gar keinen Steuern auf Agrardiesel. Es ist schwierig, denn wir verkaufen ja irgendwie doch alle auf einem Markt.“

Wettbewerbsnachteile gegenüber der EU-Konkurrenz

Es ist also auch ein europäisches Problem. „Das wird auch weiterhin bestehen, da müssen wir uns nichts vormachen. Das ist in vielen Bereichen so, ob nun beim Baurecht oder beim Düngerecht. Es ist manchmal auch okay, es sind auch teilweise unterschiedliche Gegebenheiten, selbst in unseren Bundesländern haben wir Unterschiede. Da gab es in einem eine Förderung auf Stallbau, im anderen nicht.“

Im EU-Vergleich erwarten die Bauern also, dass die deutsche Bundesregierung zumindest für angemessene Bedingungen im Wettbewerb sorgt. Doch das Vertrauen in die politische Führung ist unterschiedlich. „Wenn ich das auf Schleswig-Holstein herunterbreche, habe ich schon das Gefühl, mit Landwirtschaftsminister Werner Schwarz einen sehr kompetenten Partner sitzen zu haben, der weiß, wo es den Betrieben drückt.“ Der CDU-Politiker war bekanntlich zuvor Landesvorsitzender des Bauernverbandes, er steht inhaltlich uneingeschränkt hinter den Forderungen der Branche.

Wulf Mette aus Ellerau betreibt einen Milchbetrieb in fünfter Generation

Die Solidarität der Bäuerinnen und Bauern untereinander ist stark. „Wir ziehen hoffentlich alle an einem Strang. Es wäre schade, wenn wir uns noch spalten würden, dann hätten wir auch überhaupt keine Außenwirkung mehr.“

Mette ist gelernter Landwirt, betreibt den Hof an der Dorfstraße in fünfter Generation, er ist hier aufgewachsen. „Es sind momentan 80 Kühe, die wir melken, plus die Nachzuchten.“ Jetzt sind die Kühe im Stall. „Im Frühjahr, Sommer und Spätsommer haben sie einen Weidegang.“ Etwas Getreideanbau betreibt Mette ebenso, einen Teil verfüttert er, nutzt auch das Stroh. Er hat einen festen Mitarbeiter, eine Auszubildende und mehrere Aushilfen auf seinem Hof.

„Vor 20 Jahren war es noch entspannter“

„Nach wie vor finde ich, dass ich einen schönen Beruf habe. Was mit der Arbeit zusammenhängt, macht Spaß.“ Natürlich seien Dinge von außen dazugekommen, „die ich als anstrengend empfinde, um die ich mich trotzdem kümmern muss und die nichts mit meiner eigentlichen Arbeit im Stall zu tun haben“, sagt er. „Das war vor 20 Jahren noch eine ganze Ecke entspannter.“ Seine Milch wird an die Meierei in Struvenhütten geliefert. Dort wird diese zu Vorprodukten verarbeitet und kommt in den weiteren Verkauf. Unter anderem für eine Marke wie Exquisa, die auch im Ausland verkauft wird.

Er kann davon leben. „Wenn man es davon betrachtet, was man vom Aufwand, von den Arbeitsstunden reinsteckt, bin ich sicherlich schlecht bezahlt. Es schwankt sehr stark. Das letzte Jahr war solide, aber es waren auch Jahre dabei, da musste ich angespartes Geld nutzen, um meinen Lebensunterhalt durchzukriegen.“ Das sind Jahre, in denen seine Milch für einen zu geringen Preis abgenommen wird – was wiederum zur Folge haben kann, dass kaum in den Hof, in eine Modernisierung investiert werden kann.

Höhere Preise? „Günstige Lebensmittel für alle ist eigentlich ein guter Gedanke“

Auf die Preisentwicklung hat er so gut wie gar keinen Einfluss. „Der Milchpreis schwankt durch Angebot und Nachfrage.“ Läuft es gut, erweitern Landwirte gegebenenfalls die Produktion – und das Angebot steigt wieder.

„Das führt dazu, dass der Einzelhandel die Preise drücken kann. Und da gibt es nur noch ein paar Große, mit denen verhandelt wird. Und es ist nicht nur Schleswig-Holstein oder deutschlandweit, schon eine Dürre in Australien spielt eine Rolle. Milchpulver oder Butter können auch von dort hierher geschifft werden.“

Überall in Deutschland sind Bauern auf der Straße, so wie hier vor dem Jahreswechsel in Siegen (Nordrhein-Westfalen).
Überall in Deutschland sind Bauern auf der Straße, so wie hier vor dem Jahreswechsel in Siegen (Nordrhein-Westfalen). © Funke Foto Services | Ralf Rottmann

Vielleicht wäre es anders, wenn die Lebensmittelpreise in Deutschland generell höher wären, das hatte kürzlich etwa der Bundesvorsitzende des Bauernverbandes gefordert. „Klar, das wäre gut für mich. Aber das Wichtigste ist, dass wir überhaupt Lebensmittel haben. Und günstige Lebensmittel für alle, das ist eigentlich ein guter Gedanke. Bei einer Befragung würden wohl auch viele sagen, dass sie mehr ausgeben würden. Aber was dann nachher gekauft wird, wenn man vor dem Regal steht, ist die zweite Sache.“

„Es wäre schön, wenn ich nicht mehr so abhängig wäre von Subventionen“

Ob er frustriert ist? „Es ist ein Wechselbad der Gefühle. Als jetzt das mit der Steuer herauskam, war das schon ein Schlag ins Genick. Wenn ich sehe, was wir an Arbeit, an Mühe reinstecken, empfindet man das als undankbar. Es wäre ein schönes Gefühl, wenn ich nicht mehr so abhängig wäre von den Subventionen. Aber man verstehe, wofür die sind, es geht um den Grundgedanken, die Lebensmittel für alle günstig zu halten – es wäre für viele Betriebe ohne Subventionen nicht machbar, und es würde den Strukturwandel durcheinanderbringen.“

Er sei sich sicher: „Ein Betrieb, der zugemacht hat, macht nicht wieder auf, ein Milchbetrieb fängt nicht wieder an, zu melken. Da stehen vielleicht dann Wohnwagen im Kuhstall oder Pferde.“

Montag: Konvoi des Bauernverbandes startet um 9 Uhr am Kulturwerk in Norderstedt

Was wird Montag passieren? Er wird ungefähr ab 8 Uhr vor dem Kulturwerk sein, Mette ist Versammlungsleiter – er fährt voraussichtlich an erster Position, hinter der Polizei, dann folgt die Kolonne. Es geht über den Langenharmer Weg auf die Ulzburger Straße, in Richtung Henstedt-Ulzburg, dann über Kaltenkirchen und Bad Bramstedt die B206 entlang, von dort dann die B432 zurück, bis der Konvoi irgendwann wieder am Kulturwerk ankommt.

Eine Kundgebung ist nicht vorgesehen. „Ich werde versuchen, meine Berufskollegen ein bisschen einzunorden, worauf wir zu achten haben bei einer Kolonnenfahrt.“ Vermutlich wird keine Pause eingelegt, es soll auch keinen Begegnungsverkehr mit den anderen beiden Gruppen geben, die zeitgleich ab Bad Bramstedt und Fahrenkrug (bei Bad Segeberg) starten.

„Galgen“-Motive sind verboten, Autobahnen dürfen nicht befahren werden

Der Kreis hat einige Auflagen erteilt. Bestimmte Symbolik, dazu gehören „Galgen“-Motive oder schwarze Flaggen, ist verboten. Autobahnen dürfen nicht befahren werden, heißt es – wobei die Organisation „Land schafft Verbindung“, die nicht zum Bauernverband gehört, bereits angekündigt hat, in ganz Schleswig-Holstein die Auffahrten zur A7 blockieren zu wollen. Darüber hinaus soll es auch Trecker-Kolonnen nach Hamburg geben, eine könnte auf der Langenhorner Chaussee starten. Mette selbst hat in Chatgruppen auch von anderen geplanten Aktionen gelesen, „ich weiß nicht, ob die stattfinden“.

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Ansonsten dürfte es auf den Plakaten unterschiedliche Botschaften und Forderungen geben, so wie eben auf jeder Demonstration. Über die Protestform gibt es unter Landwirten unterschiedliche Meinungen. „Es gibt sicher auch Berufskollegen, die damit nicht so zufrieden sind, denen das vielleicht ein bisschen zu wenig ist. Aber was der Verband organisiert, ist rechtlich abgeklärt, da ist jeder auf der sicheren Seite. Anders kann man das auch nicht machen als Verband. Wir probieren, unser Ding durchzuziehen und hoffen auf eine möglichst breite Beteiligung.“

Bauernprotest: „Wir wollen Flagge zeigen“

Forderungen wie „Die Ampel muss weg“ betrachtet Mette mit Vorsicht. „Die Frage ist ja, was kommt danach. Es muss ja jemand kommen, der es besser macht. Das Leben ist halt nicht schwarz-weiß, wir müssen uns immer auf Kompromisse einstellen. Aber im Moment ist einfach zu viel zu schnell gekommen, das hat das Fass zum Überlaufen gebracht. Und da muss eben auch mal etwas anderes gemacht werden als nur ein nettes Gespräch zu führen.“

Denn eines ist klar: Die Landwirte wollen auffallen und mit ihren Aktionen in Erinnerung bleiben. „Der Beginn ist aber bewusst um 9 Uhr, um den Berufsverkehr nicht zu stark mit hineinzuziehen. Wir wollen nicht die Bevölkerung verärgern und auf dem Weg zur Arbeit ausbremsen. Aber wir wollen Flagge zeigen. Dann macht es auch keinen Sinn, es nachts um ein Uhr zu machen.“