Kreis Pinneberg. Landwirte wollen mit den Protestzügen weite Teile des Verkehrs im Kreis lahmlegen. SH-Innenministerin warnt. Das gilt für die Schüler.
- Innenministerin warnt vor Verkehrsbehinderungen
- Bauern planen drei zentrale Fahrten durch den Kreis
- Schülerverspätungen werden akzeptiert
Was kommt da auf den Kreis Pinneberg zu? Oder sogar auf das ganze Bundesland Schleswig-Holstein? Am Montag, 8. Januar, wollen, Bauern, Spediteure, Handwerker und andere Branchen gegen die Politik der Ampel-Koalition massiv protestieren. Vor allem auf den Straßen wird der Beginn der Arbeitswoche mutmaßlich zu einer Geduldsprobe.
„Bei den zuständigen Versammlungsbehörden – den Kreisen und kreisfreien Städten – sind zahlreiche Aktionen angezeigt worden. Diese Aktionen reichen von Kolonnenfahrten, Schlepperkonvois, Sternfahrten, Mahnwachen bis zu Blockaden von Autobahnauffahrten“, heißt es in einer Mitteilung aus dem schleswig-holsteinischen Innenministerium.
Protest der Landwirte: Innenministerin zeigt Verständnis für Demonstrationen
„Ich kann den Unmut der Landwirtinnen und Landwirte bis zu einem gewissen Punkt nachvollziehen. In unserer Demokratie sind weitreichende Rechte für Demonstrationen und Protestaktionen verankert. Und das ist das Wesen unserer Demokratie, dass Verärgerung und Unmut auch durch Demonstrationen ausgedrückt werden dürfen“, sagt Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack. Die bloße Zahl der angemeldeten Aktionen und deren Ausmaß würden die Geduld der Bevölkerung auf eine harte Probe stellen, so Sütterlin-Waack.
Die Verantwortlichen sollten dabei jedoch auch jederzeit die Einschnitte für die Bevölkerung bedenken und abwägen. Die Ministerin betont, dass es einen intensiven und guten Austausch mit dem Bauernverband Schleswig-Holstein gebe, der bei seinen geplanten Aktionen explizit auf Blockaden verzichten will und die Auswirkungen auf die Bevölkerung nicht zu groß werden lassen will.
Allerdings seien unabhängig vom Bauernverband weitere Aktionen angezeigt worden, wie beispielsweise die Blockade von Autobahnauffahrten. Die Polizei rechnet mit insgesamt mehr als 100 Protest-Aktionen in ganz Schleswig-Holstein.
Im Kreis Pinneberg wird es einen Demonstrations-Schlepperzug vom Kreisbauernverband geben. Zudem sind weitere Protestzüge von Berufsgruppen des Mittelstands angekündigt. Die Routen führen durch Elmshorn, Pinneberg, Quickborn und andere Orte des Kreises Pinneberg mit Ziel Hamburger Michel.
Bauernprotest: Das sind die Demonstrationszüge durch den Kreis Pinneberg
Der Zuspruch sei riesig, sagt Lars Kuhlmann, Chef des Kreisbauernverbands. Die von der Regierung angekündigte Rücknahme, die Landwirte nicht mehr von der Kfz-Steuer zu befreien und die Subventionen des Agrardiesels nur schrittweise abzubauen, reichten nicht aus. „Das ist ein erster guter Schritt, aber wir halten an unseren Protesten fest“, sagt Lars Kuhlmann. Die deutsche Landwirtschaft leide im europäischen Wettbewerb unter jeder Sparmaßnahme.
Wie groß der Schlepperzug der Landwirte am Montag tatsächlich wird, ist noch unklar. Bei der der Polizei angemeldet sind 150 Trecker und Schlepper. Aber auch bis zu 1000 Teilnehmer sind möglich. Klar ist: Los geht es um 10 Uhr vom Parkplatz am Rantzauer See in Barmstedt über Heede, Hemdingen, Quickborn, Pinneberg, Moorrege, Pinneberg, Elmshorn, Bokholt-Hanredder und zurück nach Barmstedt.
Pinnebergs Bauernverbandschef setzt auf friedlichen Protest
„Friedlich soll der Protest bleiben“, betont der Pinneberger Bauernverbandschef. Gewalt wie am Anleger in Schlüttsiel gegen einen Vertreter der Regierung sei nicht zu akzeptieren. „Wirtschaftsminister Habeck soll ein Gesprächsangebot gemacht haben. Ich hätte das angenommen, wenn ich dabei gewesen wäre“, sagt Kuhlmann.
Über den reinen Protest der Landwirte hinaus sind noch drei weitere Demonstrationszüge unterwegs. Dort reihen sich neben den Traktoren Fahrzeuge des Mittelstandes ein, darunter Handwerker, Spediteure, Handelsunternehmer, Pflegekräfte und sogar Zahnärzte. Aufgebaut werden soll von 5 Uhr an werden, gegen 6 Uhr wird an drei Punkten gestartet.
Polizei warnt Autofahrer, sich auf Demos einzustellen
Ein erster Zug mit geschätzt 500 Fahrzeugen soll sich auf der B4 vom Handelshaus „Bananen-Willi“ Mohr in Bilsen in Richtung Hamburger Michel in Bewegung setzen. Ein zweiter Konvoi fährt zur gleichen Zeit über die B431 von Elmshorn (Treffpunkt Parkplatz bei Netto an der Westerstraße) nach Hamburg. Der dritte Demonstrationszug führt ab 6.30 Uhr von Appen-Etz über die LSE (Landesstraße 103) in die Metropole. Die Konvois sollen gegen 10 Uhr in Hamburg am Michel eintreffen. Auch aus anderen Kreisen des Hamburger Umlands machen sich Schlepperzüge sternförmig auf den Weg.
Laut Polizei sind die Touren angemeldet und mit den Behörden abgesprochen. Die jeweiligen Anmelder wollen die Straßenverkehrsordnung einhalten und auch Rettungsgassen freihalten. Dennoch dürften gerade Berufspendler in Autos den Streik deutlich zu spüren bekommen.
Protestwelle nimmt in Haseldorfer Marsch ihren Anfang
Der Protest in und aus der Landwirtschaft ist rasant gewachsen. Bis zum dritten Advent war es eine etwa 20-köpfige Gruppe von Landwirten, die sich um Marten Plüschau aus Haselau heraus verbündet hatte. „Wir müssen ein Zeichen setzen“, verabredeten die Landwirte am Sonntag. Diesen Stein, den sie ins Wasser geworfen hatten, bildete immer größere Kreise. Als sich die Traktoren am 18. Dezember spontan zu einer Demo Richtung Kreisel am Westring bewegten, schlossen sich 75 Fahrzeuge von Berufskollegen an.
Und die Zustimmung wächst und wächst. Mittlerweile gehören allein dieser Gruppe im Süden des Kreises Pinneberg 450 Akteure an. Aus der Bauerngruppe ist die „Protestgruppe Mittelstand“ geworden. „Die Dynamik ist enorm“, sagt Landwirt Plüschau. Die angekündigte Belastung des Agrardiesels habe das Fass zum Überlaufen bei den Landwirten gebracht.
Das Ziel der Proteste: Rücktritt der Ampel-Koalition
In den anderen Berufsgruppen sind es weitere Belastungen durch die Maut, hohe Energiepreise oder das Chaos beim Heizungsgesetz. „Der Unmut gegenüber der Regierung ist groß“, sagt der Haselauer Landwirt. Deshalb werde es bei diesen Protesten grundsätzlich gegen die Ampel-Koalition gehen. Für die arbeitenden und steuerzahlenden Menschen sei diese Regierung zu einer Quälerei geworden. Sie sollte die Arbeit niederlegen.
Gleichwohl befürchten Marten Plüschau und seine Mitstreiter, dass sich bei den Protesten auch „Leute dranhängen, die wir nicht dabeihaben wollen“. Um Grenzen zu setzen, gibt es in allen drei Protestzügen Akteure, die das Recht haben, Beteiligte auszuschließen.
Aus Proteste der Bauern ist eine große Bewegung geworden
Bundesweit ist der Zuspruch und die Solidarität groß. Nicht grundlos sind aus den anfänglichen Bauernprotesten inzwischen Demonstrationszüge des gesamten Mittelstandes geworden. Ein Beispiel: In Niedersachsen haben Bauinnungen symbolisch Rathaustüren zugemauert. „Auch unsere Bauunternehmer sind hochgradig unzufrieden! Als Verband bündeln wir die Interessen unserer Mitglieder und sagen deutlich: Es reicht!“, sagt etwa Georg Schareck, Hauptgeschäftsführer der Bauwirtschaft im Norden.
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Trecker-Konvois sorgen für massive Beeinträchtigungen
Die Polizei rechnet am Montag vor dem Hintergrund von bereits angemeldeten Versammlungen durch landwirtschaftliche Fahrzeuge im gesamten Landesgebiet mit erheblichen Einschränkungen im Verkehr. Autofahrer sollten sich in jedem Fall darauf einstellen und längere Fahrzeiten einplanen.
Am Montag, 8. Januar, ist zudem der erste Schultag nach den Ferien. Laut Bildungsministerium nehmen die Schulen Rücksicht auf die Schülerinnen und Schüler, die verspätet zum Unterricht erscheinen. Die Verspätungen werden nicht vermerkt.
Grundsätzlich gilt: Eltern, die für ihr Kind eine besondere Behinderung oder Gefährdung auf dem Schulweg durch die Demo befürchten, können ihr Kind zu Hause behalten oder es vorzeitig vom Unterricht abholen. Das Fernbleiben vom Unterricht ist entschuldigt.