Bad Segeberg. Soll die FDP die Regierung verlassen? Kritische Liberale erzwingen mit 500 Unterschriften eine bundesweite Mitgliederbefragung.
Alexander Georg Rackow, Kreistagsabgeordneter der FDP, ist am Mittwoch gut gelaunt und sogar etwas in Feierstimmung. Denn aus seiner Sicht ist der erste Schritt zu Rettung der FDP getan: „Die 500 Unterschriften von FDP-Mitgliedern liegen vor. Die Mitgliederbefragung zum Austritt der FDP aus der Ampel-Regierung wird stattfinden“, sagt Rackow.
Gesammelt wurden die Unterschriften vom Kasseler FDP-Kreisverband unter www.ampel-beenden.de. Die Frage „Sie sind Mitglied der FDP und wollen ein Ende der Ampel-Koalition auf Bundesebene?“ beantworteten 500 Liberale Parteimitglieder mit Ja. Nach Paragraf 21a, Absatz 1, der Bundessatzung der FDP sei jetzt die Voraussetzung erfüllt, damit alle 70.000 FDP-Mitglieder über den Verbleib in der Koalition abstimmen können.
„Weckruf Freiheit!“ an die FDP kam aus dem Kreis Segeberg
Rackow und neun weitere Liberale aus dem Segeberger Kreisverband hatten den „Weckruf Freiheit!“ innerhalb der FDP mit 16 weiteren Parteikolleginnen und -kollegen aus ganz Deutschland initiiert und damit auch die Diskussion innerhalb der Partei und die Sammlung der Unterschriften befeuert. Sie fordern den sofortigen Austritt der FDP aus der Koalition, weil sich die Partei sonst „bis zur Unkenntlichkeit“ verbiege und vom Wähler abgestraft würde.
„Zusätzliche Dringlichkeit hat die jetzige Lage mit der Haushaltssperre bekommen“, sagt Rackow. „Und bei den Parteitagen in Bayern und Rheinland-Pfalz waren unsere Leute ja auch tätig. Das hat der Sache einen Schub gegeben.“ Mit Spannung erwartet er nun den Parteitag der FDP Schleswig-Holstein am 25. November in Neumünster. „Es wird interessant zu sehen sein, wie die Landesführung reagiert.“
Kreisverband hat die „Rebellen“ abgewatscht
Interessant war es auch zu sehen, dass der Segeberger Kreisverband die „FDP-Rebellen“ in den eigenen Reihen abgewatscht hatte. Beim Kreisparteitag der FDP gab es eine „überwältigender Mehrheit“ gegen die „Flucht aus der Regierungskoalition“. Der neue Vorsitzende Helmer Krane, gewählt 82,6 Prozent der Mitglieder, bekräftigte: „Die Mitglieder haben klar gezeigt, dass wir Freie Demokraten die Verantwortung für unser Land ernst nehmen in diesen schwierigen Zeiten.“ Und auch Gastredner und FDP-Grande Wolfgang Kubicki sprach bei dem Parteitag mehr über die FDP-Erfolge in der Koalition und weniger über „einzelne Mitglieder“, die den Austritt fordern.
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Wie wenige Liberale die Position von Alexander-Georg Rackow und den anderen Kritikern teilen, dass wird sich nun in der Mitgliederbefragung zeigen. „Wir sind bewusst nicht zum Kreisparteitag gefahren und haben auch keinen Gegenkandidaten zu Helmer Krane aufgestellt“, sagt Rackow. „Wir wollten die Partei nicht spalten.“ Doch jetzt stellt er ernüchtert fest: „Wir wurden da ganz schön in die Pfanne gehauen. Der Kreisparteitag hat zur Spaltung beigetragen.“
FDP-Rebellen: Parteiaustritte möglich?
Rackow und auch andere „Rebellen“ überlegen sich, ob die FDP jetzt noch ihre politische Heimat ist. „Ich möchte jetzt die Mitgliederbefragung abwarten. Vielleicht gibt es ja eine Mehrheit und die FDP geht aus der Koalition raus“, sagt Rackow. Dann könne man auf die Union zugehen, eine Deutschlandkoalition bilden und die Grünen endlich aus der Regierung bekommen. Alles könnte so werden wie damals, als die FDP 1982 dabei half, Helmut Schmidt als Kanzler durch Helmut Kohl zu ersetzen. „Und es folgten 16 Jahre des wirtschaftlichen Erfolges und des Friedens in Deutschland“, sagt Rackow.
Wenn es aber nicht so kommt? „Dann muss ich sehen, was ich mit meinem Mandat im Kreistag mache.“ Andere Parteien kommen für ihn nicht infrage. „Die AfD war am Anfang interessant, als da noch Bernd Lucke und Hans-Olaf Henkel waren. Jetzt sind die rechtsradikal und haben einen hohen Idiotenfaktor. Da kann man nicht mitmachen“, sagt Rackow. Und die Freien Wähler seien ihm zu diffus in ihrer Ausrichtung.