Norderstedt. Nach Schließung und Insolvenz: Stadt Norderstedt prüft Übernahme des Hauses. Und: Neuer Verdacht gegen Ex-Geschäftsführer.

Die Entwicklung rund um das Altenpflegeheim Rosengarten in Norderstedt beschäftigt die Menschen in der Stadt weiterhin. Wie berichtet, war die Senioreneinrichtung, die sich an der Kreuzung Alte Dorfstraße/Ochsenzoller Straße im Ortsteil Garstedt befindet, zum Ende des Oktobers zwangsweise geschlossen worden. Dies hatte der Kreis Segeberg über die Heimaufsicht verfügt. Und zwei Gründe genannt: „mangelnde wirtschaftliche Leistungsfähigkeit“ sowie „Unzuverlässigkeit des einzigen Geschäftsführers“. Binnen weniger Tage mussten rund 40 Bewohnerinnen und Bewohner neue Heimplätze in der Region finden, was letztlich durch große Anstrengungen der Familien, unterstützt durch den Kreis, gelang.

Doch was wird nun aus dem Gebäude? In diversen Onlineforen waren rasch Gerüchte laut geworden, wonach hier eine Unterkunft für Flüchtlinge entstehen soll. Das lässt sich zwar zu diesem frühen Zeitpunkt nicht vorhersagen, zumal erst seit Mitte des letzten Monats ein Insolvenzverfahren gegen die Betriebsgesellschaft läuft und die Verantwortlichen mutmaßlich abgetaucht sind. Doch als Katrin Schmieder, Sozialdezernentin der Stadt und designierte Oberbürgermeisterin, am vergangenen Donnerstag während des öffentlichen Kandidatenduells in der TriBühne von einem Bürger explizit zum Haus Rosengarten befragt wurde, gab sie eine überraschende Antwort.

Norderstedt: Altenheim Rosengarten – Azubis, Flüchtlinge oder Senioren?

„Wir sind in der Eigentümerermittlung. Das ist hoch komplex. Wir würden das Haus gerne übernehmen. Es muss gar nicht nur für Geflüchtete sein. Ich würde dort auch gerne Auszubildende unterbringen. Da gibt es viele Personengruppen. Ich könnte mir auch vorstellen, dass wir einen neuen Träger suchen und dort wieder Angebote für ältere Menschen machen.“

Auf die Vorgänge war die Verwaltung über Umwege aufmerksam geworden. „Es ist tatsächlich durch die Stadtwerke aufgefallen. Die riefen uns an, sagten, wir drohen, den Strom abzudrehen.“ Weil offenbar die Rechnungen nicht bezahlt worden waren. Schmieder intervenierte, man müsse erst einmal klären, was da los sei. „Und dann haben wir es mit dem Kreis, der die Heimaufsicht hat, geklärt. Der sagte, ein Insolvenzverfahren sei auf dem Weg.“

Betreiber bezahlte Stromrechnung bei den Stadtwerken Norderstedt nicht

Das bestätigt auch Kreissprecherin Sabrina Müller: „Die Stadtwerke Norderstedt hatten der Wohnpflegeaufsicht am 10. Oktober mitgeteilt, dass der Strom in der Einrichtung wegen offener Forderungen am 23. Oktober abgestellt werden soll. Die Wohnpflegeaufsicht hat den Stadtwerken daraufhin die Situation in der Einrichtung erläutert, sodass eine Abstellung des Stroms auf Ende Oktober 2023 aufgeschoben wurde.“

Juristisch gesehen, bleiben die Vorgänge weiterhin sehr undurchsichtig. Bekannt ist: Am 1. September übernahm ein Andzej Z. die Geschäftsführung in Norderstedt von einem Guido S. – der wiederum hinter einer weiteren Gesellschaft steht (Casa Senes), die unter anderem auf Pflegedienstleistungen spezialisiert ist. Eine Kontaktaufnahme zu Z. war für das Abendblatt nicht möglich, auch die als Insolvenzverwalter beauftragte Hamburger Kanzlei HBH reagierte auf eine Anfrage nicht.

Undurchsichtiges Firmengeflecht – und fünf insolvente Altenpflegeheime

Zu dem Firmengeflecht gehören vier weitere Pflegeeinrichtungen, die allesamt Insolvenz angemeldet haben: in Vögelsen sowie Westergellersen (jeweils Landkreis Lüneburg), Selsingen (Landkreis Rotenburg in Niedersachsen) sowie Lüdersdorf (Mecklenburg-Vorpommern). Wie die „Landeszeitung für die Lüneburger Heide“ berichtet, sei ein Muster auffällig: Kurz bevor die Zahlungsunfähigkeit amtlich wird, gab es den Wechsel in der Geschäftsführung.

Die Vermutung liegt nahe: Die finanzielle Schieflage müsste sich über einen längeren Zeitraum abgezeichnet haben. In Norderstedt allerdings hatte ein Mitarbeiter gegenüber dem Abendblatt gesagt, dass die Belegschaft überrascht gewesen sei. Und: Andzej Z. war für die Angestellten nicht zu sprechen.

In Mecklenburg-Vorpommern laufen Ermittlungen wegen möglicher Insolvenzverschleppung

In Mecklenburg-Vorpommern ist laut „Landeszeitung“ die Staatsanwaltschaft Schwerin aktiv geworden. Diese führe gegen Guido S. sowie zwei weitere Personen, die zu verschiedenen Zeitpunkten Geschäftsführer waren, ein Ermittlungsverfahren. Der Verdacht: Insolvenzverschleppung, Vorenthalten und Vertreuung von Löhnen und ein Verstoß gegen den Mindestlohn.

Für Norderstedt wäre die Staatsanwaltschaft Kiel zuständig. Das Abendblatt fragte dort nach, ob ebenso ermittelt werde, eine Antwort lag bis Dienstagnachmittag jedoch nicht vor.

Norderstedt: Ende Oktober waren alle Senioren aus dem „Rosengarten“ ausgezogen

Und die ehemaligen Bewohnerinnen und Bewohner des Altenpflegeheims Rosengarten? „Am 30. Oktober sind die letzten aus der Einrichtung ausgezogen“, so Sabrina Müller. Viele sind in der Stadt geblieben. Etwa sieben Kilometer entfernt, in der Seniorenresidenz „Zum Steertpogg“, haben 13 einen neuen Platz gefunden. „Da viele von ihnen dement sind, war der Umzug für sie besonders schwierig. Sie mussten sich an eine neue Umgebung, neue Abläufe, neue Mitbewohner und neues Pflegepersonal gewöhnen“, sagt Kirsten Krause, Leiterin des Pflegeheims.

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Um es den Betroffenen ein bisschen leichter zu machen, habe man sie weitestgehend zusammen mit anderen Bewohnern des Rosengartens untergebracht. „Wir sind froh, dass sie sich gut eingewöhnt haben und bei uns ein neues Zuhause gefunden haben“, so Krause. Bei ihr am Schrank hängt ein blauer Pflege-Kasak, wenn irgendwo jemand gebraucht wird, tauscht sie Blazer gegen Kasak und packt mit an. „So eine Situation kann man nur stemmen, wenn alle zusammenhalten.“

Norderstedt: 13 Bewohner fanden neuen Platz in der Residenz „Zum Steertpogg“

Als sie von der Schließung hörte, habe sie die Aufnahme von betroffenen Bewohnern vorab mit ihrem Team besprochen. „Eigentlich hatten wir gehofft, dass wir zusammen mit den Bewohnern auch einige Pflegekräfte aus dem Rosengarten übernehmen und es dadurch einfacher wird“, so Krause. Doch letztendlich hat nur eine Pflegehelferin bei ihnen angefangen.

Normalerweise nimmt die Senioren-Residenz maximal zwei neue Bewohner pro Woche auf, jetzt waren es 13 innerhalb kürzester Zeit. Es ist nicht das erste Mal, dass „Zum Steertpogg“ Bewohner eines anderen Heims aufnimmt. Bereits vor drei Jahren übernahm die Pflegeeinrichtung an der Ulzburger Straße 20 Bewohner des damals insolventen Alten- und Pflegeheims Haus Sommer in Tangstedt.